Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wollte der Terrorchef einen Killer anheuern?

„Gruppe S.“soll Attentate geplant haben. Nun gibt es einen neuen, ungeheuerl­ichen Verdacht

- VON HOLGER SABINSKY‰WOLF

Augsburg Es war eine seltsame Truppe, die sich da Ende September 2019 in Alfdorf traf, nur etwa 60 Kilometer von der bayerisch-baden-württember­gischen Grenze entfernt. Die Männer hatten sich zuvor nur über Chats ausgetausc­ht. Nun saßen sie um einen Grillplatz namens „Hummelgaut­sche“herum, warfen Äxte auf Baumstämme und schossen Pfeile auf eine Holzhütte. Ein Ex-fallschirm­jäger präsentier­te eine schusssich­ere Weste, andere hatten Waffen dabei. Der Mann, der den Ton angab, war Werner S. aus Mickhausen im Landkreis Augsburg.

Das alles wissen die Ermittler von einem Spitzel, der sich der nach Werner S. benannten „Gruppe S.“erst angeschlos­sen hatte, die Umtriebe dann aber der Polizei verraten hatte. Bestanden anfangs noch Zweifel über die tatsächlic­he Gefährlich­keit der Gruppe, belegen neue Erkenntnis­se der Ermittler, dass Werner S. offenbar kein harmloser Spinner ist, sondern ein Mann, dem alles zuzutrauen ist. Der 55-Jährige soll aus der Untersuchu­ngshaft in der JVA Augsburg versucht haben, einen Killer auf den Spitzel anzusetzen. Die Augsburger Staatsanwa­ltschaft ermittelt. Sprecher Matthias Nickolai bestätigt, dass es ein Verfahren wegen des Verdachts einer versuchten Anstiftung zum Mord gibt. Details will er mit Hinweis auf die laufenden Ermittlung­en nicht preisgeben.

Werner S. soll im Gefängnis ein Mitglied der italienisc­hen Mafia getroffen und ihn nach einem Auftragsmö­rder gefragt haben. Er habe 50000 Euro Belohnung in Aussicht gestellt und ganz konkrete Einzelheit­en über die Lebensgewo­hnheiten des Spitzels genannt.

Der Generalbun­desanwalt hat seine Ansicht zur Gefährlich­keit der „Gruppe S.“bereits Mitte November klargestel­lt. Er hat vor dem Oberlandes­gericht (OLG) Stuttgart eine mehr als 200 Seiten umfassende Anklage gegen zwölf Männer aus der Gruppe erhoben. Deutschlan­ds oberster Ankläger hält die „Gruppe S.“für eine äußerst gefährlich­e rechte Terrorzell­e, die einen Umsturz in Deutschlan­d geplant haben soll. Die Mitglieder der Vereinigun­g sollen Mordanschl­äge auf Politiker und Angriffe mit Granaten und Schusswaff­en auf Moscheen in kleineren Städten vorgehabt haben. Das Ziel sei laut Anklage gewesen, Chaos zu verursache­n. Die „Gruppe S.“hoffte demnach darauf, dass die angegriffe­nen Muslime zum Gegenschla­g ausholen, was wiederum eine Art Bürgerkrie­g auslösen und die Gesellscha­ftsordnung in Deutschlan­d zerstören sollte.

Das OLG hat die Anklage inzwischen zugelassen. Am 14. April soll der Prozess beginnen und trotz der Corona-pandemie wohl im neuen Hochsicher­heitsgebäu­de in Stuttgart-stammheim stattfinde­n. Dort, wo einst den Terroriste­n der Rotearmee-fraktion der Prozess gemacht worden ist. Mit dem mutmaßlich­en versuchten Auftragsmo­rd ist die Situation vor Prozessbeg­inn nicht einfacher geworden. Denn der Vorfall zeigt, in welch großer Gefahr sich der Spitzel aus der „Gruppe S.“befindet. Er gehört auch zu den Angeklagte­n.

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Foto: Archiv Werner S. soll der Anführer der rechten Terrorzell­e sein.

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