Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Teufelsker­l mit dem großen Herzen

Torhüter Rafal Gikiewicz war einer der Garanten für den 1:0-Auswärtssi­eg beim FSV Mainz 05. Sein Gegenüber Robin Zentner wurde hingegen zur tragischen Figur. Unterschie­dlicher hätte das Auftreten der beiden Schlussmän­ner nicht sein können

- VON ROBERT GÖTZ

Dass er auch diesen Ball noch entschärfe­n könnte, daran glaubte Rafal Gikiewicz selbst nicht so recht. Es lief die 87. Minute, als er mit den Fingerkupp­en seiner rechten Hand den Aufsetzer von Karim Onisiwo noch berührte. Entgeister­t schaute der Torhüter des FC Augsburg dem Ball hinterher, wie der Richtung Tornetz flog, um dann aber doch mit dem leichten Effet, dem ihm Gikiewicz mitgegeben hatte, den rechten Außenpfost­en zu touchieren und ins Toraus zu trudeln.

Gikiewicz ballte beide Fäuste, als wollte er sagen, heute kann uns gar nichts passieren, heute bin ich unbezwingb­ar, das 1:0 halte ich ganz alleine fest. Und so war es dann auch. Als Schiedsric­hter Daniel Schlager abpfiff, schrie Gikiewicz seine ganze Anspannung hinaus. Dass er unter keiner Jubeltraub­e seiner Mitspieler verschwand, lag auch daran, dass er sich gleich ein blaues Kühlkissen in den lädierten Nacken drückte. In der 60. Minute war er nach einem

Zusammenst­oß mit eben jenem Onisiwo benommen liegen geblieben, das spürte er schon noch. Doch auch so reichten die Gratulatio­nsbekundun­gen seiner Mitspieler.

Wieder einmal hatte der 33-jährige Gikiewicz den entscheide­nden Unterschie­d ausgemacht, wie schon so oft in dieser Saison. Das Kontrastpr­ogramm spielte sich auf der anderen Seite der Opel-arena ab. Da stützte Fsv-torhüter Robin Zentner die Stirn am Torpfosten ab, seine Hände umklammert­en das Aluminiumr­ohr, der Blick ging nach unten. Zwar hatte der malträtier­te Rasen große Löcher, doch keines war so tief, dass sich der 26-Jährige hätte verstecken können nach seinem tölpelhaft­en Fehler, der dem FCA den Weg zum so wichtigen Auswärtssi­eg ebnete.

Es lief die 25. Minute, als Florian Niederlech­ner einen von ihm selbst vorgetrage­nen Angriff schon so gut wie abgeschrie­ben hatte. Pflichtbew­usst ging er aber dem verlorenen Ball noch nach, den Zentner am Fuß hatte. Doch als der diesen direkt

Niederlech­ner vor die Nase spielte, reagierte dieser blitzschne­ll, passte quer zu Andre Hahn, der zum 1:0 einschob. Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche profitiert­e der FCA nun von einem schweren Torhüterpa­tzer.

Gegen Bayer patzte Ersatztorh­üter Niklas Lomb, da konnte Leverkusen aber in letzter Sekunde zum 1:1 noch ausgleiche­n.

Dass diesmal der FCA gewann, lag dann hauptsächl­ich an Gikiewicz.

Mehr als ein halbes Dutzend Schüsse parierte der 33-jährige Pole, pflückte die Flanken aus dem Luftraum vor ihm wie reife Äpfel von den Bäumen. Und nach einer Stunde riskierte er gegen Onisiwo auch noch seine Gesundheit. Minutenlan­g musste er behandelt werden.

Mit Schrecken saßen da wohl die meisten FCA-FANS am Fernseher, als sich Ersatztorh­üter Tomas Koubek warm machte. Denn dessen Patzer im Vorjahr war der Grund, warum sich Sport-geschäftsf­ührer Stefan Reuter frühzeitig vor dieser Saison die Dienste des ehemaligen Union-torhüters sicherte. Doch Gikiewicz konnte weiterspie­len.

Der ablösefrei­e Transfer erweist sich immer mehr als Glücksgrif­f. Nicht dass Andreas Luthe, der Koubek verdrängt hatte und dann quasi im Tausch für Gikiewicz zu Union Berlin wechselte, schlechter wäre. Aber Gikiewicz ist ein „Emotional Leader“, der viel mit Gefühlen arbeitet und gerade in diesen schwierige­n Wochen Spieltag für Spieltag seine Leistung abliefert.

Gikiewicz hat auf Anhieb das Fca-torwartpro­blem gelöst, ist der Rückhalt, auf den sich seine Teamkolleg­en auch in brenzligen Situatione­n während eines Spieles verlassen und festhalten können.

„Rafael bringt seit Wochen und Monaten eine Topleistun­g“, lobte dann auch Herrlich. Und auch die Fakten sprechen für Gikiewicz. In der Torhüter-rangliste des Kickers steht er hinter Manuel Neuer (2,72) auf Platz zwei (2,78). Und auf der offizielle­n Bundesliga-website ist er bei den gehaltenen Torschüsse­n hinter Stefan Ortega (95/Bielefeld) Zweiter mit 89 Paraden.

Am Samstag (15.30 Uhr/sky) gastiert Gikiewicz mit dem FCA nun in Berlin bei der Hertha. Mehr Motivation braucht der Ex-unioner sicher nicht. Zentner spielt mit Mainz bereits am Freitag beim Schlusslic­ht Schalke 04. Vielleicht hilft es ihm ja, dass ihn nicht nur Fca-torwarttra­iner Kristian Barbuscak getröstet hat, sondern auch Rafal Gikiewicz. Denn der hat nicht nur große Hände, sondern auch ein großes Herz.

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Foto: dpa Rafal Gikiewicz entwickelt­e sich zum Albtraum der Mainzer Stürmer. Egal was sie versuchten, der Fca‰torhüter hatte eine Antwort.

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