Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Staat macht sozialen Wohnbau unnötig teuer

Die Zahl der Sozialwohn­ungen sinkt Jahr für Jahr. Eigentlich können Ex-kasernenfl­ächen und bundeseige­ne Grundstück­e für den Neubau billig an Gemeinden verkauft werden. Doch die Möglichkei­t wird selten genutzt

- VON MICHAEL POHL

Augsburg/berlin Für 238 Millionen Euro laufen derzeit bei der Stadt Augsburg und ihrer Wohnbaugru­ppe große Neubauproj­ekte. Namen wie „Reesepark“und „Sheridanpa­rk“verraten, dass sie auf ehemaligen Us-kasernen entstehen. Gut 550 sozial geförderte und nach Willen der Stadt dauerhaft bezahlbare Mietwohnun­gen sollen in den kommenden Jahren bezugsfert­ig sein – teilweise als neues Quartier mit Supermarkt, Café und Drogeriema­rkt.

Angesichts der dreistelli­gen Millionens­ummen wirkt der Beitrag eines neuen Bundesprog­ramms zur verbilligt­en Abgabe von Bundesgrun­dstücken wie ein Scherflein zu dem Projekt: 166268 Euro billiger überließ die „Bima“, abgekürzte Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben, ein kleines Grundstück am einstigen „Vehicle Park“der Stadt und damit immerhin kostenlos.

Quer verteilt über die Republik besitzt der Bund fast 26000 ungenutzte Grundstück­e. Wie in Augsburg

oft Überbleibs­el des Kalten Krieges in Form aufgegeben­er Militärsta­ndorte der Alliierten oder später der Bundeswehr. Bis 2015 verkauft die Bima bundeseige­ne Wohnungen und Grundstück­e zum Höchstprei­s. „Wir sind es, abgesehen von der gesetzlich­en Verpflicht­ung, auch den Steuerzahl­ern schuldig, möglichst hohe Einnahmen für den Bundeshaus­halt zu erzielen“, sagte zu dieser Zeit der damalige Bima-vorstandss­precher Jürgen Gehb. Kommunale Wohnbauges­ellschafte­n wurden von finanzkräf­tigen Investoren überboten oder stiegen gar nicht erst ins Bieterrenn­en ein.

Bis zu einer halbe Milliarde Euro erlöste die Behörde pro Jahr. Zugleich erhöhte die Bima kräftig die Mieten in ihren eigenen Wohnanlage­n und erklärte, es sei nicht ihre Aufgabe, dass der Steuerzahl­er billige Mieten subvention­iere. „Der Staat als Spekulant“, lauteten damals Zeitungsüb­erschrifte­n, als die Behörde 1700 Mietwohnun­gen in Berlin meistbiete­nd verkaufen wollte. Dazu kam noch, dass die Bima auch die Mieten ihrer eigenen Wohnanlage­n zu dieser Zeit kräftig erhöhte.

Nach parteiüber­greifenden Protesten und der zunehmende­n Krise am Wohnungsma­rkt kam es 2015 unter der damaligen Spd-bauministe­rin Barbara Hendricks offiziell zum Kurswechse­l: Die Bima konnte nun verbilligt alle Grundstück­e an Kommunen abgeben, insbesonde­re für sozialen Wohnbau. Seit 2018 soll der Kaufpreis einer Fläche um 25000 Euro pro geplanter Sozialwohn­ung verbilligt werden, teilweise werden Grundstück­e damit zum Preis von null Euro unentgeltl­ich von der Bima – wie im Augsburger Fall – abgegeben.

Der Bedarf an günstigem Wohnraum wächst: Die Zahl der Sozialwohn­ungen sinkt in Deutschlan­d jedes Jahr um mehr als 40000 Mietwohnun­gen,

weil deutlich mehr aus der Sozialbind­ung fallen, als gebaut werden. Gab es in der alten Bundesrepu­blik vor der Wiedervere­inigung noch knapp vier Millionen Sozialwohn­ungen in Deutschlan­d, droht die Zahl in wenigen Jahren unter die Millionen-marke zu fallen. Doch wie aus der Antwort der Bundesregi­erung

auf eine Kleine Anfrage der Fdp-bundestags­fraktion hervorgeht, wird die sogenannte „Verbilligu­ngs-richtlinie“beim Verkauf von bundeseige­nen Grundstück­en nur in Ausnahmefä­llen angewendet. Die Bima habe von 2015 bis Mitte Februar 2021 rund 1800 Liegenscha­ften an Länder, Kommunen oder deren Wohnbauges­ellschafte­n veräußert, heißt es dort. „In 344 Fällen wurde eine Verbilligu­ng gewährt. Dies entspricht einem Anteil von rund 19 Prozent.“

Der bau- und wohnungspo­litische Sprecher der Fdp-fraktion und bayerische Liberalen-vorsitzend­e Daniel Föst hält diese Zahlen für eine Bankrotter­klärung: „Es ist ein Skandal, dass der Bund nur eins von fünf Grundstück­en vergünstig­t an die Kommunen abgibt“, sagt Föst, der die Anfrage gestellt hatte. „Das Bauland ist einer der größten Flaschenhä­lse beim Wohnungsba­u, aber der Bund rückt seine Grundstück­e nur widerwilli­g und unter hoher Belastung für die Kommunen heraus“, kritisiert er. „Je teurer das Bauland, desto teurer sind am Ende auch die Mieten.“

Der Fdp-politiker kritisiert insbesonde­re den Bundesfina­nzminister heftig, zu dessen Ressort die Bima gehört: „Olaf Scholz fordert als Spdkanzler­kandidat einen Mietenstop­p, während er als Finanzmini­ster mit seiner restriktiv­en Verkaufspo­litik die Mieten treibt“, sagt Föst. „Der Bund muss viel mehr und viel schneller seine Grundstück­e verbilligt zur Verfügung stellen, damit in den Kommunen neuer und günstiger Wohnraum entstehen kann.“

Wohnbauges­ellschafte­n werden überboten

Bayerns FDP‰CHEF spricht von einem Skandal

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Archivbild: Silvio Wyszengrad Neubauproj­ekt der Augsburger Wohnbaugru­ppe WBG: Vom Bund gab es für das Vorhaben einen Preisnachl­ass von 166268 Euro.

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