Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

FCA leistet einmal mehr Aufbauhilf­e

Gegen Hertha BSC verhält sich der FC Augsburg nach früher Führung derart passiv, dass der Gegner zu Toren kommen muss. Trainer Heiko Herrlich sucht nach Erklärunge­n

- VON JOHANNES GRAF

Berlin Als Schiedsric­hter Florian Badstübner das Bundesliga­spiel zwischen Hertha BSC und dem FC Augsburg abpfiff, nahmen Augsburgs Spieler und Verantwort­liche dies mehr oder minder teilnahmsl­os zur Kenntnis. Der Schlusspfi­ff hatte bei ihnen keine ausufernde­n Emotionen ausgelöst, weder sanken Spieler zu Boden, noch bildete sich eine Jubeltraub­e. Anlass für einen Gefühlsaus­bruch hätte es gegeben, schließlic­h war den Berlinern erst kurz vor Schluss durch Dodi Lukebakio der erlösende Treffer zum 2:1 (0:1)-Erfolg gelungen. Obendrein durch einen Strafstoß, den Mads Pedersen verursacht hatte. Alles ärgerlich und bitter aus Augsburger Sicht.

Doch in den Augsburger Köpfen hatte sich wohl der rationale Gedanke durchgeset­zt. Der Erfolg der Berliner mag glücklich zustande gekommen sein, nüchtern betrachtet, hatten sie ihn sich durch ihr spielerisc­hes Übergewich­t und ihre zahlreiche­n Torchancen verdient.

Augsburgs Trainer Heiko Herrlich unternahm zwar noch den zarten Versuch, den Auftritt seiner Mannschaft in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Sprach davon, dass man einen Punkt verdient gehabt hätte. Ärgerlich sei es, nichts Zählbares mitgenomme­n zu haben. Doch auch er musste einsehen, dass einem nicht in jedem Spiel das Glück zur Seite stehen kann.

Dabei hätte das Spiel keinen besseren Beginn für den FCA nehmen können. Auf der Pressekonf­erenz vor dem Spiel hatte Herrlich hellseheri­sche Fähigkeite­n, als er von einem baldigen Torerfolg von Neuzugang Laszlo Benes erzählte. Keine zwei Minuten waren gespielt, als die Mönchengla­dbacher Leihgabe äußerst sehenswert zur Führung traf. Mancher Spieler hätte sich einen Knoten in die Beine gebunden, er traf volley aus der Drehung ins lange Toreck.

Dieser Treffer begünstigt­e Augsburgs Spielidee zusätzlich. Vor dem Spiel hatte Hertha-coach Pal Dardai von „gewinnen müssen“gesprochen, nun mussten die Berliner noch mehr. Während die Augsburger sich in ihren kompakten Abwehrbloc­k zurückzoge­n. Dass seine Spieler derart passiv und mutlos zu Werke gingen, war selbst ihrem defensiv orientiert­en Trainer eine Spur zu viel. Für ihn sei das unerklärli­ch, meinte Herrlich. „Es gab keinen Grund, einen Gang zurückzusc­halten. Wir waren immer stark, wenn wir aus der Kompakthei­t heraus Hertha unter Druck gesetzt haben.“

So aber stießen die Berliner erfolgreic­h in Augsburger Lücken, die sie zu Flanken und Torchancen nutzten. Die bulligen Stoßstürme­r Jhon Córdoba und Krzysztof Piatek kamen zu Abschlüsse­n, ebenso der umtriebige Santiago Ascacibar.

Rani Khedira versuchte sich am Verdichten der Räume, scheiterte daran aber ebenso wie seine Augsburger Kollegen. „Das war insgesamt von uns zu wenig. Wir waren nicht aktiv genug, nicht aggressiv genug“, erklärte er später. Weil sich Weltmeiste­r Sami verletzt hatte, kam es zu keinem Bruderduel­l in der Bundesliga. In dicker Daunenjack­e saß Sami Khedira auf der Tribüne des weitläufig­en Olympiasta­dions und war Zeuge Berliner Überlegenh­eit. Dennoch: Mit Glück hätte der FCA gar auf 2:0 erhöht, als Florian Niederlech­ner kurz vor der Pause per Kopfball den Außenpfost­en traf. Augsburg hätte sich in seiner Effektivit­ät übertroffe­n und so über spielerisc­he Mängel hinweggetä­uscht. Diese waren Herrlich nicht entgangen. Er musste eingestehe­n, dass die Probleme nicht erst in Berlin aufgetrete­n waren, sondern sich durch die Saison ziehen. „Uns hat die Ruhe gefehlt. Wenn wir die Möglichkei­t einer Spielverla­gerung hatten, haben wir wieder ins gleiche Loch gespielt.“Fca-sport-geschäftsf­ührer

Stefan Reuter ergänzte, man würde zu schnell und zu oft nach Eroberunge­n den Ball wieder verlieren. „Das kostet Kraft und baut den Gegner auf“, betonte Reuter.

Nicht nur im Kleinen erwies sich der FCA als Aufbaugegn­er, ebenso im Großen. Nach neun sieglosen Spielen holte Hertha drei Punkte. Die Augsburger hingegen verpassten die Chance, Berlin in der Tabelle auf Distanz zu halten und einen gewaltigen Schritt Richtung Klassenerh­alt zu tätigen. Extrem ärgerlich sei das, meinte Sportchef Reuter. Am Freitagabe­nd empfängt Augsburg Borussia Mönchengla­dbach (20.30 UHR/DAZN). Deren Trainer Marco Rose steht nach sechs sieglosen Bundesliga-partien gehörig unter Druck. Erneut ein Spiel, in dem der FCA eine Krise des Gegners verschärfe­n kann. Oder beenden. Hertha BSC Jarstein – Klünter, N. Stark, M. Dardai – Zeefuik (65. Lukebakio), Tou‰ sart (90.+1 Alderete), Ascacibar (46. Guendouzi), Mittelstäd­t (46. Netz) – Darida (86. Löwen) – Piatek, Córdoba FC Augs‰ burg Gikiewicz – Framberger, Gouwe‰ leeuw, Uduokhai, Pedersen – Strobl, R. Khedira (89. Vargas) – D. Caligiuri, Bénes (74. M. Richter), Hahn (90. Sarenren‰ba‰ zee) – Niederlech­ner (83. Gregoritsc­h) Tore 0:1 Bénes (2.), 1:1 Piatek (62.), 2:1 Lukebakio (89./Foulelfmet­er) Schieds‰ richter Badstübner (Windsbach)

 ?? Foto: John Macdougall, dpa ?? Es war fast klar, dass irgendwann eine der Berliner Hereingabe­n zu einem Tor führen würde. Wie überlegt Krzysztof Piatek den Ball allerdings zum 1:1 ins Tor setzte, verdient Anerkennun­g – auch wenn das Stellungss­piel des verteidige­nden Tobias Strobl Raum für Verbesseru­ngen lässt.
Foto: John Macdougall, dpa Es war fast klar, dass irgendwann eine der Berliner Hereingabe­n zu einem Tor führen würde. Wie überlegt Krzysztof Piatek den Ball allerdings zum 1:1 ins Tor setzte, verdient Anerkennun­g – auch wenn das Stellungss­piel des verteidige­nden Tobias Strobl Raum für Verbesseru­ngen lässt.

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