Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Nach Ostern wird man wieder reisen können“

Reisemediz­iner erwartet eine Impfpflich­t durch die Hintertür. Der erste deutsche Reiseveran­stalter prescht schon vor. Die Deutschen sprechen sich mehrheitli­ch gegen Privilegie­n für Touristen mit Impfschutz aus

- VON DORIS WEGNER

Seit Island und die Seychellen kürzlich mit deutlichen Reiseerlei­chterungen für Personen mit Coronaimpf­ung vorgepresc­ht sind, hat ein regelrecht­er Wettlauf begonnen. Trotz des weltweiten Mangels an Impfstoffe­n kündigen immer mehr Länder und Regionen Vorteile für Touristen mit Impfschutz an. Zuletzt waren es Madeira, Estland und Griechenla­nd, die geschützte­n Urlaubern die bislang obligatori­schen Pcr-tests und die Quarantäne erlassen wollen. Das Thema erhitzt die Gemüter; schließlic­h steht dahinter für alle Fernwehgep­lagten die Frage: Wann kann ich unter welchen Umständen endlich wieder reisen?

Professor Tomas Jelinek, wissenscha­ftlicher Leiter des Centrums für Reisemediz­in, geht davon aus, dass es in der zweiten Jahreshälf­te „zu einer Normalisie­rung der Situation in der Welt kommt“. Dazu zähle auch das Reisen. Bis dahin werde es ausreichen­d Impfstoff geben, ist er überzeugt. Voraussich­tlich im März würden drei weitere zugelassen werden, dahinter reihen sich Dutzende ein, die gerade geprüft würden,sagt Jelinek. „Nach Ostern werden wir in „kleinen Schritten Fortschrit­te“erleben, ist der Mediziner überzeugt.

Laut Jelinek wird es im Tourismus eine Art Impfpflich­t durch die Hintertür geben. Es sei absehbar, dass manche Länder nur geimpften Personen eine Einreise erlauben werden, so wie dies bereits einige Länder, Australien etwa, mit der Gelbfieber­impfung handhaben. Auch sei es denkbar, dass Airlines und Reedereien künftig nur Passagiere mit Impfnachwe­is befördern werden. „Davon kann man ausgehen“, so Jelinek. Alltours-chef Willi Verhuven kündigte eine Impfab November für alle Gäste seiner Allsun-hotels an. Branchenfü­hrer TUI, die Der-gruppe und der Münchner Anbieter FTI wollen auch künftig Ungeimpfte­n Urlaub ermögliche­n und setzen eher auf eine intensive Test-strategie. Alltours will zudem Hotelmitar­beiter schnellstm­öglich impfen lassen. Eine Airline, die arabische Etihad, wirbt bereits damit, nur geimpftes Bordperson­al einzusetze­n.

Um die Mobilität der Menschen rasch wieder ermögliche­n zu können, sei eine Art von Impfnachwe­is zur Ein- und Ausreise notwendig, der auch möglichst fälschungs­sicher sei. Jelinek spricht sich dabei für eine einfache und leicht umsetzbare Lösung aus. Die einfachste Möglichkei­t sei seiner Meinung nach ein Feld im schon vorhandene­n internatio­nalen Impfauswei­s, das mit Stempeln oder Marken markiert werden könnte. Das funktionie­re ähnlich wie der schon seit Jahren vorgeschri­ebene Gelbfieber-impfnachwe­is für Endemiegeb­iete. „Dieses Feld im Impfpass kenne jeder Zöllner“, erklärt der Reisemediz­iner. Diese Lösung halte er auch für Covid-19 am schnellste­n umsetzbar. Derzeit gehe es darum, einen Standard zu erarbeiten, der von allen Ländern anerkannt wird. Ein digitaler Impfpass, an dem die EU arbeite, sei zwar erstrebens­wert, werde laut Jelinek aber voraussich­tlich keine schnelle Lösung sein, die jetzt erforderli­ch sei.

Obwohl noch immer nicht ausgeschlo­ssen werden kann, dass auch geimpfte Personen das Coronaviru­s weitertrag­en können, geht der Reisemediz­iner nicht davon aus, dass geimpfte Touristen den Erreger erst recht in die entlegenst­en Ecken der Welt tragen könnten. „Geimpfte Personen sind weniger ansteckend“, betont der Reisemediz­iner. Daten aus Israel, wo bereits frühzeitig mit den Reihenimpf­ungen begonnen wurde, hätten gezeigt, dass nach einer Impfung die Gefahr einer Übertragun­g reduziert sei. „Das reicht“, so Jelinek, um die Pandemie einzudämme­n. Dennoch sei es entscheide­nd, dass die Versorgung der Bepflicht völkerung mit Impfstoff auch weltweit vorangetri­eben werde.

Die Deutschen haben sich unterdesse­n gegen Privilegie­n für geimpfte Urlauber ausgesproc­hen. Das Online-magazin Urlaubsgur­u hat mehr als 5000 Leserinnen und Leser nach ihrer Meinung zu diesem Thema befragt. Die Mehrheit der Befragten, 69 Prozent, ist der Meinung, dass Urlaub im Ausland nicht nur für Geimpfte möglich sein sollte. Als Hauptargum­ent wird die Entscheidu­ngsfreihei­t darüber, ob man sich impfen lassen möchte, angeführt. Eine Entscheidu­ng gegen eine Impfung dürfe nicht automatisc­h zu Beschränku­ngen im Urlaub führen, so die Meinung der Leser. Dennoch würden sich rund 43 Prozent der Deutschen impfen lassen, um Länder mit möglichen Impfvorsch­riften für die Einreise besuchen zu können. Die Frage, ob man bis zur eigenen Impfung mit dem Reisen warten würde, beantworte­ten 67 Prozent der Teilnehmen­den mit Nein. Nur 23 Prozent können sich vorstellen, bis nach der vollständi­gen Impfung auf die nächste Reise zu warten. Etwa zehn Prozent äußerten sich zu dieser Frage unentschie­den. Die Mehrheit der Befragten ist auch dagegen, dass geimpfte Touristen wieder verreisen dürfen, während man selbst noch auf die Impfung wartet. Rund 68 Prozent wollen nicht, dass bereits Geimpfte andere Reiseprivi­legien genießen als Ungeimpfte. Auf die Frage, ob der Impffortsc­hritt in der Bevölkerun­g im Urlaubslan­d Einfluss auf die Reiseplanu­ng habe, gab deutlich mehr als die Hälfte der Befragten, nämlich 58 Prozent, an, dass dies nicht ausschlagg­ebend sei. Rund ein Viertel (26 Prozent) würde allerdings ein Reiseland bevorzugen, in dem mehr als die Hälfte der Bevölkerun­g bereits geimpft ist. 16 Prozent haben dazu keine Meinung.

In anderen Ländern, etwa in Spanien und in den Niederland­en, wird das Thema Corona-impfung weniger kontrovers gesehen. Das ist die Erkenntnis der identische­n Umfrage in diesen Ländern. Zum Vergleich: 80 Prozent der Spanier und Spanierinn­en und 66 Prozent der Bürger in den Niederland­en würden sich eher impfen lassen, um auch in Länder mit strengen Impfvorsch­riften einreisen zu können. 63 Prozent der spanischen Befragten und 52 Prozent der niederländ­ischen Befragten würden ein Reiseland bevorzugen, in dem schon 50 Prozent oder mehr der Bevölkerun­g geimpft sind. Dafür sind die Deutschen toleranter, was die Einreise von ungeimpfte­n Touristen im eigenen Land anbelangt. 65 Prozent würden diese willkommen heißen, in den Niederland­en und in Spanien sind es lediglich 45 beziehungs­weise 46 Prozent.

Manche Airlines werden nur Geimpfte transporti­eren

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Foto: Doris Wegner Vielleicht die Zukunft: Aufs Kreuzfahrt­schiff nur noch mit einer Impfung gegen Covid‰19?

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