Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Polizei betrachtet Raser mit Sorge
Während illegale Autorennen im Jahr 2020 bayernweit anstiegen, blieb die Zahl in Augsburg gleich hoch. Doch es kam zu gefährlichen Situationen. Jetzt wurde ein Rennen in Lechhausen vor Gericht verhandelt
Es ist kurz vor Mitternacht, als zwei Autofahrer durch den Augsburger Stadtteil Lechhausen rasen. Die beiden Autos brausen mit hoher Geschwindigkeit durch die Stätzlinger Straße, Feuerhaus- und Blücherstraße. Dort gilt eigentlich Tempo 50, in manchen Bereichen ist sogar nur 30 erlaubt. Zeugen sagen später aus, die Autos waren mit 80 bis 100 Stundenkilometern unterwegs. Dabei kommt es an jenem Juni-abend 2020 zu einer gefährlichen Situation. Denn genau in dem Moment, als der Mini und der Mercedes in der Dunkelheit angerauscht kommen, überqueren drei Fußgänger die Feuerhausstraße. In dieser Woche stand einer der beiden Fahrer, ein 20-jähriger Mechaniker aus Lechhausen, vor Gericht. Es ist nicht der einzige Fall eines illegalen Autorennens, der in Augsburg verhandelt wird.
Wie das bayerische Innenministerium unlängst mitteilte, wurden 2020 deutlich mehr illegale Autorennen in Bayern (466) ermittelt als im Vorjahr (311). Eine Theorie, die den Anstieg erklären soll, ist, dass junge Menschen aufgrund der Pandemieeinschränkungen anderweitig Spaß suchen. Hier einen Zusammenhang herzustellen, sei spekulativ, heißt es beim Polizeipräsidium Schwaben Nord. Dennoch beobachtet man auch in Augsburg die illegalen Straßenrennen mit Sorge.
„Im vergangenen Jahr wurden in Augsburg insgesamt 16 verbotene Kraftfahrzeugrennen polizeilich bekannt“, sagt Polizeisprecher Siegfried Hartmann. Seit 2017 zählt die Beteiligung an einem illegalen Autorennen in Deutschland als Straftat. In Augsburg wurden seitdem 41 Fälle registriert. Die Zahl stieg von zwei Fällen im Jahr 2017 auf acht im darauf folgenden Jahr, 15 im Jahr 2019 und nun auf 16 im Jahr der Pandemie 2020, in dem es zu zwei Unfällen mit zwei Verletzten kam. Beim Amtsgericht Augsburg, berichtet Sprecher Markus Eberhard, sind es 13 solcher Taten aus dem Jahr 2020, die zur Anklage kommen. Bei der Polizei geht man von einer nicht unerheblichen Dunkelziffer an verbotenen Kfz
Rennen aus. „Zumal die Täter um ihr illegales Verhalten wissen und daher entsprechend konspirativ vorgehen“, weiß Sprecher Hartmann.
Verabredungen würden oft übers Handy oder in Chats getroffen. Die Beschuldigten waren im vergangenen Jahr zwischen 19 und 40 Jahre alt, überwiegend männlich und von unterschiedlicher Nationalität. Jedes Rennen, betont Hartmann, sei eines zu viel. Denn die massiven Geschwindigkeitsüberschreitungen, innerorts laut dem Polizeisprecher im dreistelligen Stundenkilometer-bereich, stelle eine große Gefahr für Unbeteiligte, aber auch für Beteiligte dar. Wie für die drei Fußgänger, die an jenem Juniabend in Lechhausen die Straße überqueren. Der Minifahrer kann der Gruppe noch ausweichen, doch der nachfolgende 20
Jahre alte Mercedes-fahrer, der nun vor Gericht stand, erfasst das Bein eines 25-jährigen Passanten.
Trotz des Zusammenstoßes hält der 20-Jährige aber nicht an. Über das Kennzeichen kommt die Polizei auf seine Spur. Der junge Raser hat vor Gericht eine Erklärung, warum er sich nicht um den Verletzten, der operiert werden musste, gekümmert hatte: Er habe Angst gehabt, weil die anderen zu dritt gewesen seien. Zwei Monate später, im August, kommt es in den frühen Abendstunden zu einer weiteren brenzligen Situation, wiederum in Lechhausen. Diesmal in der Neuburger Straße. Wie Polizeisprecher Hartmann berichtet, beschleunigen an einer Ampel zwei Autofahrer. Einer verliert die Kontrolle über das Fahrzeug, gerät auf den Gehweg und streift eine Mülltonne.
„Es war nur einem glücklichen Umstand zu verdanken, dass eine Passantin, die neben der Tonne stand, unverletzt blieb.“Auch hier flüchtet der Unfallfahrer, wird aber später gestellt. Hotspots für verbotene Rennen gibt es in der Stadt laut Hartmann nicht. „In den meisten Fällen aber werden mehrspurige Straßen, wie in der Grottenau, Neuburger Straße oder in der Bürgermeisterackermann-straße, zum Tatort.“
Die offenbar größte Sorge des 20-jährigen Rasers, der sich diese Woche vor dem Jugendgericht verantworten musste, war die weitere Einbehaltung seines Führerscheins. Weil er in Friedberg in Schicht arbeite, sei der Schein für ihn sehr wichtig. Ansonsten müsse er teils bei Nacht und Regen radeln, erklärte er. Richter Bernhard Kugler ließ sich davon nicht beeindrucken. Er entschied, den Führerschein mindestens noch ein Jahr einzubehalten. Er sah den Angeklagten noch nicht dazu bereit, wieder vorschriftsmäßig Auto zu fahren. Der Richter sprach in seinem Urteil eine Verwarnung nach Jugendstrafrecht wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, verbotenen Kraftfahrzeugrennens, fahrlässiger Körperverletzung und unerlaubten Entfernens vom Unfallort aus.
Der 20-Jährige muss zudem eine Geldauflage von 1800 Euro zahlen und an Gesprächen zum Thema „Rücksichtnahme im Straßenverkehr“teilnehmen. „Normale Straßen sind keine Orte für Rennen und Autos dürfen nicht als Waffe verwendet werden“, sagte der Richter mit Nachdruck.