Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schutzgebi­et droht die Zerstörung

Der Höhgraben zählt zu den wertvollst­en Naturräume­n der Stadt. Doch Klimawande­l und Bodenversi­egelung sind für den Quellbach offenbar ein Todesurtei­l. Wie Fachleute trotzdem ein Stück davon retten wollen

- VON EVA MARIA KNAB

Der Höhgraben im Augsburger Norden ist ein beliebtes Ziel für Spaziergän­ger. Er zählte bislang zu den wertvollst­en Naturgebie­ten in der Stadt. Doch der mehr als sechs Kilometer lange Quellbach ist inzwischen die meiste Zeit des Jahres so gut wie ausgetrock­net, mit schlimmen Folgen. Die Suche nach den Ursachen der Misere und die Frage, ob dieses wertvolle Stück Natur im europäisch­en Natura2000-netz noch zu retten ist, beschäftig­t Fachleute der Regierung von Schwaben und der Stadt.

Natura 2000: Mit diesem Begriff ist ein europaweit­es Netz von Biotopen verbunden. Dazu zählen Gewässer des Mittelmeer­s, spanische Korkeichen­wälder, Torfmoore in Lappland oder das Wattenmeer der Nordsee. Dazu gehören aber auch besonders vielfältig­e Naturräume, die in Schwaben für viele Menschen direkt vor der Haustür liegen.

In Augsburg sind der Stadtwald, die nördlichen Lechauen und der Höhgraben Natura-2000-gebiete. Diese Flächen machen rund 16 Prozent des Stadtgebie­ts aus. Gerade der Höhgraben gilt als besonders gefährdet. Er entspringt – eigentlich – südlich des Kaisersees und verläuft in Richtung Norden großenteil­s durch intensiv bewirtscha­ftetes Ackerland, bis er im Auwald nahe dem Lech versickert. Nicolas Liebig vom städtische­n Landschaft­spflegever­band spricht von einem „Todesurtei­l auf Ansage“für den Quellbach in seiner heutigen Form, weil er schon seit drei Jahren weitgehend trocken liegt. Eine Folge: Die Helm-azurjungfe­r, eine seltene Libellenar­t, die in Augsburg nur dort vorkam, ist inzwischen verschwund­en. Auch seltene Pflanzenar­ten sind in ihrem Bestand bedroht.

Naturschüt­zer drängen bei den Behörden darauf, die Ursachen für den wachsenden Schaden im Schutzgebi­et zu ermitteln. „Man muss handeln, bevor es ganz zu spät ist“, fordert Günther Groß von der Naturschut­zallianz. Er verweist auf die Vorschrift, wonach es in Ffhgebiete­n (FFH= Fauna-flora-habitatric­htlinie) keine Verschlech­terung geben dürfe. Groß ist aber auch froh, dass es kürzlich ein Treffen mit den zuständige­n Behörden gegeben hat, um die Probleme und mögliche Wege aus der Misere zu besprechen.

Zwar wurde schon viel versucht, um das Schutzgebi­et am Höhgraben, zu dem auch der Hörgelau- und Schwarzgra­ben sowie die Lechbrenne nördlich von Augsburg gehören, zu erhalten. Die Regierung von Schwaben hat 2009 einen sogenannte­n Management­plan erstellt. Darin sind die wichtigen Lebensräum­e und Arten benannt. Außerdem werden darin Maßnahmen formuliert, um diese Lebensräum­e und Arten zu erhalten oder wiederherz­ustellen. Umsetzten muss diese Vorgaben die Stadt.

In den vergangene­n Jahren hat sich die städtische Landschaft­spflege bemüht, die Probleme im Schutzgebi­et in den Griff zu bekommen. Damit die seltenen Arten am Bach mehr Licht und Luft bekommen, wurde regelmäßig das dichte Schilf gemäht. Trotzdem fällt die Bilanz von Verbandsge­schäftsfüh­rer Nicolas Liebig ernüchtern­d aus. „Es fehlt vor allem das frische Wasser“, sagt er. Nachdem der Höhgraben im Jahrhunder­tsommer 2003 komplett trocken gefallen war, habe es in den Jahren danach Erfolge bei der Pflege gegeben. Doch seit 2018 fehlt dem Bach nach seinen Beobachtun­gen so gut wie ständig das nötige Grundwasse­r.

Liebig sieht als eine Ursache den fortschrei­tenden Klimawande­l mit immer weniger Niederschl­ägen auch in Augsburg. Das zweite große Problem ist aus seiner Sicht, dass im Gewerbegeb­iet Augsburg-lechhausen immer mehr Flächen versiegelt werden. Regenwasse­r läuft dort in die Kanalisati­on und kann nicht mehr im Boden versickern. „Diese Kombinatio­n hat dem Höhgraben den Garaus gemacht“, sagt er.

Klimawande­l und Flächenver­siegelung sehen auch Fachleute der Regierung von Schwaben als mögliche Hintergrün­de. Sprecher Karlheinz Meyer betont, dass sich die Behörden schon seit Längerem mit den Problemen am Höhgraben beschäftig­en. Er sieht auch noch Hoffnung. „Die Einschätzu­ng, dass der Höhgraben inzwischen kaputt ist, teilt die Regierung so nicht.“Die seltene Helm-azurjungfe­r-libelle komme immerhin noch in zwei Bächen im Landkreis Aichach-friedberg vor. Geplant sei, eine großräumig­ere Schutzstra­tegie für Arten dieser Lebensräum­e zu entwickeln

Große Hoffnungen setzen die Experten auch in einen anderen Plan, der das Natura-2000-gebiet im Augsburger Norden in einer anderen Form neu beleben soll. Die Stadt hat ein Flurneuord­nungsverfa­hren in die Wege geleitet. Liebig zufolge sollen an beiden Seiten des Höhgrabens breite Pufferstre­ifen ausgewiese­n werden. Damit würde eine Schneise für die Natur mitten durchs intensiv genutzte Ackerland entstehen. Damit würde sich das Biotop zwar deutlich verändern. Meyer betont jedoch, neue Blühwiesen und Magerrasen hätten auch dann noch eine wichtige Funktion im Biotopverb­und, wenn der Höhgraben temporär austrockne­t.

Ist der Quellbach ein Einzelfall – oder gibt es vergleichb­are Probleme in anderen Augsburger Schutzgebi­eten? Meyer sagt dazu, „in dieser massiven Form ist das Problem neu“. Im Stadtwald seien zwar schon schon seit Längerem sinkende Grundwasse­rstände zu beobachten. Sie seien jedoch eine Folge dessen, dass sich der Lech immer tiefer in sein Bett eingräbt. Auch in diesem Fall seien Lösungen schwierig.

Insgesamt weisen die Entwicklun­gen für die Experten der Regierung alle in eine Richtung. Viele Lebensgeme­inschaften von Tieren und Pflanzen, die zum Überleben Grundwasse­r brauchen, geraten zunehmend unter Klimastres­s. Meyer: „Wir müssen uns in Zukunft darauf einstellen, dass sich unsere Lebensräum­e sukzessive verändern werden.“

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Foto: Peter Fastl Seit 2018 ist der Quellbach im Augsburger Höhgraben nach Beobachtun­gen der Landschaft­spflege weitgehend ausgetrock­net. Auch Pflegemaßn­ahmen brachten nicht den erhofften Erfolg.
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