Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Irre, einfach nur irre“
Das deutsche Quartett fliegt im Teamwettbewerb der WM in Oberstdorf zu Gold. Im dramatischen Finale wachsen die Adler über sich hinaus. Wie Lokalmatador Karl Geiger zum Überflieger der Titelkämpfe wird
Oberstdorf 100 Helfer auf der Tribüne der leeren Arena rasten aus. Vier Athleten im Auslauf liegen sich in den Armen. Ein Traum geht in Erfüllung. Es ist der goldige Abschluss einer hochemotionalen WM aus Sicht der deutschen Adler. Die Dsv-skispringer haben im Mannschaftswettbewerb beim letzten Skisprung-wettkampf der Nordischen SKI-WM in Oberstdorf die Goldmedaille gewonnen. Das Dsv-quartett um Lokalmatador Karl Geiger, Markus Eisenbichler, Severin Freund und Pius Paschke triumphierte im hoch spannenden letzten Springen mit etlichen Führungswechseln von der Großschanze (Hillsize 137 Meter) vor Österreich und Polen. „Es ist irre, einfach nur irre“, sagte Geiger. „Ich wusste, dass wir Chancen haben, hier vorne mitzumischen. Aber, dass es bei mir bei jedem Wettkampf so aufgeht, freut mich so sehr.“
Allen voran endet damit für Geiger, der schon vor dem Final-springen seinen persönlichen Medaillensatz vervollständigt hatte, eine Traum-heim-wm. Der 28-jährige Oberstdorfer führte das deutsche Team, nach seinem Gewinn der Bronzemedaille vom Einzelspringen am Vortag, Silber von der Normalschanze und Gold im Mixed-wettkampf, am vorletzten Tag der Titelkämpfe mit Sprüngen auf 133,5 und 136 Metern zu Gold.
Die letzte Skisprung-nation, die ihren Titel in einem Wm-teamwettbewerb verteidigen konnte, war Österreich, das von 2005 bis 2013 alle Wettkämpfe für sich entschieden hatte. Der ÖSV um den frischgebackenen Weltmeister von der Großschanze, Stefan Kraft, stand dabei seit 2005 in ausnahmslos jedem Mannschaftswettbewerb bei einer Weltmeisterschaft auf dem Podest. Nun gelang Deutschland der erneute Wm-coup. „Dieser Titel hat einen enorm hohen Stellenwert, bei dieser Wahnsinnshow, die die Jungs da geliefert haben. Ich habe noch nie ein Teamspringen mit so einem hohen Niveau gesehen“, sagte Bundestrainer Stefan Horngacher. Schon nach dem ersten Durchgang hatte das deutsche Team hauchdünn mit 2,8 Punkten Vorsprung vor Österreich und Polen geführt. Horngacher hatte bereits während des ersten Durchgangs „eine ganz enge Kiste“prognostiziert – der 51-Jährige sollte Recht behalten; zumindest was die Vergabe der Medaillen betraf. Pius Paschke erwies sich als starker Startspringer und brachte den DSV mit 136 und 132 Metern in beiden Durchgängen in gute Ausgangsposition. „Im zweiten habe ich was liegenlassen, aber ich bin ganz zufrieden mit meinen Sprüngen“, sagte Paschke.
Routinier Severin Freund verlor in Gruppe zwei zwar erwartungsgemäß ein paar Meter auf die Besten, hielt aber mit 127,5 im ersten und mit 123 Metern im Finaldurchgang jeweils die Position, die seine Kollegen herausgesprungen hatten. Der zweite Mixed-weltmeister Markus Eisenbichler, der im letzten Probedurchgang schon auf 141 Meter geflogen war, arbeitete das DSVTEAM schon im ersten Durchgang mit seinem Satz auf 135 Meter an die Österreicher heran. Im Finale ragte Eisenbichler mit 138,5 Metern dann sogar noch aus den Weltbesten heraus.
Hatte die erste Gruppe im Teamwettbewerb zum Auftakt noch starken Aufwind, der vor allem die Top Fünf allesamt auf die Hillsize von 137 Metern segeln ließ, veränderten sich die Windbedingungen mit zunehmender Dauer in den für den Schattenberg typischen vorabendlichen Rückenwind. Trotzdem hatte sich schon gegen Ende des ersten
Durchgangs ein spannender Fünfkampf um die Medaillen herauskristallisiert, wobei Geiger den DSV mit dem letzten Sprung im ersten Durchgang noch an Österreich vorbei in Front brachte.
Eine erste Überraschung gab es früh im ersten Durchgang, als sich die mitfavorisierten Norweger um Marius Lindvik, der auf 117 Meter abstürzte, und Daniel Andre Tande (119,5) bereits über 30 Meter Rückstand auf die Spitzen einfingen. Im Finale machten die besten Skisprung-nationen das Rennen um die Medaillen letztlich unter sich aus – mit dem besten Ende für Deutschland . Slowenien fiel aus der Fünfergruppe schon in der zweiten Finalgruppe raus, vor der letzten Gruppe distanzierte das Top-trio auch noch die Japaner. Im Finale zwischen
Kraft, Geiger und Kubacki sprang der Oberstdorfer seine Nation zu Wm-gold in Oberstdorf.
Und während der Bundestrainer seinen Wm-giganten schon vor dem Springen als „den besten Athleten, mit dem ich je zusammenarbeiten“durfte bezeichnete, huldigte Zdf-experte Toni Innauer Geiger nach dem Wm-coup. „Der Zugriff vom Gehirn, seine Intelligenz, sein ingenieurhaftes Wesen sind seine Stärke – er kann Informationen filtern und sie sich zum Nutzen machen. Das ist eine unheimlich besondere Gabe und ganz selten in der heutigen Springerwelt.“Das stellte der 28-jährige Oberstdorfer einmal mehr unter Beweis. Geiger ging als deutscher Schlussspringer als Vorletzter vom Balken – und jubelte als Letzter.