Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Warum es richtig war, die Nordische SKI-WM auszutragen
Titelkämpfe in der Pandemie – das war auch in Oberstdorf umstritten. Doch eine Absage hätte Verträge verletzt. Die Organisatoren machten das Beste aus der Situation
Am Ende hat es doch noch geschneit. Für einen Moment wirkte es so, als hätte hier eine ganz normale Weltmeisterschaft stattgefunden. Nach den frühlingshaften Temperaturen hatte Oberstdorf sich zum Abschied ein weißes Kleid übergestreift. Es waren die Bilder, auf die die Organisatoren gehofft hatten. Bei ihrer Nordischen SKI-WM, die für so viele Diskussionen gesorgt hatte. Fans waren nicht dabei, das ließ das Coronavirus nicht zu. Es waren die Tage des Fernsehens – die Liveübertragungen brachten Oberstdorf in die Wohnzimmer. Immerhin das. Doch gehofft hatten sie in Oberstdorf auf anderes.
Der Ort lebt vom Tourismus. Eine WM, an der Gäste aus vielen Ländern teilhaben, ist die perfekte Werbung. Denn nichts ist besser, als sich selbst ein Bild zu machen.
Auch die Eigentümer der einheimischen Betriebe bekommen bei Titelkämpfen normalerweise glänzende Augen. Es wären die Tage großer Einnahmen. Zum dritten Mal war Oberstdorf Gastgeber der Nordischen SKI-WM, 1987 und 2005 feierten je rund 350 000 Menschen im Ort. Von einem Wintermärchen war die Rede, ein Jahr vor dem Sommermärchen der Fußballer. Diesmal kamen 4500 Gäste. War es also nichts mit dem Wintermärchen Teil III?
Die Stimmung in Oberstdorf war und ist gespalten. Die einen freuen sich über die WM, sie haben ihre Häuser mit Fahnen geschmückt. An vielen Orten sehen die Fassaden jedoch aus wie immer. Als gäbe es diese WM gar nicht. Wenn sie schon nicht live dabei sein können, wollen sie auch keine Freude heucheln. Manchem wäre es lieber gewesen, die Weltmeisterschaft wäre abgesagt worden. Die Furcht war groß, dass die Gäste das Virus in den Ort bringen. Offenbar konnten Ansteckungen weitgehend vermieden werden. Das Hygienekonzept war noch einmal verschärft worden.
Dennoch gab es Infektionen, allen voran die des norwegischen Skispringers Halvor Egner Granerud. Ansonsten aber griffen die Maßnahmen. An der Zerrissenheit im Ort wird das wenig ändern. Einige sind froh, überhaupt Sportveranstaltungen sehen zu können – und sei es nur im Fernsehen. Andere sind der Überzeugung, es gibt momentan wenig Verzichtbareres als solche
Großereignisse. Eine Diskussion, der sich derzeit auch die Fußballbundesliga stellen muss.
Machen oder lassen? Das ist die Frage, vor die das Virus in diesen Tagen die Menschheit stellt. Ohne Emotionen ist sie kaum zu beantworten. Das macht die Entscheidungen so schwierig. Oft geht es um Existenzen. Und doch ist die Antwort meist: lieber lassen. Die Aussichten werden zwar besser, Restaurants und viele Hotels sind aber noch immer geschlossen. Während der WM hatten einige geöffnet, um nun wieder zuzusperren. Die Lage bleibt misslich, eine große finanzielle Erleichterung hat die WM nicht gebracht. Die Gäste fehlten, der Aufwand aber war groß. An den Abenden glich Oberstdorf einer Geisterstadt.
Der Wintersportort hat das Beste aus der Situation gemacht und sich gut präsentiert. Mit Wettbewerben, die von Höchstleistungen geprägt waren. Mit Sportstätten, die wegen des Wetters schwer zu präparieren, aber dennoch in einem guten Zustand waren. Die Herausforderungen waren gewaltig. Die Organisatoren können für sich reklamieren: Sie haben alle bewältigt. Eine Alternative hatten sie letztlich auch nicht, die Verträge verpflichteten sie zu einer Austragung.
Was bleibt von den Wm-tagen? Mit einem durchdachten Konzept sind solche Veranstaltungen möglich. Ob sie auch sinnvoll sind, kann hinterfragt werden. Andererseits haben sie Millionen Fans unterhalten – zumindest vor dem Fernseher.
Machen oder lassen? Das ist die Frage zu
Corona-zeiten