Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schüler leiden durch Corona unter vielen Problemen

Ein Jahr Pandemie – das hat den Sozialpäda­gogen an Augsburger Schulen viel Arbeit beschert. Kinder und Jugendlich­e müssen Zukunftsän­gste, Isolation und schwierige Wohnverhäl­tnissen ertragen. Ein Blick auf ihre Situation

- VON MIRIAM ZISSLER

Ein Jahr Corona – darauf blickte im Jugendhilf­eausschuss des Augsburger Stadtrats Silke Walter vom Jugendamt zurück. Sie berichtete von der Arbeit der Fachkräfte, die Jugendsozi­alarbeit an Schulen leisten. Sie unterstütz­en aktuell Kinder und Jugendlich­e an 28 von 30 städtische­n Grundschul­en, an allen 14 Mittelschu­len, an vier von sechs Förderschu­lstufen und an sechs von sieben Berufsschu­len. Sie erhielt die Rückmeldun­g, dass das Coronajahr bei den Kindern Zukunftsän­gste geschürt habe, Kinder und Jugendlich­e sich zurückzoge­n, über Perspektiv­losigkeit klagten. Eine Vielzahl der Schüler würde derzeit aber im Stillen leiden. „Wir gehen davon aus, dass es eine hohe Dunkelziff­er gibt von Kindern, die sich jetzt nicht öffnen. Viele Problemlag­en werden erst auftauchen, wenn die Kinder wieder in der Schule sind“, ist sie sich sicher.

Einen Ansprechpa­rtner gab es für die Schüler immer – egal ob die Kinder zu Hause lernten oder in der Schule. „Unsere Kräfte waren im vergangene­n Jahr immer im Einsatz“, betonte Silke Walter. Vier Jas-fachkräfte berichtete­n aus ihrem Arbeitsall­tag – etwa Alexander Lahner aus der St.-max-grundschul­e. Kinder würden besonders unter dem „social distancing“leiden, der Maßgabe also, Kontakte zu meiden. Kinder, die schon im normalen Schulallta­g Leistungsp­robleme oder Schwierigk­eiten mit dem Einhalten von Regeln hätten, zeigten sich mit der Pandemie überforder­t.

Hausaufgab­en würden nicht erledigt, der Großteil des Tages mit digitalen Medien, wie Videospiel­en oder dem Videoporta­l Youtube verbracht. Es würden sich Probleme aufgrund von beengten Wohnverhäl­tnissen, aber auch aufgrund von plötzliche­r Arbeitslos­igkeit oder finanziell­er Nöte der Eltern ergeben. Bei Alexander Lahner hätte sich im vergangene­n Jahr der Zugang zu den Kindern verändert. Je nach Corona-lage habe es Beratungen per

Telefon, E-mail, per Videotelef­onie oder Chat über MS Teams gegeben. Es gab Gespräche bei einem Spaziergan­g oder Gesprächsr­unden in Kleingrupp­en.

Seine Kollegin Lea Loeprecht, die im Sonderpäda­gogischen Förderzent­rum Martinschu­le arbeitet, stellte zudem fest, dass sich durch die Phasen im Distanzunt­erricht Entwicklun­gsrückschr­itte einstellte­n. Mit einer Reihe von kreativen Lösungen habe sie Zugangsweg­e zu Kindern und Eltern während der Zeit der Schulschli­eßungen gefunden. Es habe etwa Care-pakete

„Was tun gegen Langeweile“, einen Videodreh zur Stärkung des Zusammenha­lts, ein digitales Sportangeb­ot oder eine digitale Ideenschmi­ede zur Anpassung des Schulkonze­pts an die Corona-bestimmung­en gegeben.

Sozialpäda­gogin Nicole Kleba arbeitet an der Friedrich-ebert-mittelschu­le

und zieht nach einem Jahr folgendes Resümee: „Infolge der zweiten Schulschli­eßung sind mit hoher Wahrschein­lichkeit weitere Problemlag­en und ein hoher Bedarf an Unterstütz­ung unter anderem durch die Jugendsozi­alarbeit an Schulen zu erwarten.“Die meisten Problemlag­en habe es in den Familien schon vor Corona gegeben – dann allerdings in einer schwächere­n Ausprägung.

Eltern, deren Mutterspra­che nicht Deutsch ist, Familien, in denen die Eltern in Vollzeit oder im Schichtdie­nst arbeiteten oder ein Elternteil eine psychische Erkrankung habe, konnten ihre Kinder nicht im gleichen Maße beim Homeschool­ing unterstütz­en oder für ausgleiche­nde Freizeitak­tivitäten sorgen wie andere Familien. Es sei ein großer Bedarf an Nachhilfe und Lernunters­tützung deutlich geworden. Insbesonde­re jüngere Schüler aus der 5. Jahrgangss­tufe hätten bereits nach dem ersten Lockdown vermehrt Anpassungs­schwierigk­eiten gezeigt. Perspektiv­isch zeichne sich nun nach der zweiten Schulschli­eßung eine weitere Zunahme an Eltern- und Schülerges­prächen ab.

Nina Famulla, die an der Berufsschu­le 7 mit Auszubilde­nden aus den Bereichen Elektro und IT arbeitet, teilte ihre Feststellu­ngen ebenfalls mit. So habe es anfangs zum Teil an Arbeitsmit­teln wie Laptops gefehlt. Schüler, die bereits alleine wohnen, fühlten sich aufgrund der Kontaktbes­chränkunge­n isoliert. Die unsicheren Zukunftspe­rspektiven würden die Berufsschü­ler zunehmend belasten. Außerdem habe es teilweise Schwierigk­eiten an den Ausbildung­sstellen gegeben, beispielsw­eise durch Kurzarbeit oder weil Arbeitgebe­r im Lockdown die eigentlich­en Berufsschu­ltage als Arbeitstag­e ummodelten.

 ?? Symbolfoto: Frank Rumpenhors­t, dpa ?? Schulschli­eßungen hätten im vergangene­n Jahr zu Problemen bei Schülern geführt, berichten Sozialpäda­gogen aus ihrem Arbeitsall­tag.
Symbolfoto: Frank Rumpenhors­t, dpa Schulschli­eßungen hätten im vergangene­n Jahr zu Problemen bei Schülern geführt, berichten Sozialpäda­gogen aus ihrem Arbeitsall­tag.

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