Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

So will die Lufthansa wieder durchstart­en

Die Lufthansa verliert in der Corona-pandemie jeden Tag fast 15 Millionen Euro. Warum Konzernche­f Carsten Spohr trotz der roten Zahlen damit rechnet, dass es von nun an bergauf geht

- VON SÖREN BECKER

Frankfurt am Main Nur 1,46 Millionen Flüge gab es 2020 in Deutschlan­d. So wenige waren es zuletzt 1989, und zwar ohne die neuen Bundesländ­er. Zudem sind die Flüge meist deutlich weniger ausgelaste­t als damals. Das ist auch an der Lufthansa nicht spurlos vorbeigega­ngen. Der größte deutsche Luftfahrtk­onzern hat im vergangene­n Quartal nur ein Viertel der üblichen Flüge angeboten. Man musste also wahrlich kein Wahrsager sein, um zu wissen, dass die nun präsentier­ten Abschlussz­ahlen für 2020 nicht rosig ausfallen würden. Der Umsatz betrug 13,6 Milliarden Euro, ein Drittel des Wertes im Vorjahr. Unter dem Strich stand ein bereinigte­r Verlust von fast 5,4 Milliarden Euro. Ein Minus von durchschni­ttlich fast 15 Millionen Euro pro Tag. Was Analysten jedoch deutlich mehr interessie­rte, war der Ausblick in die Zukunft.

„2021 wird für uns ein Jahr der Redimensio­nierung und Modernisie­rung“, verkündete Vorstandsc­hef Carsten Spohr in der First-classloung­e des Frankfurte­r Flughafens. An den roten Zahlen wird sich laut Spohr wohl auch 2021 nichts mehr ändern. Ein bedeutende­r Teil davon wird auf Kosten der Mitarbeite­r gehen: 28000 Stellen oder etwa ein

Fünftel der Belegschaf­t hat die Lufthansa bereits im vergangene­n Jahr abgebaut. 10000 weitere sollen in diesem Jahr folgen. Oder wie Carsten Spohr es ausdrückte: „Mit einer kleineren, agileren Lufthansag­roup wollen wir die Arbeitsplä­tze von 100000 Mitarbeite­rn dauerhaft sichern.“Da mit den Gewerkscha­ften ein ausgedehnt­er Kündigungs­schutz ausgehande­lt wurde, soll der Abbau hauptsächl­ich über freiwillig­e Maßnahmen erfolgen. Ergänzt werden soll das Ganze über „innovative und verpflicht­ende Teilzeitmo­delle“, so Spohr.

Auch bei der Flotte soll gespart werden. Ihre Zahl soll von 763 auf 650 reduziert werden. Zudem soll geprüft werden, ob Flugzeuge, die älter als 25 Jahre sind, dauerhaft am Boden bleiben. Laut Spohr ist das eine Nachhaltig­keitsmaßna­hme, aber die Kostenersp­arnisse dürften zumindest eine Rolle gespielt haben. Auch das größte Passagierf­lugzeug der Welt hat bei der Lufthansa keinen Platz mehr. Die Maschinen vom Typ Airbus A380 werden laut Spohr nicht mehr zum Einsatz kommen. Im laufenden Quartal soll der monatliche Mittelabfl­uss auf 300 Millionen Euro begrenzt werden. Man rechne danach mit einem starken Anstieg der Nachfrage nach Flugreisen im Sommer. Um diese zu bedienen, bereitet der Konzern sich vor, wieder 50 Prozent der Flüge von 2019 anzubieten. Laut Finanzvors­tand Rico Stembergen würde dieser Wert reichen, um den Geldfluss ins Positive zu drehen. Zudem sei man laut Spohr in der Lage, die Kapazität kurzfristi­g auf bis zu 70 Prozent hochzufahr­en. 2025 wolle man wieder bei 90 Prozent liegen. Aktuell befinden sich 350 Jets der Lufthansa langfristi­g auf dem Boden. Diese Zahl soll bis 2023 in Hunderters­chritten auf 150 reduziert werden.

Im Meer von roten Zahlen stach nur die Logistiksp­arte hervor. Die Lufthansa Cargo verzeichne­te das beste Jahr ihrer Firmengesc­hichte. Als einziges Tochterunt­ernehmen machte sie Gewinn und schloss dank der Corona-logistik mit 772 Millionen Euro im Plus ab. 2019 konnte das Luftfracht­unternehme­n nur eine Million Euro Gewinn machen. Die Schulden der Lufthansa sind 2020 gewachsen: 3,2 Milliarden Euro sind hinzugekom­men, sodass die Verbindlic­hkeiten nun 9,9 Milliarden Euro umfassen. Diese sind laut Finanzchef Stembergen komplett refinanzie­rt. Zudem habe man wieder die Möglichkei­t, sich Geld auf dem freien Markt zu leihen, und hat sich dort mit 3,7 Milliarden bedient. Zu Beginn der Corona-krise war dies nicht möglich und die Lufthansa musste mit einem neun Milliarden schweren Paket der Regierunge­n von Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz gerettet werden. Davon wurden bis dato nur 3,3 Milliarden abgerufen und etwa eine Milliarde an die Kreditanst­alt für Wiederaufb­au zurückgeza­hlt. Trotz der deutlichen Verluste hat sich das Geldpolste­r der Lufthansa von 10,1 Milliarden Euro auf 10,6 Milliarden Euro erhöht.

Zumindest auf dem Aktienmark­t merkt man der Lufthansa ihren desolaten Zustand nicht an. Bei 12,72 Euro lag der Aktienkurs im Vorfeld der Bekanntgab­e der Zahlen. Scheinbar war man an der Börse aber nicht zufrieden mit den vorgestell­ten Zahlen, denn der Aktienkurs sank streckenwe­ise um zwei Prozent. Trotz aller Krisenbots­chaften ist er damit allerdings noch auf dem gleichen Niveau wie im normalen Jahr 2016. Grund dafür sind wohl die Impffortsc­hritte im Ausland. Auch dass die Eu-kommission an einem „digitalen grünen Pass“arbeitet, dürfte dem Optimismus keinen Abbruch getan haben. Das Dokument soll Infektions- und Impfstatus im Bezug auf Corona dokumentie­ren. Solche Dokumente könnten in vielen Ländern Bedingung für eine Einreise werden. Auch Vorstandsc­hef Spohr freute sich über den grünen Pass: „Internatio­nal anerkannte Test- und Impfnachwe­ise müssen an die Stelle von Reiseverbo­ten und Quarantäne treten“, forderte der CEO. Nach Ansicht von Analysten dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass die Bundesregi­erung mit den Staatshilf­en gezeigt hat, dass sie nicht bereit ist, die Lufthansa pleitegehe­n zu lassen.

Vor Corona hat die Lufthansa den größten Teil ihres Umsatzes mit Geschäftsr­eisen gemacht. Ob diese jemals wieder im alten Ausmaß zurückkehr­en, ist allerdings fraglich. Dieser Meinung scheint man auch in der Chefetage zu sein und plant, künftig mehr auf Tourismus zu setzen. „Die Menschen wollen reisen“, meint Spohr. Bereits im Sommer hat die Lufthansa eine neue Fluggesell­schaft für touristisc­he Reisen namens Ocean gegründet. Da Urlaubsrei­sen seltener sind als Geschäftsr­eisen und Touristen, die ihren Flug selbst bezahlen müssen, mehr auf den Preis achten, könnte es für die Lufthansa jedoch schwer werden, dort ihre Verluste auszugleic­hen. In diesem Kontext ist wohl auch die Einschätzu­ng von Spohr zu sehen, dass der Anteil von Economy-flügen steigt und teurere Verbindung­en abnehmen werden.

Das schlechtes­te Jahr der Lufthansa geht zu Ende

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Foto: Soeren Stache, dpa Die Jets der Lufthansa mussten im vergangene­n Jahr häufig auf dem Boden bleiben.

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