Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wo bleibt die Sicht der Fahrgäste?
Dass die Tarifreform als Erfolg bewertet wird, ist kein Wunder. Es gibt durchaus Erfolgsmeldungen, wie die Abo-zahlen in der Stadt. Zudem wurde die Evaluierung von den Machern der Reform beauftragt, die bei der Anlage des Untersuchungsdesigns kaum ein Interesse daran gehabt haben dürften, sich selbst ein schlechtes Zeugnis auszustellen.
Im Nachhinein betrachtet wurde die Reform zu stark aus der Warte von Gebietskörperschaften und Verkehrsunternehmen gestaltet und zu wenig aus Sicht d er Fahrgäste.
Es war richtig, den Anteil der Abonnenten zu steigern, weil sie eine stabile Einnahmequelle sind und dem Nahverkehr relativ verlässlich treu bleiben. Gleichzeitig wandeln sich Nutzungsmuster. Bürger legen sich weniger stark auf ein Verkehrsmittel fest, sondern nutzen sie situationsabhängig. Auch Gelegenheitskunden muss man ein attraktives Angebot machen, was nicht gleichbedeutend ist mit „Freibier für alle“.
Angesichts der hohen Bezuschussung des Nahverkehrs muss die Rechnung am Ende stimmen, aber bei der Tarifreform wurde nicht nur mit Lock-angeboten ins Abo gearbeitet, sondern auch mit massivem Preisdruck für Gelegenheitsfahrer.
Der Nahverkehr ist leider der klare Verlierer der Corona-pandemie, wenn man die Fahrgastzahlen betrachtet. Für eine Verkehrswende wird er aber nötiger denn je sein, weil das Fahrrad nicht für jedermann zu jeder Zeit in Frage kommt. Wenn die Impfungen vorangeschritten sind, wird man zumindest eine Basis haben, um frühere Fahrgäste zurückzuholen und neue zu werben. Dafür wird es aber mehr brauchen als eine drei Jahre alte und sehr umstrittene Tarifreform, sondern gute Angebote (Fünf-minutentakt), kombiniert mit innovativen Ideen und einem guten Preis.