Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Schüler leiden durch Corona unter vielen Problemen
Ein Jahr Pandemie – das hat den Sozialpädagogen an Augsburger Schulen viel Arbeit beschert. Kinder und Jugendliche müssen Zukunftsängste, Isolation und schwierige Wohnverhältnissen ertragen. Ein Blick auf ihre Situation
Ein Jahr Corona – darauf blickte im Jugendhilfeausschuss des Augsburger Stadtrats Silke Walter vom Jugendamt zurück. Sie berichtete von der Arbeit der Fachkräfte, die Jugendsozialarbeit an Schulen leisten. Sie unterstützen aktuell Kinder und Jugendliche an 28 von 30 städtischen Grundschulen, an allen 14 Mittelschulen, an vier von sechs Förderschulstufen und an sechs von sieben Berufsschulen. Sie erhielt die Rückmeldung, dass das Coronajahr bei den Kindern Zukunftsängste geschürt habe, Kinder und Jugendliche sich zurückzogen, über Perspektivlosigkeit klagten. Eine Vielzahl der Schüler würde derzeit aber im Stillen leiden. „Wir gehen davon aus, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt von Kindern, die sich jetzt nicht öffnen. Viele Problemlagen werden erst auftauchen, wenn die Kinder wieder in der Schule sind“, ist sie sich sicher.
Einen Ansprechpartner gab es für die Schüler immer – egal ob die Kinder zu Hause lernten oder in der Schule. „Unsere Kräfte waren im vergangenen Jahr immer im Einsatz“, betonte Silke Walter. Vier Jas-fachkräfte berichteten aus ihrem Arbeitsalltag – etwa Alexander Lahner aus der St.-max-grundschule. Kinder würden besonders unter dem „social distancing“leiden, der Maßgabe also, Kontakte zu meiden. Kinder, die schon im normalen Schulalltag Leistungsprobleme oder Schwierigkeiten mit dem Einhalten von Regeln hätten, zeigten sich mit der Pandemie überfordert.
Hausaufgaben würden nicht erledigt, der Großteil des Tages mit digitalen Medien, wie Videospielen oder dem Videoportal Youtube verbracht. Es würden sich Probleme aufgrund von beengten Wohnverhältnissen, aber auch aufgrund von plötzlicher Arbeitslosigkeit oder finanzieller Nöte der Eltern ergeben. Bei Alexander Lahner hätte sich im vergangenen Jahr der Zugang zu den Kindern verändert. Je nach Corona-lage habe es Beratungen per
Telefon, E-mail, per Videotelefonie oder Chat über MS Teams gegeben. Es gab Gespräche bei einem Spaziergang oder Gesprächsrunden in Kleingruppen.
Seine Kollegin Lea Loeprecht, die im Sonderpädagogischen Förderzentrum Martinschule arbeitet, stellte zudem fest, dass sich durch die Phasen im Distanzunterricht Entwicklungsrückschritte einstellten. Mit einer Reihe von kreativen Lösungen habe sie Zugangswege zu Kindern und Eltern während der Zeit der Schulschließungen gefunden. Es habe etwa Care-pakete
„Was tun gegen Langeweile“, einen Videodreh zur Stärkung des Zusammenhalts, ein digitales Sportangebot oder eine digitale Ideenschmiede zur Anpassung des Schulkonzepts an die Corona-bestimmungen gegeben.
Sozialpädagogin Nicole Kleba arbeitet an der Friedrich-ebert-mittelschule
und zieht nach einem Jahr folgendes Resümee: „Infolge der zweiten Schulschließung sind mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Problemlagen und ein hoher Bedarf an Unterstützung unter anderem durch die Jugendsozialarbeit an Schulen zu erwarten.“Die meisten Problemlagen habe es in den Familien schon vor Corona gegeben – dann allerdings in einer schwächeren Ausprägung.
Eltern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, Familien, in denen die Eltern in Vollzeit oder im Schichtdienst arbeiteten oder ein Elternteil eine psychische Erkrankung habe, konnten ihre Kinder nicht im gleichen Maße beim Homeschooling unterstützen oder für ausgleichende Freizeitaktivitäten sorgen wie andere Familien. Es sei ein großer Bedarf an Nachhilfe und Lernunterstützung deutlich geworden. Insbesondere jüngere Schüler aus der 5. Jahrgangsstufe hätten bereits nach dem ersten Lockdown vermehrt Anpassungsschwierigkeiten gezeigt. Perspektivisch zeichne sich nun nach der zweiten Schulschließung eine weitere Zunahme an Eltern- und Schülergesprächen ab.
Nina Famulla, die an der Berufsschule 7 mit Auszubildenden aus den Bereichen Elektro und IT arbeitet, teilte ihre Feststellungen ebenfalls mit. So habe es anfangs zum Teil an Arbeitsmitteln wie Laptops gefehlt. Schüler, die bereits alleine wohnen, fühlten sich aufgrund der Kontaktbeschränkungen isoliert. Die unsicheren Zukunftsperspektiven würden die Berufsschüler zunehmend belasten. Außerdem habe es teilweise Schwierigkeiten an den Ausbildungsstellen gegeben, beispielsweise durch Kurzarbeit oder weil Arbeitgeber im Lockdown die eigentlichen Berufsschultage als Arbeitstage ummodelten.