Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der Teufelskerl mit dem großen Herzen
Torhüter Rafal Gikiewicz war einer der Garanten für den 1:0-Auswärtssieg beim FSV Mainz 05. Sein Gegenüber Robin Zentner wurde hingegen zur tragischen Figur. Unterschiedlicher hätte das Auftreten der beiden Schlussmänner nicht sein können
Dass er auch diesen Ball noch entschärfen könnte, daran glaubte Rafal Gikiewicz selbst nicht so recht. Es lief die 87. Minute, als er mit den Fingerkuppen seiner rechten Hand den Aufsetzer von Karim Onisiwo noch berührte. Entgeistert schaute der Torhüter des FC Augsburg dem Ball hinterher, wie der Richtung Tornetz flog, um dann aber doch mit dem leichten Effet, dem ihm Gikiewicz mitgegeben hatte, den rechten Außenpfosten zu touchieren und ins Toraus zu trudeln.
Gikiewicz ballte beide Fäuste, als wollte er sagen, heute kann uns gar nichts passieren, heute bin ich unbezwingbar, das 1:0 halte ich ganz alleine fest. Und so war es dann auch. Als Schiedsrichter Daniel Schlager abpfiff, schrie Gikiewicz seine ganze Anspannung hinaus. Dass er unter keiner Jubeltraube seiner Mitspieler verschwand, lag auch daran, dass er sich gleich ein blaues Kühlkissen in den lädierten Nacken drückte. In der 60. Minute war er nach einem
Zusammenstoß mit eben jenem Onisiwo benommen liegen geblieben, das spürte er schon noch. Doch auch so reichten die Gratulationsbekundungen seiner Mitspieler.
Wieder einmal hatte der 33-jährige Gikiewicz den entscheidenden Unterschied ausgemacht, wie schon so oft in dieser Saison. Das Kontrastprogramm spielte sich auf der anderen Seite der Opel-arena ab. Da stützte Fsv-torhüter Robin Zentner die Stirn am Torpfosten ab, seine Hände umklammerten das Aluminiumrohr, der Blick ging nach unten. Zwar hatte der malträtierte Rasen große Löcher, doch keines war so tief, dass sich der 26-Jährige hätte verstecken können nach seinem tölpelhaften Fehler, der dem FCA den Weg zum so wichtigen Auswärtssieg ebnete.
Es lief die 25. Minute, als Florian Niederlechner einen von ihm selbst vorgetragenen Angriff schon so gut wie abgeschrieben hatte. Pflichtbewusst ging er aber dem verlorenen Ball noch nach, den Zentner am Fuß hatte. Doch als der diesen direkt
Niederlechner vor die Nase spielte, reagierte dieser blitzschnell, passte quer zu Andre Hahn, der zum 1:0 einschob. Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche profitierte der FCA nun von einem schweren Torhüterpatzer.
Gegen Bayer patzte Ersatztorhüter Niklas Lomb, da konnte Leverkusen aber in letzter Sekunde zum 1:1 noch ausgleichen.
Dass diesmal der FCA gewann, lag dann hauptsächlich an Gikiewicz.
Mehr als ein halbes Dutzend Schüsse parierte der 33-jährige Pole, pflückte die Flanken aus dem Luftraum vor ihm wie reife Äpfel von den Bäumen. Und nach einer Stunde riskierte er gegen Onisiwo auch noch seine Gesundheit. Minutenlang musste er behandelt werden.
Mit Schrecken saßen da wohl die meisten FCA-FANS am Fernseher, als sich Ersatztorhüter Tomas Koubek warm machte. Denn dessen Patzer im Vorjahr war der Grund, warum sich Sport-geschäftsführer Stefan Reuter frühzeitig vor dieser Saison die Dienste des ehemaligen Union-torhüters sicherte. Doch Gikiewicz konnte weiterspielen.
Der ablösefreie Transfer erweist sich immer mehr als Glücksgriff. Nicht dass Andreas Luthe, der Koubek verdrängt hatte und dann quasi im Tausch für Gikiewicz zu Union Berlin wechselte, schlechter wäre. Aber Gikiewicz ist ein „Emotional Leader“, der viel mit Gefühlen arbeitet und gerade in diesen schwierigen Wochen Spieltag für Spieltag seine Leistung abliefert.
Gikiewicz hat auf Anhieb das Fca-torwartproblem gelöst, ist der Rückhalt, auf den sich seine Teamkollegen auch in brenzligen Situationen während eines Spieles verlassen und festhalten können.
„Rafael bringt seit Wochen und Monaten eine Topleistung“, lobte dann auch Herrlich. Und auch die Fakten sprechen für Gikiewicz. In der Torhüter-rangliste des Kickers steht er hinter Manuel Neuer (2,72) auf Platz zwei (2,78). Und auf der offiziellen Bundesliga-website ist er bei den gehaltenen Torschüssen hinter Stefan Ortega (95/Bielefeld) Zweiter mit 89 Paraden.
Am Samstag (15.30 Uhr/sky) gastiert Gikiewicz mit dem FCA nun in Berlin bei der Hertha. Mehr Motivation braucht der Ex-unioner sicher nicht. Zentner spielt mit Mainz bereits am Freitag beim Schlusslicht Schalke 04. Vielleicht hilft es ihm ja, dass ihn nicht nur Fca-torwarttrainer Kristian Barbuscak getröstet hat, sondern auch Rafal Gikiewicz. Denn der hat nicht nur große Hände, sondern auch ein großes Herz.