Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Noch mal davongekom­men

Die erfolgsver­wöhnte deutsche Mannschaft holt zwei Medaillen, drei waren das Ziel. Vor allem Vinzenz Geiger enttäuscht bei der Heim-wm. Und aus dem Nachwuchsb­ereich kommt zu wenig nach

- VON MARCO SCHEINHOF

Oberstdorf Hermann Weinbuch musste kurz überlegen. Die Sonne verschwand schon langsam hinter den Bergen, ein strahlende­r Tag ging in eine klare Nacht über. Weinbuch, Bundestrai­ner der Nordischen Kombiniere­r, war gerade gefragt worden, wie er denn nun die Weltmeiste­rschaft in Oberstdorf einschätze. Weinbuch überlegte, er wägte seine Worte sorgfältig ab. Dann fiel ihm die Antwort ein: „Gerade noch mal davongekom­men.“Die Bronzemeda­ille im Teamsprint von Eric Frenzel und Fabian Rießle hinter Österreich und Norwegen vermittelt­e einen positiven letzten Eindruck. Und doch war klar: „Wir wollten drei Medaillen und haben jetzt zwei. Es war holprig. Es lief nicht nach unserem Wunsch“, sagte Weinbuch.

Der Bundestrai­ner war umringt von Journalist­en. Das kennt er, meist aber darf er dann von Erfolgen seiner Kombiniere­r schwärmen. Standen Großereign­isse an, lieferten sie Erfolge so zuverlässi­g ab wie ein Mercedes-motor in der Formel 1. Allen voran Eric Frenzel, der seinen Medaillens­atz weiter vergrößert­e. Durch Silber mit der Mannschaft und Bronze im Teamsprint hat er nun 17 Medaillen zu Hause. Das lässt ihn in der Bestenlist­e zum ehemaligen norwegisch­en Langläufer Björn Dählie aufschließ­en. „Ich bin mit meiner WM zufrieden“, sagte der 32-Jährige. Zufrieden ja, aber nicht euphorisch. Seine beiden vierten Plätze in den Einzelwett­bewerben hingen noch nach. Dennoch sagte Hermann Weinbuch: „Es ist ein Wahnsinn, was Frenzel und Rießle schaffen.“

Beide sind schon über 30 Jahre alt, geben aber nach wie vor den Ton an. Das ist zum einen für die beiden erfreulich und eine bemerkensw­erte Leistung. Zum anderen aber zeigt sich, dass aus dem Nachwuchs

zu wenige Athleten in Richtung Weltspitze streben. „Bei uns kommt schon länger nichts mehr nach. Wir brauchen eine Auffrischu­ng“, sagte Weinbuch. So wie es bei anderen Nationen gelingt. Johannes Lamparter hat mit seinen 19 Jahren Österreich am Samstag zu Gold geführt, Jarl Magnus Riiber mit 23 Jahren Norwegen zu Silber.

Auf Frenzel und Rießle ist nach wie vor Verlass. Von den jungen Athleten aber kam zu wenig. Immerhin waren Terence Weber (24) und Vinzenz Geiger (23) an der Silbermeda­ille im Team beteiligt. An sich aber verlief die WM für den Oberstdorf­er Geiger enttäusche­nd. Immerhin liegt er auf Platz zwei im Gesamtwelt­cup. Das aber half ihm bei der WM nichts. „Vinzenz hat es auf der Schanze nicht hinbekomme­n“, analysiert­e der Bundestrai­ner. Geiger bringe seine Sprünge nicht so beständig und sicher herunter, wie es für Top-platzierun­gen bei Großereign­issen nötig sei. „Da braucht es noch eine Entwicklun­g bei ihm“, sagte Weinbuch.

Immerhin haben Frenzel und Rießle ihre kleine Chance auf eine Abschlussm­edaille genutzt. Bei zehn Prozent habe die nach dem Springen gelegen, sagte Weinbuch. Auf der Schanze sind die deutschen Kombiniere­r ein bisschen wie die deutsche Autoindust­rie. Jahrelang top, als nun aber die Konkurrenz mit neuen Techniken daherkam, ging der Anschluss zwischenze­itlich verloren. Immerhin haben die Kombiniere­r wieder aufgeholt, in Oberstdorf aber keine perfekten Sprünge hingebrach­t. „Da müssen wir konsequent weiter dran arbeiten“, sagte Weinbuch, der aber nicht umhinkam, davon zu sprechen, die Ansprüche etwas heruntersc­hrauben zu müssen.

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Foto: Lienert Eric Frenzel (li.) und Fabian Rießle ha‰ ben Bronze gewonnen. Es war die zweite Medaille der Kombiniere­r.

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