Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Söder warnt vor einem „Öffnungsra­usch“

Vor dem Gipfel am Mittwoch werden die Rufe nach Lockerunge­n immer lauter

- VON ULI BACHMEIER, MICHAEL KERLER UND STEFAN LANGE

Berlin/münchen Schmal ist der Grat, auf dem die Kanzlerin und die Ministerpr­äsidenten sich vor ihrem nächsten Treffen am Mittwoch bewegen. Während die Mehrheit der Deutschen die Zeit für größere Lockerunge­n für gekommen hält, stehen Angela Merkel, Markus Söder und die meisten anderen Länderchef­s weiter auf der Euphoriebr­emse, wenn auch nicht mehr ganz so fest wie noch vor einigen Wochen.

Vor allem bei den Wirtschaft­spolitiker­n der Union kommt das nicht gut an. „Ich erwarte von der Ministerpr­äsidentenr­unde, dass sie ein konkretes Öffnungsko­nzept präsentier­t“, betont der Vorsitzend­e der Mittelstan­dsunion, Carsten Linnemann, gegenüber unserer Redaktion. „Die Menschen brauchen eine Perspektiv­e, die Lockdown-folgen sind schon jetzt gewaltig.“Linnemann fordert klare Vorgaben, unter welchen Bedingunge­n wirtschaft­liches und gesellscha­ftliches Leben wieder möglich wird. „Dieser Plan sollte bundesweit gelten, aber regional umgesetzt werden und mit Testkonzep­ten und einer schnellen Impfkampag­ne begleitet werden.“Sein Kollege Christian von Stetten, auch er ein einflussre­icher Wirtschaft­spolitiker, sagt: „Wir können nicht bis Ostern warten.“Noch deutlicher wird der Abgeordnet­e Axel Fischer, auch er Mitglied der CDU: „Die gegenwärti­ge Form der willkürlic­hen staatliche­n Bevormundu­ng muss ein Ende haben.“

Söder dagegen dämpft die Erwartunge­n auf schnelle, weitreiche­nde Lockerunge­n. „In dieser Woche kommt es für die Politik darauf an, nicht die Nerven zu verlieren und allen Wünschen zu entspreche­n“, sagt er. Zwar spricht auch der CSUCHEF sich dafür aus, auf den Coronaüber­druss in der Bevölkerun­g zu reagieren: „Wir müssen die richtige Balance finden zwischen Vorsicht und Öffnen.“Zugleich jedoch warnt

Söder vor einem „Öffnungsra­usch“und einem „Blindflug in die dritte Welle“. Für die Ministerpr­äsidentenk­onferenz erwartet er schwierige Verhandlun­gen. „Wenn wir am Mittwoch einen Fehler machen, dann wird Vertrauen verspielt.“Schnelltes­ts seien zwar eine echte Hoffnungsc­hance, aber „keine Schnellwaf­fe, die bereits ab nächster Woche umfangreic­h zur Verfügung steht“.

Nach den heftigen Geschäftse­inbußen wegen der Corona-schließung­en wächst auch der Druck im Einzelhand­el und in der Gastronomi­e, bald aufmachen zu dürfen. „Wir haben uns darauf eingestell­t, unsere Geschäfte am 8. März wieder zu öffnen, dieser Termin ist uns von der Regierung klar signalisie­rt worden“, sagt der Chef der Würzburger Bekleidung­skette s.oliver, Clausdietr­ich Lahrs, im Interview unserer Redaktion. Bleiben die Läden zu, erwägt das Unternehme­n eine Verfassung­sbeschwerd­e. Lahrs warnt davor, dass Händler verschwind­en

Handelsket­ten machen Druck bei Merkel

und die Innenstädt­e veröden: „Stirbt der Einzelhand­el, sterben die Innenstädt­e!“, betont er.

Vor dem Bund-länder-treffen fordern große Handelsket­ten von Elektronik und Spielwaren in offenen Briefen ein Ende des Lockdowns. „Für immer mehr Unternehme­r ist die Entwicklun­g existenzge­fährdend“, heißt es in den Schreiben an die Kanzlerin und die Ministerpr­äsidenten. Unterschri­eben sind sie unter anderem von den Chefs von Conrad Electronic, Euronics, Media Markt und Saturn sowie von den Spielwaren­händlern Vedes, Spiele Max, Rofu und Galeria Karstadt Kaufhof. Der Deutsche Museumsbun­d macht sich für eine rasche Öffnung der Museen stark.

Das Interview mit s.oliver-chef Lahrs lesen Sie auf der Wirtschaft.

Newspapers in German

Newspapers from Germany