Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Das große Geschäft mit kleinen Gefallen
Als die Pandemie beginnt, werden Masken dringend gebraucht. Die Regierung kauft ein – koste es, was es wolle. Gute Kontakte in die Politik sind für die Hersteller mit Geld kaum aufzuwiegen. Oder etwa doch?
Augsburg Das große Geschäft beginnt mit einem kleinen Gefallen. Frühjahr 2020, die erste Coronawelle rollt über das Land. Mit wachsender Verzweiflung versuchen Kliniken an Schutzmasken zu kommen. In Italien sterben Ärzte, weil sie sich nicht gegen das Virus schützen können. Da meldet sich eine alte Freundin bei der Csu-europaabgeordneten Monika Hohlmeier. Sie erzählt von einer Schweizer Firma, die Masken liefern könne. Schnell und viele. Also schreibt Hohlmeier zwei SMS – eine an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und eine an dessen bayerische Kollegin Melanie Huml. Hohlmeier will laut eigener Aussage lediglich wissen, an wen sich ihre Bekannte wenden soll. Am Ende steht ein hunderte Millionen Euro schwerer Deal, der ein Jahr später Fragen aufwirft.
Hat da eine Politikerin ihre Kontakte ausgenutzt, um einer Bekannten einen Vorteil zu verschaffen? Oder ist es ganz normal, dass Abgeordnete solche Anfragen weiterleiten? Brisant wird die Angelegenheit auch dadurch, dass Hohlmeier die Tochter von Csu-ikone Franz Josef Strauß ist und ihre Bekannte mit den Masken die Tochter von Gerold Tandler, der Strauß in den 80er Jahren als Generalsekretär diente. Ist das große Geschäft mit der Krise also mal wieder Beleg bajuwarischer Amigo-kungeleien? Hohlmeier hält das erwartungsgemäß für eine böswillige Unterstellung. „Ich habe damals ein Dutzend ähnliche Anfragen von Unternehmen bekommen, denen ich die jeweils relevanten Kontaktdaten oder Ansprechpartner weitergegeben habe“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Zwischen Bürgern, Unternehmen und Regierung zu vermitteln, sei ein Teil ihrer Aufgabe als Abgeordnete. Ob auch eine dieser anderen Firmen Staatsaufträge ergattert hat, ist unklar. Sie habe jedenfalls keinerlei Provisionen angeboten bekommen, keine verlangt und auch keine erhalten, fügt Hohlmeier hinzu. Dass sie das so explizit betonen muss, hängt mit einem Parteifreund zusammen.
Gegen Georg Nüßlein, Unionsfraktions-vize im Bundestag, ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft München wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und der Steuerhinterziehung. Der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Neu-ulm soll eine sechsstellige Provision kassiert haben, nachdem er sich für eine Textilfirma starkgemacht hatte, die dem bayerischen Gesundheitsministeri
schließlich Masken im Wert von rund 14 Millionen Euro verkauft hat. Zudem soll er das Geld nicht versteuert haben. Nachdem der Bundestag Nüßleins Immunität aufgehoben hatte, begann eine Razzia in 13 Objekten in Berlin, Bayern, Hessen und in Liechtenstein. Durchsucht wurden Nüßleins Büros, seine Berliner Wohnung und sein Wohnhaus in Münsterhausen. Daneben auch die Csu-geschäftsstelle in Günzburg. Nach Informationen unserer Redaktion kam der entscheidende Hinweis an die deutschen Ermittler von der Finanzaufsicht in Liechtenstein. Für die Vermittlung des Masken-deals soll der Politiker über seine Firma Tectum eine Rechnung in Höhe von 660000 Euro gestellt haben, auf der offenbar keine Umsatzsteuer ausgewiesen war. Es würde dabei um einen Betrag von rund 105 000 Euro gehen.
Das weitaus brisantere Delikt ist jedoch die mögliche Korruption. Nach Recherchen unserer Redaktion spielt ein zweiter Beschuldigter hier eine Schlüsselrolle. Das Masken-geschäft soll über den schillernden Unternehmer Thomas Limberger abgewickelt worden sein. Der Geschäftsmann aus Bad Homburg rühmt sich seiner guten Kontakte in die Politik und unterhält ein internationales Geflecht von Firmen, darunter in Liechtenstein und Offshore-standorten wie dem Karibikstaat St. Vincent. Die Ermittler glauben, dass die Geschäfte mit Nüßlein über Limbergers Firmenkonstrukt abgewickelt wurden.
Der 53-jährige Geschäftsmann hat eine ansehnliche Karriere hinter sich. Nach seinem Studium in Paris und an der Harvard Business School arbeitete er bei Fresenius Medical Care und wurde später unter anderem Chef von General Electric in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Seine Kontakte knüpft er auch im Verein Internationaler Wirtschaftssenat, einer Vereinigung von Unternehmern und Politikern, deren Vorsitzender er ist. Sein enger Draht zu diversen Csu-politikern erklärt sich auch durch seinen Wohnort: Er lebt im Münchner Nobelvorort Grünwald.
Mit diesem Thomas Limberger also soll Nüßlein eine Vereinbarung getroffen haben, nach der sich der Politiker bereit erklärt haben soll, bei der Bundesregierung und der Bayerischen Staatsregierung für eine Auftragsvergabe an einen Maskenlieferanten zu werben. Es handelte sich um die Lieferung von FFP2UM und Ffp3-masken. Insgesamt soll es um drei Aufträge gehen: Demnach fühlte Nüßlein im Bundesgesundheitsministerium, im Bundesinnenministerium und im bayerischen Gesundheitsministerium vor. Der Lieferant der Masken, ein Textilunternehmen im Raum Offenbach, hätte in dieser Konstruktion gar keine Kenntnis davon gehabt, was im Hintergrund gelaufen ist.
Auch die Firma Emix, für die Hohlmeiers Freundin Andrea Tandler Lobbyarbeit macht, kommt zum Zuge. Für hunderte Millionen Euro kaufen Bayern, Nordrheinwestfalen und der Bund bei den Schweizern ein. Und das, obwohl deren Masken mit fast zehn Euro pro Stück sündteuer sind. Ob das etwas mit Hohlmeiers SMS zu tun hat? Sie selbst schmunzelt darüber. „Den Gedanken, dass bei den Namen Strauß oder Hohlmeier noch heute angeblich alle in Hab-achtstellung gehen, halte ich fast für komisch und absurd.“Tatsächlich ist sie nicht die Einzige, die sich für Emix engagiert. Nach Informationen des Spiegel lässt Andrea Tandler auch ihre Kontakte zum CSU-MANN Stephan Mayer, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, spielen. Die Lobbyistin ist demnach mit dessen Schwester bekannt. Beruht das Milliardengeschäft mit den Masken also doch auf bayerischer Spezlwirtschaft? Die Krise löst jedenfalls eine Goldgräberstimmung in der Branche aus. Deutschland ist schlecht auf die Pandemie vorbereitet – auch weil die Ministerien fertige Pläne für den Ernstfall jahrelang in Schubladen verstauben ließen, anstatt Vorkehrungen zu treffen. Um das Versagen zu kaschieren, muss es schnell gehen – koste es, was es wolle.
Da man sich offenbar nicht in der Lage sieht, die Ankäufe selbst zu stemmen, werden zeitweise 50 Anwälte von Ernst & Young beschäftigt. Die Frage nach deren Honorar beantwortet die Regierung nicht. Von einem Schnäppchen ist kaum auszugehen. An anderer Stelle stehen für Beratungsleistungen im Zusammenhang mit Corona 9,3 Millionen Euro zu Buche. Die Panikkäufe beschäftigen inzwischen auch den Rechnungshof, der darüber wacht, ob die Regierung zu leichtfertig mit Steuergeldern umgeht.
Hohlmeier wundert sich dennoch, wenn die gleichen Leute, die heute fordern, Deutschland hätte doch nur mehr Geld für den Impfstoff auf den Tisch legen müssen, sich darüber empören, dass vor einem Jahr zu viel Geld für dringend benötigtes Schutzmaterial bezahlt worden sei. Man könne zudem die Preise von damals, als die Nachfrage das Angebot massiv überstieg, nicht mit den heutigen vergleichen.
Ganz schlecht zu sprechen ist die Csu-politikerin allerdings auf Kollegen, die ihre Position genutzt haben könnten, um aus der allgemeinen Panik persönlichen Profit zu schlagen. „Über Georg Nüßlein kann ich mir kein Urteil erlauben, da ich die Behauptungen nicht beurteilen kann. Aber klar ist: Wenn ein Abgeordneter mitten in einer schweren Krise seinen eigenen finanziellen Vorteil sucht, dann schadet das leider auch dem Ansehen aller Abgeordneten. Das ist hochproblematisch“, sagt Hohlmeier.
Wo also verläuft die Grenze zwischen strafrechtlich relevantem Verhalten und einem moralisch fragwürdigen Gefallen? Fakt ist: Im Frühjahr 2020 schlagen hunderte mehr oder weniger seriöse Angebote in den Ministerien auf. Da wird die einzelne Firma schon mal übersehen, und so schadet es nicht, wenn man sich auf einen einflussreichen Politiker als Türöffner berufen kann. Als Csu-gesundheitsexperte hat Nüßlein einen direkten Draht zu Gesundheitsminister Jens Spahn. Ein Kontakt, den man mit Geld kaum aufwiegen kann. Oder doch?