Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Jazz kommt zurück

Nach einer nervenaufr­eibenden Krisenzeit schöpft der Jazzclub Augsburg wieder Hoffnung. Eine digitale Konzertrei­he soll vor allem Augsburger Musikern eine Bühne bieten

- VON ANNA KATHARINA SCHMID

Rote und blaue Lichter streifen über die Musiker, die Kamera schwenkt auf einen Saxofonist­en. Sanfter Jazz perlt durch den Lautsprech­er. Sascha Felber und Hubertus Sichler vom Jazzclub Augsburg sind von der Aufnahme begeistert. „Es gibt eine Dramaturgi­e, das ist wie bei einem Musikfilm“, sagt Felber.

Der Verein hat wie viele andere Clubs in den vergangene­n Monaten eine Krisenzeit erlebt. Felber, der den Verein leitet, hat aus der Zeit einiges mitgenomme­n: „Clubs müssen jetzt komplett umdenken.“Am Samstag startet der Jazzclub eine Reihe mit 17 digitalen Konzerten. Sie unterschei­den sich von reinen Liveübertr­agungen: Die Konzerte werden im Voraus aufgezeich­net und geschnitte­n. „Wir haben vier Kameras, die verschiede­ne Winkel einfangen“, erklärt Felber. Ein Tontechnik­er kümmere sich um eine gute Tonqualitä­t. Die Ausstattun­g dafür konnten sie mit einer staatliche­n Soforthilf­e bezahlen.

Die Tische haben Staub angesetzt im Jazzclub, in dem sonst bis zu 90 Konzerte im Jahr stattfande­n, die Bühne ist leer. Der Kontrast zu der Video-aufzeichnu­ng könnte nicht größer sein. Hubertus Sichler, der um die Pressearbe­it des Vereins kümmert, sagt: „Das ist ein gutes Format mit gutem Sound. Wir haben wieder Hoffnung.“

Es waren nicht die Lockdowns, die den Jazzclub am härtesten trafen, sondern überrasche­nderweise die Wochen, in denen eingeschrä­nkt Konzerte stattfinde­n konnten. Den Tiefpunkt hatte der Jazzclub im Herbst vergangene­n Jahres. Die Rücklagen waren aufgebrauc­ht, die Fixkosten liefen weiter. „Aber die finanziell­e Situation stand gar nicht im Vordergrun­d“, sagt Felber. Es konnten einige Konzerte stattfinde­n – aber beide erinnern sich nicht gern daran. „Die Unsicherhe­it bei den Besuchern war groß“, sagt Felber.

Das Hygienekon­zept änderte daran nichts: Anstatt 110 Besuchern durften nur noch 50 hinein. Sie reduzierte­n die Zahl noch einmal freiwillig auf 20, doch auch das half nicht. „Zusammen mit der intensiven Jazzmusik sind viele nervös gesich worden. Sie haben sich entschuldi­gt und sind gegangen.“Unter den Besuchern des Jazzclubs seien vor allem ältere Leute, die sich um ihre Gesundheit fürchteten. Sichler resümiert: „Wir haben gewusst: Das bringt nichts. Wir müssen uns etwas Neues überlegen.“

Mit ihrer Idee für eine digitale Konzertrei­he rannte man bei den Musikern offene Türen ein. „Sie sind regelrecht ausgetrock­net“, sagt Sichler. Im Programm hätten sie versucht, vor allem den Augsburger Bands eine Bühne zu bieten. Felber klingt bitter, als er über die Situation der Musiker spricht: „Sie haben kein Netz, das sie auffängt, keine Absicherun­g. Viele tauchen unter, wandern in andere Berufe ab oder müssen Hartz IV beantragen.“Was das für die Zukunft der Musik bedeute, sei noch völlig offen, sagt Sichler: „Vielleicht gewöhnen sich auch die eigentlich­en Besucher an die Situation und kommen nicht zurück. Wir müssen viel Erinnerung­sarbeit leisten.“

Die Einnahmen aus den Konzerten kommen den Musikern zugute. Neben Augsburger­n stehen auch nationale und sogar internatio­nale Künstler auf dem Programm: Eine israelisch­e Band soll auftreten, die Mitglieder sind bereits geimpft.

Sichler und Felber sind optimistis­ch, dass das Format angenommen wird. Die 300 Mitglieder des Vereins zeigten eine große Bereitscha­ft, für die Konzerte zu zahlen. Den Auftakt bildet am Samstag die Augsburger Band „Driften“um Tilman Herpichböh­m mit zwei Drummern, zwei Bläsern und einem Bassisten.

Auftritte seien nicht zu ersetzen – „aber wir wollen das Glücksgefü­hl rüberbring­en, das sie auslösen“, sagt Felber. Gerade der Jazz lebe durch Livemusik. „Jeder Musiker hat seinen Spielraum und kann frei improvisie­ren, das klingt jedes Mal anders.“Eine jüngere Generation an Musikern verbinde Jazz zunehmend mit anderen Genres wie Pop, Punk oder Rock. Felber und Sichler schwelgen in Erinnerung­en: „Wir hatten Konzerte, die so laut waren, dass die Hemden flatterten – und die Musik bis auf die Straße zu hören war.“Ob das einmal wieder so sein wird? Nicht nur die Musiker hoffen. ⓘ

Digitale Konzertrei­he: Ein Ticket des Jazzclubs kostet 12 Euro und kann auf der Homepage des Vereins gekauft werden: www.jazzclub‰augsburg.de. Am 6. März tritt die Band Driften auf, am 13. März Zakedy Music. Die Konzerte beginnen jeweils um 20 Uhr und dauern etwa eine Stunde.

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Foto: Hubertus Sichler Die Augsburger Band „Driften“um Tilman Herpichböh­m bei der Aufnahme des ersten digitalen Konzerts.

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