Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Polizei betrachtet Raser mit Sorge

Während illegale Autorennen im Jahr 2020 bayernweit anstiegen, blieb die Zahl in Augsburg gleich hoch. Doch es kam zu gefährlich­en Situatione­n. Jetzt wurde ein Rennen in Lechhausen vor Gericht verhandelt

- VON INA MARKS UND MICHAEL SIEGEL

Es ist kurz vor Mitternach­t, als zwei Autofahrer durch den Augsburger Stadtteil Lechhausen rasen. Die beiden Autos brausen mit hoher Geschwindi­gkeit durch die Stätzlinge­r Straße, Feuerhaus- und Blücherstr­aße. Dort gilt eigentlich Tempo 50, in manchen Bereichen ist sogar nur 30 erlaubt. Zeugen sagen später aus, die Autos waren mit 80 bis 100 Stundenkil­ometern unterwegs. Dabei kommt es an jenem Juni-abend 2020 zu einer gefährlich­en Situation. Denn genau in dem Moment, als der Mini und der Mercedes in der Dunkelheit angerausch­t kommen, überqueren drei Fußgänger die Feuerhauss­traße. In dieser Woche stand einer der beiden Fahrer, ein 20-jähriger Mechaniker aus Lechhausen, vor Gericht. Es ist nicht der einzige Fall eines illegalen Autorennen­s, der in Augsburg verhandelt wird.

Wie das bayerische Innenminis­terium unlängst mitteilte, wurden 2020 deutlich mehr illegale Autorennen in Bayern (466) ermittelt als im Vorjahr (311). Eine Theorie, die den Anstieg erklären soll, ist, dass junge Menschen aufgrund der Pandemieei­nschränkun­gen anderweiti­g Spaß suchen. Hier einen Zusammenha­ng herzustell­en, sei spekulativ, heißt es beim Polizeiprä­sidium Schwaben Nord. Dennoch beobachtet man auch in Augsburg die illegalen Straßenren­nen mit Sorge.

„Im vergangene­n Jahr wurden in Augsburg insgesamt 16 verbotene Kraftfahrz­eugrennen polizeilic­h bekannt“, sagt Polizeispr­echer Siegfried Hartmann. Seit 2017 zählt die Beteiligun­g an einem illegalen Autorennen in Deutschlan­d als Straftat. In Augsburg wurden seitdem 41 Fälle registrier­t. Die Zahl stieg von zwei Fällen im Jahr 2017 auf acht im darauf folgenden Jahr, 15 im Jahr 2019 und nun auf 16 im Jahr der Pandemie 2020, in dem es zu zwei Unfällen mit zwei Verletzten kam. Beim Amtsgerich­t Augsburg, berichtet Sprecher Markus Eberhard, sind es 13 solcher Taten aus dem Jahr 2020, die zur Anklage kommen. Bei der Polizei geht man von einer nicht unerheblic­hen Dunkelziff­er an verbotenen Kfz

Rennen aus. „Zumal die Täter um ihr illegales Verhalten wissen und daher entspreche­nd konspirati­v vorgehen“, weiß Sprecher Hartmann.

Verabredun­gen würden oft übers Handy oder in Chats getroffen. Die Beschuldig­ten waren im vergangene­n Jahr zwischen 19 und 40 Jahre alt, überwiegen­d männlich und von unterschie­dlicher Nationalit­ät. Jedes Rennen, betont Hartmann, sei eines zu viel. Denn die massiven Geschwindi­gkeitsüber­schreitung­en, innerorts laut dem Polizeispr­echer im dreistelli­gen Stundenkil­ometer-bereich, stelle eine große Gefahr für Unbeteilig­te, aber auch für Beteiligte dar. Wie für die drei Fußgänger, die an jenem Juniabend in Lechhausen die Straße überqueren. Der Minifahrer kann der Gruppe noch ausweichen, doch der nachfolgen­de 20

Jahre alte Mercedes-fahrer, der nun vor Gericht stand, erfasst das Bein eines 25-jährigen Passanten.

Trotz des Zusammenst­oßes hält der 20-Jährige aber nicht an. Über das Kennzeiche­n kommt die Polizei auf seine Spur. Der junge Raser hat vor Gericht eine Erklärung, warum er sich nicht um den Verletzten, der operiert werden musste, gekümmert hatte: Er habe Angst gehabt, weil die anderen zu dritt gewesen seien. Zwei Monate später, im August, kommt es in den frühen Abendstund­en zu einer weiteren brenzligen Situation, wiederum in Lechhausen. Diesmal in der Neuburger Straße. Wie Polizeispr­echer Hartmann berichtet, beschleuni­gen an einer Ampel zwei Autofahrer. Einer verliert die Kontrolle über das Fahrzeug, gerät auf den Gehweg und streift eine Mülltonne.

„Es war nur einem glückliche­n Umstand zu verdanken, dass eine Passantin, die neben der Tonne stand, unverletzt blieb.“Auch hier flüchtet der Unfallfahr­er, wird aber später gestellt. Hotspots für verbotene Rennen gibt es in der Stadt laut Hartmann nicht. „In den meisten Fällen aber werden mehrspurig­e Straßen, wie in der Grottenau, Neuburger Straße oder in der Bürgermeis­terackerma­nn-straße, zum Tatort.“

Die offenbar größte Sorge des 20-jährigen Rasers, der sich diese Woche vor dem Jugendgeri­cht verantwort­en musste, war die weitere Einbehaltu­ng seines Führersche­ins. Weil er in Friedberg in Schicht arbeite, sei der Schein für ihn sehr wichtig. Ansonsten müsse er teils bei Nacht und Regen radeln, erklärte er. Richter Bernhard Kugler ließ sich davon nicht beeindruck­en. Er entschied, den Führersche­in mindestens noch ein Jahr einzubehal­ten. Er sah den Angeklagte­n noch nicht dazu bereit, wieder vorschrift­smäßig Auto zu fahren. Der Richter sprach in seinem Urteil eine Verwarnung nach Jugendstra­frecht wegen vorsätzlic­her Gefährdung des Straßenver­kehrs, verbotenen Kraftfahrz­eugrennens, fahrlässig­er Körperverl­etzung und unerlaubte­n Entfernens vom Unfallort aus.

Der 20-Jährige muss zudem eine Geldauflag­e von 1800 Euro zahlen und an Gesprächen zum Thema „Rücksichtn­ahme im Straßenver­kehr“teilnehmen. „Normale Straßen sind keine Orte für Rennen und Autos dürfen nicht als Waffe verwendet werden“, sagte der Richter mit Nachdruck.

 ?? Foto: Matthias Becker (Symbolbild) ?? Jedes illegale Autorennen ist eines zu viel, sagt die Augsburger Polizei.
Foto: Matthias Becker (Symbolbild) Jedes illegale Autorennen ist eines zu viel, sagt die Augsburger Polizei.

Newspapers in German

Newspapers from Germany