Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Denguefieber: die heimliche Pandemie
Wegen der weltweiten Corona-maßnahmen breiten sich andere Infektionskrankheiten aus. Denn Präventionsprogramme wurden wegen der Lockdowns ausgesetzt. Diese Krankheiten sind auf dem Vormarsch
Alle reden über das Coronavirus… Aber während Covid-19 schlagzeilenträchtig die Welt in Atem hält, sind in seinem Schatten einige andere Krankheiten auf dem Vormarsch: Masern etwa. Malaria breitet sich in Ostafrika nun auch in den Städten aus. Eine neue Entwicklung. Das Fatale daran: Manche Krankheiten verbreiten sich gerade wegen Corona wieder vermehrt, da Präventionsprogramme ausgesetzt werden mussten. Das Dengue-fieber etwa. „Eine heimliche Pandemie“, so Prof. Tomas Jelinek, Wissenschaftlicher Leiter des Centrums für Reisemedizin (CRM). Da diese durch Mücken übertragene Krankheit in Industrieländern bislang kaum eine Rolle spiele, gehe diese Gefahr hierzulande unter. Dies könnte sich ändern, wenn der Tourismus wieder Fahrt aufnimmt. So ist die aktuelle „Weltseuchenlage“.
● Denguefieber Das durch die Tigermücke übertragbare Denguefieber gehört weiterhin zu den häufigsten Infektionskrankheiten weltweit. Experten schätzen, dass jedes Jahr zwischen 284 und 528 Millionen Menschen am Dengue-virus erkranken. Mittlerweile hat sich die Infektionskrankheit in den Tropen und Subtropen flächendeckend ausgebreitet, zuletzt habe es in Lateinamerika und auf den Philippinen große Ausbrüche gegeben. Diese seit Jahrzehnten zunehmende Pandemie wird im Westen nur am Rande wahrgenommen, obwohl sie in den Sommermonaten auch immer wieder in Südeuropa auftritt, etwa in Italien, Kroatien und Südspanien. Die Krankheit hat nicht von ungefähr den Zweitnamen Knochenbrecherfieber. Der Verlauf kann sehr schmerzhaft sein. Dass das Denguefieber sich weiterhin so stark ausbreitet, hat indirekt auch mit dem Coronavirus zu tun. Nachdem Mückenkontrollprogramme im letzten Jahr den in vielen Ländern verordneten Lockdowns zum Opfer fielen, haben mückenübertragene Krankheiten allgemein wieder deutlich zugenommen, so Reisemediziner Jelinek. Der erste Impfstoff gegen Dengue ist seit wenigen Jahren in einigen Ländern verfügbar. „Die Ergebnisse sind jedoch enttäuschend“, so Jelinek. Der Impfschutz reiche bei weitem nicht aus, um groß angelegte Impfkampagnen zu rechtfertigen, erklärt der Mediziner. Nun richte sich alle Hoffnung auf einen weiteren Dengue-impfstoff, der sich in der letzten Phase der klinischen Prüfungen befinde und noch im März zugelassen werden könnte. Reisende könnten sich vor Denguefieber am besten mit den klassischen Mückenmitteln schützen. Die Tigermücken sind tagsüber aktiv.
● Masern Aus zahlreichen Ländern der Welt werden weiterhin Masernausbrüche gemeldet. Diese sehr leicht übertragbare Infektionskrankheit ist laut Jelinek keineswegs harmlos: Etwa jeder tausendste Erkrankte stirbt. Aktuelle Ausbrüche in zahlreichen Ländern Südamerikas und Afrikas seien vor allem dem Einstellen von Impfkampagnen geschuldet, das durch die coronabedingten Lockdowns verursacht wurde.
● Zikavirus Vor sechs Jahren, im Vorfeld der Fußball-wm in Brasilien, sorgte das Zika-virus weltweit für Schlagzeilen. Vor allem für Schwangere besteht die Gefahr, dass die Infektion auf das Kind übergeht und dieses schwer schädigen kann. So wurden in den betroffenen Gebieten vermehrt Kinder mit kleineren Köpfen geboren (Mikrozephalus). Auch wenn die Fallzahlen durch Zika-virus insgesamt gesunken sind, breitet sich der Erreger kontinuierlich weiter aus. Mittlerweile sind nicht nur fast ganz Lateinamerika, die Karibik und die Südstaaten der USA betroffen. Auch in ganz Südostasien, Singapur und Indien ist das Virus verbreitet. Hier sind ebenfalls wichtige Reiseziele betroffen, betont der Reisemediziner.
● Malaria Jahrelang ist die Zahl der Malariafälle weltweit zurückgegangen. 2016 sei allerdings eine Kehrtwende eingetreten. Seitdem steigen die Malariafälle in vielen Ländern wieder an, so Jelinek. Seit 2020 hat die WHO mehrfach Warnungen zur deutlichen Zunahme der Malaria in Endemiegebieten ausgesprochen. In Ostafrika kommt hinzu, dass mit der „Anopheles stephensi“eine neue Überträgermücke aus Südasien eingewandert ist, die auch in Städten klarkommt. Eigentlich benötigen Malariamücken sauberes Wasser als Lebensgrundlage. Die „Anopheles stephensi“habe sich in Indien an Dreckwasser angepasst und ist „ziemlich resilient“. Malaria-ausbrüche habe es inzwischen schon in Addis Abeba in Äthiopien, auf der Arabischen Halbinsel und in Dschibuti in Somalia gegeben. Das ist eine neue Dimension.
● Ebola Der Ebola-ausbruch im Osten Kongos, der zweitgrößte der Geschichte, ist beendet. Trotz der instabilen Situation in der Bürgerkriegsregion führten Impfungen in der Bevölkerung schließlich zum Unterbrechen der Infektionskette. Aber das Virus ist nicht verschwunden. Aktuell wird ein Ausbruch in Guinea, Westafrika, befürchtet.
● Chikungunyafieber Die ebenfalls durch Mücken übertragbare Krankheit hat sich seit 2006 mit einem „Affenzahn“ausgebreitet, so Jelinek. Inzwischen haben die Fallzahlen aber wieder abgenommen. Der letzte Ausbruch in Europa war 2017 im Latium rund um Rom. Wer einmal Chikungunya hatte, ist dagegen immun.