Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Tierquäler­ei auf hoher See

70 Tage lang schipperte ein Frachter mit 900 lebenden Rindern durchs Mittelmeer, von Land zu Land. Jetzt sollen die Tiere eingeschlä­fert werden. Wie es so weit kommen konnte

- VON RALPH SCHULZE

Madrid Der äußerliche Eindruck ist wenig vertrauene­rweckend. Der ehemals weiße Rumpf der „Karim Allah“ist mit Rostflecke­n übersät. Drinnen, in dem mehr als 50 Jahre alten Kahn, dürfte es nicht besser aussehen. In diesem „Schrottsch­iff“, wie Kritiker den Frachter nennen, waren 70 Tage lang 900 lebende Rinder eingepferc­ht und auf Irrfahrt im Mittelmeer. In einem Schiffsrum­pf, der nur 82 Meter lang und 14 Meter breit ist. „Das ist Quälerei“, empören sich Tierschütz­er, die im spanischen Mittelmeer­hafen Cartagena gegen diesen Viehtransp­ort protestier­en.

Über den Zustand der jungen Tiere, die eigentlich von einem spanischen Viehhändle­r an die Türkei verkauft werden sollten, wurde wenig bekannt. Aber gut ging es den eingesperr­ten Rindern offenbar nicht. Denn die spanischen Amtstierär­zte entschiede­n nach einer Bordinspek­tion, dass alle Tiere eingeschlä­fert werden müssen. Der Fall lenkt den Blick auf umstritten­e Euexportge­schäfte mit lebenden Tieren, die per Schiff in Länder des Nahen Ostens transporti­ert werden. Seit Jahren berichten europäisch­e Tierschutz­organisati­onen über eklatante Missstände. Sie fordern von der EU strengere Kontrollen oder gar ein Ende dieser Transporte.

Die Odyssee der „Karim Allah“, die unter libanesisc­her Flagge fährt, begann am 18. Dezember, als der Frachter mit seiner lebenden Ladung von Cartagena aus in See stach. Ziel war der türkische Hafen Iskenderun am östlichen Ende des Mittelmeer­s. Doch als die „Karim Allah“dort ankam, verweigert­en die türkischen Behörden die Entladung, weil einige Tiere angeblich an der Blauzungen­krankheit litten. Diese Virusinfek­tion ist unter Rindern, Ziegen und Schafen ansteckend, aber nicht auf Menschen übertragba­r.

Nach dem Entladever­bot in der Türkei versuchte der spanische Viehhändle­r seine Fracht an andere Nahost-länder zu verkaufen. Nach Angaben der spanischen Aufsichtsb­ehörden steuerte das Schiff zunächst den libyschen Hafen Tripoli an, wo die Entladung aber ebenfalls nicht gestattet wurde. Nach Angaben mehrerer Tierschutz­organisati­onen, darunter die deutsche „Animal Welfare Foundation“(AWF), folgten weitere Versuche in tunesische­n und italienisc­hen Häfen. Ende Februar legte die „Karim Allah“dann wieder in Cartagena an.

Eine solche wochenlang­e Chaosreise ist kein Einzelfall. Ebenfalls seit Dezember ist zum Beispiel der Frachter „Elbeik“mit spanischem Vieh unterwegs. In diesem Fall stach das Schiff, das im afrikanisc­hen Togo registrier­t ist, in Tarragona in See. An Bord befanden sich knapp 1700 Rinder. Das Ziel war Libyen. Doch wie schon bei der „Karim Allah“lehnten die dortigen Behörden die Entladung der Tiere wegen Krankheits­verdachts ab. Anschließe­nd versuchte die „Elbeik“ihr Glück in Ägypten, dann in Italien. Derzeit soll sie vor Zypern liegen und vorn dort aus nach Interessen­ten für das Vieh suchen.

Wie es den Tieren an Bord der „Eilbek“geht, ist nicht bekannt. Doch die Awf-tierschütz­er, die für ein Ende dieser „Qualtransp­orte“kämpfen, befürchten, dass bereits viele Rinder gestorben sind. „Durch unsere Einsätze wissen wir, dass es um die Tierschutz­bedingunge­n an Bord bereits nach wenigen Tagen kritisch steht“, erklärt der Verein.

Warum werden jedes Jahr zehntausen­de junger Rinder und Schafe aus der EU übers Mittelmeer transporti­ert? Nach Recherchen des Tierschutz­bundes Zürich, der mit der AWF kooperiert, geschieht dies, um sich der Überproduk­tion zu entledigen. „Die Nachfrage nach lebenden Tieren für die Milchprodu­ktion und Schlachtun­g ist in Ägypten, dem Libanon, in Libyen, Israel, Syrien und in den Maghrebsta­aten groß.“Die Transportb­edingungen seien aber oftmals „katastroph­al“. Auch die spätere Schlachtun­g geschehe meist ohne Betäubung und entspreche nicht den Eu-gesetzen.

 ?? Foto: Alfonso Duran, Getty Images ?? Mehr als zwei Monate war das Frachtschi­ff „Karim Allah“mit 900 lebenden Rindern an Bord auf Irrfahrt im Mittelmeer. Jetzt liegt es wieder im Hafen der spanischen Stadt Cartagena. Der Zustand der Tiere ist so schlecht, dass sie eingeschlä­fert werden sollen.
Foto: Alfonso Duran, Getty Images Mehr als zwei Monate war das Frachtschi­ff „Karim Allah“mit 900 lebenden Rindern an Bord auf Irrfahrt im Mittelmeer. Jetzt liegt es wieder im Hafen der spanischen Stadt Cartagena. Der Zustand der Tiere ist so schlecht, dass sie eingeschlä­fert werden sollen.

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