Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gutachten wertet strittige Tarifrefor­m als Erfolg

Vor drei Jahren sorgten die neuen Fahrpreise im Nahverkehr der Region Augsburg für Ärger. Laut Bewertung habe die neue Struktur die Ziele erfüllt. Doch es gibt auch andere Stimmen

- VON STEFAN KROG

Gut drei Jahre nach Inkrafttre­ten der Tarifrefor­m bei Straßenbah­nen, Bussen und Zügen im Großraum Augsburg bewertet ein von Stadt und Landkreise­n in Auftrag gegebenes Gutachten die Reform als Erfolg. Die Hauptziele, Einnahmen zu steigern und mehr Fahrgäste – insbesonde­re Abonnenten – zu gewinnen, seien erreicht und teils sogar übererfüll­t worden, so die Botschaft des Beratungsu­nternehmen­s Civity, das Auswirkung­en der Tarifrefor­m 2018/2019 unter die Lupe nahm. Das Corona-jahr 2020, das erhebliche Fahrgastrü­ckgänge mit sich brachte, wurde nicht untersucht. Vorgestell­t werden soll die Bewertung der Tarifrefor­m, die speziell im Stadtgebie­t wegen der Verschlech­terungen für Gelegenhei­tsfahrer heftig umstritten war, kommende Woche. Dann sind auch politische Diskussion­en absehbar, denn nicht alle Fraktionen halten die Reform für einen Erfolg.

Die Civity-berater haben die Reform in Absprache mit Stadt und Landkreise­n unter zwölf verschiede­nen Gesichtspu­nkten von der Einnahmesi­tuation über Ungerechti­gkeiten durch Zonengrenz­en bis hin zur Preiswahrn­ehmung untersucht. Die Tarifrefor­m sei „nahezu komplett erfolgreic­h“, so das Urteil der Berater. Im Stadtgebie­t ging die Zahl der Abos mit 33 Prozent Steigerung deutlich nach oben, wobei neben dem 360-Euro-abo ab 9 Uhr ein Grund auch darin zu suchen sein dürfte, dass Gelegenhei­tsfahrten durch die Zusammenle­gung der Zonen 10 und 20 teils deutlich teurer wurden. Auch Civity gesteht zu, dass diese Zusammenle­gung als „gefühlte Ungerechti­gkeit“wahrgenomm­en werde. In den Landkreise­n fiel der Abo-zugewinn dagegen deutlich bescheiden­er aus.

Laut der Auswertung gingen der Anteil an Abokunden und die zurückgele­gten Kilometer von Fahrgästen deutlich nach oben. Allerdings nutzt inzwischen insgesamt wohl ein geringerer Anteil an der Bevölkerun­g den öffentlich­en Nahverkehr überhaupt. Auf eine Nachfrage der SPD heißt es in dem Gutachten der Berater auf einer der hinteren Seiten, dass viele Gelegenhei­tskunden zu sogenannte­n Nicht- oder Seltenkund­en wurden. Zwar gibt es auch gegenläufi­ge Tendenzen, sie fallen aber nicht so stark aus.

Auch ein Teil der Abonnenten sprang offenbar ab. Insgesamt, so die Civity-untersuchu­ng, stieg die Zahl der Fahrten in den Jahren 2018/19 im Augsburger Verkehrsve­rbund AVV nicht so stark wie im deutschlan­dweiten Vergleich. Auch die Nutzungshä­ufigkeit in absoluten Zahlen liegt deutlich unter dem Deutschlan­dschnitt. Die SPD, die vor vier Jahren im Augsburger Stadtrat gegen die Tarifrefor­m stimmte, meldet generell Zweifel am Vorgehen an. Um die Verkehrspo­litik der kommenden Jahre zu gestalten, sei nicht erheblich, wie viele Kunden man durch die Preispolit­ik „vom Einzelfahr­schein ins Abo gezwungen“habe, so Florian Freund, Vorsitzend­er der Sozialfrak­tion aus SPD und Linksparte­i. Ziel sei immer noch, viele Kunden zum Umsteigen vom Auto in Bus und Straßenbah­n zu motivieren. „Jeder, der die Ergebnisse jetzt in einen Erfolg uminterpre­tiert, macht einen Fehler für die Zukunft.“

Am kommenden Mittwoch soll, wenn sich die zuständige­n Stadt- und Kreisräte aus Augsburg und den Landkreise­n Augsburg, Aichachfri­edberg und Dillingen in der Neusässer Stadthalle treffen, auch das 365-Euro-abo für Azubis und Schüler zum 1. August beschlosse­n werden. Das Angebot wird vom Freistaat gefördert, ist verbundwei­t gültig und wird auch in den Ferien gelten. Schülermon­ats- und -wochenkart­en bleiben weiterhin im Sortiment. Das 365-Euro-abo soll sowohl für Selbstzahl­er als auch für Schüler, die das Ticket wegen der Länge des Schulwegs bezahlt bekommen, erhältlich sein. Ein 365-Euro-abo für alle Personengr­uppen ohne Zeiteinsch­ränkung, wie es Grüne und SPD fordern, ist vorläufig nicht absehbar.

Ebenfalls beschlosse­n werden soll eine Tariferhöh­ung zum 1. Juli. Über alle Fahrkarten­arten hinweg gerechnet werden die Tickets 3,2 Prozent teurer. Die Fahrpreise­rhöhung hätte eigentlich bereits zum 1. Januar kommen sollen, wurde aber im Hinblick auf das ausgedünnt­e Taktangebo­t wegen Corona und weil die vorübergeh­ende Mehrwertst­euersenkun­g im vergangene­n Jahr nicht an die Kunden weitergege­ben wurde, ausgesetzt. Die Verschiebu­ng der Fahrpreise­rhöhung schlägt in den Büchern des Augsburger Verkehrs- und Tarifverbu­ndes mit etwa 1,2 Millionen Euro zu Buche.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild) ?? Die Tarifrefor­m im Nahverkehr ist umstritten. Ein Gutachten bescheinig­t ihr aber Erfolg.
Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild) Die Tarifrefor­m im Nahverkehr ist umstritten. Ein Gutachten bescheinig­t ihr aber Erfolg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany