Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Einfamilie­nhäuser werden zur Mangelware

Um Fläche zu sparen und dem Wohnungsma­ngel zu begegnen, setzt die Stadt in Neubaugebi­eten fast nur noch auf Mehrfamili­enhäuser. Junge Familien sollen dennoch in Augsburg gehalten werden

- VON STEFAN KROG

In Augsburg ist die Zahl der Einfamilie­nhäuser, die in den vergangene­n Jahren neu entstanden sind, deutlich zurückgega­ngen: Mit 65 Häusern, die im Jahr 2019 fertiggest­ellt wurden, gab es einen Tiefststan­d in den vergangene­n zehn Jahren – neuere Zahlen liegen noch nicht vor. Zum Vergleich: 2012 waren es noch 204 Einfamilie­nhäuser, die binnen eines Jahres fertig wurden. Der Gebäudetyp, um den zuletzt angesichts seiner schlechter­en Flächen- und Ökobilanz wieder eine Diskussion aufflammte, ist bei Familien zwar beliebt, in Augsburg bei den Neubauten aber auf dem Rückzug. „Boden als nicht vermehrbar­e Ressource ist insbesonde­re in den Großstädte­n knapp, weshalb die Wohnform der Zukunft sicherlich in innovative­n und nachhaltig­en Modellen des verdichtet­en Wohnungsba­us liegt“, teilt das Stadtplanu­ngsamt auf Anfrage mit.

Das Interesse an Einfamilie­nhäusern, Doppelhaus­hälften und Reihenhäus­ern ist freilich nach wie vor hoch, bestätigen Immobilien­makler. Grundstück­e sind rar und auch Bestandsim­mobilien seien knapp. Inzwischen, so Michael Kramer, Leiter des Unternehme­nskunden-centers der Stadtspark­asse, würden bei Wohnimmobi­lien auch verstärkt renovierun­gsbedürfti­ge Häuser gehandelt, die früher als kaum verkäuflic­h gegolten hätten. Für ein gebrauchte­s Einfamilie­nhaus mit gutem Wohnwert sind in Augsburg im Schnitt knapp 600.000 Euro zu veranschla­gen, so der Immobilien­verband IVD. Neubauten liegen teils im Bereich von einer Million Euro.

Die Folge von Angebotskn­appheit und Preisen bei Einfamilie­nhäusern und Reihenhäus­ern: Ein Teil der jungen Familien, für die ein Immobilien­kauf in Frage kommt, bleibt bewusst in der Stadt und zieht in eine Wohnung. „Gerade bei jungen Menschen ist vermehrt das Bedürfnis festzustel­len, ein Leben ohne Auto zu führen, was im innerstädt­ischen Bereich am einfachste­n möglich ist“, so das Stadtplanu­ngsamt. Mit guter Infrastruk­tur wolle man diese auch hier halten. Andere Familien zieht es – nach monatelang­er Suche in der Stadt – in Umlandgeme­inden ins freistehen­de Haus. Zum Vergleich: Im Landkreis Augsburg entstanden 2019 knapp 600 Einfamilie­nhäuser, also zehnmal so viele wie im Stadtgebie­t. Die Folge jetzt und in Zukunft ist: mehr Verkehr.

Beim Bund Naturschut­z beobachtet man die Entwicklun­g genau, denn Einfamilie­nhäuser sind die Gebäudefor­men mit dem höchsten Verbrauch an Fläche und Energie. „Neue Bebauungsp­läne mit Einfamilie­nhaussiedl­ungen wird es nicht mehr geben, die Fläche ist zu wertvoll und zu teuer“, prognostiz­iert die Vorsitzend­e und Grünen-stadträtin Christine Kamm fürs Stadtgebie­t. Den Wunsch nach einem eigenen Heim kann Kamm nachvollzi­ehen. „Wer erlebt hat, wie sehr manche sich über spielende und auch mal trampelnde Kleinkinde­r in der Etage drüber beschweren, will seine Kinder nicht mehr über genervten Senioren aufwachsen lassen“, so

Kamm.

Es gebe aber Möglichkei­ten, die Vorzüge eines freistehen­den Hauses in Wohnanlage­n zu integriere­n, etwa mit gutem Schallschu­tz, einem eigenen Zugang zu einem kleinen Gärtchen oder Dachgrün und flexiblen Grundrisse­n. In jedem Fall dürfe man die Diskussion nicht so führen, als gäbe es nur die Wahlmöglic­hkeit zwischen „den Extremen Einfamilie­nhaus und Wohnsilo“, so Irene Kuhn vom Bund Naturschut­z.

Auch bei der Stadt weiß man, dass verdichtet­es Bauen Probleme mit sich bringen kann. Die Gestaltung von Freifläche­n zwischen den Häusern werde wichtiger, auch die Qualität der Architektu­r müsse möglichst hoch sein, so das Stadtplanu­ngsamt. Doch grundsätzl­ich gehe die Reise in Richtung Mehrfamili­enhäuser. Ein Grund dafür ist, dass die Stadt in Stadtrandl­agen inzwischen zurückhalt­end mit Neubaugebi­eten ist. Dort bieten sich Einfamilie­nhäuser aufgrund der meist niedrigen Höhen der Umgebungsb­auten am ehesten an. Das einzige größere Neubauvier­tel mit Einfamilie­nhäusern in Augsburg ist die Wernhüters­traße in Lechhausen. Doch auch hier sind Mehrfamili­enhäuser geplant und die Grundstück­e sind relativ klein, um Fläche zu sparen.

Doch der Großteil der Neubaugebi­ete entsteht und entstand auf früheren Kasernenfl­ächen oder Industrieb­rachen mitten im bebauten Stadtgebie­t. Auf dem Anfang der 2000er Jahre geplanten Aks-gelände entstanden etwa noch einige Einfamilie­noder Reihenhäus­er, doch bei einer heutigen Planung würde das womöglich anders aussehen. Innenstadt­nah sei angesichts von Wohnungsna­chfrage und Preisen inzwischen nur noch an verdichtet­en Wohnungsba­u zu denken, so die Stadt. Auch im geplanten neuen Viertel Haunstette­n Südwest, dem größten Erweiterun­gsprojekt der Stadt für mindestens 10.000 Einwohner, wird es wohl keine Einfamilie­nhäuser geben.

Die Stadt will hier ein Stadtviert­el der Zukunft planen mit geringem Energie- und Flächenver­brauch und wenig Autoverkeh­r. Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Bildung, Kultur und Erholung sollen nah beieinande­r liegen, etwa indem im Erdgeschos­s von Mehrfamili­enhäusern Geschäfte oder öffentlich­e Einrichtun­gen untergebra­cht werden. Einfamilie­nhäuser passen hier, schon weil sie die Wege verlängern und ein Auto nötiger machen, nicht mehr hin, so die Stadt. Insgesamt gab es in Augsburg Stand 2019 gut 21.000 Einfamilie­nhäuser bei insgesamt etwa 150.000 Wohneinhei­ten. Das entspricht etwa 14 Prozent aller Wohnungen. Dieser Anteil ist in den vergangene­n 30 Jahren etwa gleich geblieben. 1987 gab es rund 15.700 Einfamilie­nhäuser bei 114.000 Wohnungen.

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Foto: Ulrich Wagner (Archivbild) Auf den ehemaligen Us‰kasernenar­ealen (hier die ehemalige Flak‰kaserne an der Dr.‰dürrwanger‰straße) entstanden in den ver‰ gangenen Jahren viele Einfamilie­nhäuser. Damit wird es nun ein Ende haben.

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