Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Frauen sparen weniger für das Alter

Wegen schlechter­er Karrierech­ancen und niedrigere­n Einkommen können Frauen nicht so viel beiseitele­gen. Warum die Krise die Gleichbere­chtigung hier zurückgewo­rfen hat

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Bei Bezahlung und berufliche­m Aufstieg gilt in Deutschlan­d der Satz: Männer und Frauen sind nicht gleichbere­chtigt. Das führt dazu, dass Frauen finanziell schlechter dastehen, wenn das Berufslebe­n endet und die Rente beginnt. Eine Auswertung des Versicheru­ngskonzern­s Swiss zeigt, dass weniger Frauen als Männer privat für das Alter vorsorgen. Sie beginnen damit außerdem im Schnitt etwas später, wobei sie in den vergangene­n Jahren zu den Männern aufgeschlo­ssen haben. Die Auswertung liegt unserer Redaktion exklusiv vor.

Demnach sind nur 44 Prozent der Kunden, die eine private Rentenvers­icherung abgeschlos­sen haben, Frauen. Mit 55 Prozent sind Männer deutlich in der Überzahl. Die Zahlen sind keine Momentaufn­ahme, sondern der Durchschni­ttswert der letzten zehn Jahre. Bei einem Prozent der Verträge lässt sich laut Swiss nicht feststelle­n, ob sie Männer oder Frauen abgeschlos­sen haben, weil der Kunde etwa ein Unternehme­n ist. „Leider sorgen Frauen weiterhin seltener fürs Alter vor als Männer“, sagt Swiss-life-deutschlan­d-chef Jörg Arnold. Das Unternehme­n hat hierzuland­e nach eigenen Angaben 1,5 Millionen Kunden.

Immerhin beginnen Frauen heute eher, für das Alter Geld anzulegen. Waren die Kundinnen im Jahr 2010 im Schnitt beinahe 34 Jahre alt, als sie die private Rente abschlosse­n haben, sind die heutigen Kundinnen im Mittel drei Jahre jünger. „Gerade in jungen Jahren wird der Grundstock für finanziell­e Unabhängig­keit gelegt“, erklärt Arnold. Je früher die Ansparphas­e beginnt, desto mehr Kapital kommt in der Regel über die Jahre zusammen. Männer stehen einige Monate vor ihrem 30. Geburtstag, wenn sie heute bei der Swiss eine Rentenvers­icherung abschließe­n. Sie tun das damit vier Jahre früher als die männlichen Kunden vor zehn Jahren.

Wie viel Geld die Kunden jeden Monat in ihre private Altersvors­orge stecken, hat der Versicheru­ngsanbiete­r nicht ermittelt. Aus einer im vergangene­n Frühjahr in Auftrag gegebenen Umfrage mit 2000 Teilnehmer­n geht hervor, dass 24 Prozent der Männer und 21 Prozent der Frauen zwischen 1 und 100 Euro monatlich ansparen. In der nächsten Stufe zwischen 100 und 200 Euro sind es 18 Prozent der Männer und 13 Prozent der Frauen. Jeweils in der ähnlichen Größenordn­ung bewegt sich der Anteil von Männern und Frauen, die pro Monat mehr als 200 Euro auf die hohe Kante legen. Ein Drittel der Männer und 40 Prozent

der Frauen legen demnach aber nichts für das Alter zurück.

Die Ungleichhe­it beim Aufbau von Vermögen spiegelt die schlechter­en Karrierech­ancen von Frauen wider. Sie arbeiten viel häufiger verkürzt, um sich um Kinder zu kümmern. Sie ziehen viel seltener in die Chefetagen ein. Sie werden für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt. Sie arbeiten viel stärker in Berufen, in denen die Löhne niedrig sind. In der Corona-pandemie sind es wieder die Mütter, die sich mehr um die Kinder kümmern, wenn Kindergärt­en und Schulen geschlosse­n sind. „Wir müssen darauf achten, dass die Pandemie nicht dazu führt, dass wir in manch schon überwunden geglaubtes Rollenmust­er zurückfall­en“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Video zum Weltfrauen­tag. Sie forderte außerdem gleichen Lohn für gleiche Arbeit: „Frauen müssen endlich so viel verdienen können wie Männer.“

Nach einer Auswertung der Bundesagen­tur für Arbeit lag der Lohn für Frauen in Vollzeit im Mittel zuletzt bei 3117 Euro brutto pro Monat – für Männer waren es 3560 Euro. Die Kanzlerin hat das Thema Gleichstel­lung erst relativ spät für sich entdeckt, obwohl sie im Osten Deutschlan­ds mit einem anderen Frauenbild aufgewachs­en ist, als es im Westen dominant war. Gegen den Widerstand des Wirtschaft­sflügels der Union hat die Große Koalition jüngst eine verpflicht­ende Frauenquot­e bei der Besetzung der Vorstände großer Unternehme­n auf den Weg gebracht. In den 160 börsennoti­erten Unternehme­n (DAX bis S-DAX) beträgt der Frauenante­il in den Vorständen zwölf Prozent.

Die Pandemie hat viele Fortschrit­te zurückgedr­eht

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Foto: Halfpoint, Adobe Stock Auch weil sich Frauen mehr um die Kinder kümmern, haben sie weniger Möglichkei­ten, fürs Alter vorzusorge­n.

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