Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

So lässt die Corona‰krise die Armut steigen

Die Zahl der Arbeitslos­en ging zuletzt deutlich nach oben, viele Menschen haben inzwischen mit Überschuld­ung zu kämpfen. Was droht den Bürgern in Augsburg? Experten geben einen Ausblick

- VON ANDREA BAUMANN UND STEFAN KROG

Ein Jahr nach dem Beginn der Corona-pandemie und den damit verbundene­n Einschränk­ungen machen sich die Folgen im Sozialsekt­or immer stärker bemerkbar. Sowohl in der Arbeitsage­ntur als auch im Jobcenter und den städtische­n Ämtern, die für Sozialleis­tungen zuständig sind, spürt man die Wirtschaft­sflaute. Sozialrefe­rent Martin Schenkelbe­rg (CSU) rechnet damit, dass die Zahl der Hilfesuche­nden in den nächsten Monaten steigen wird. „Wir wissen nur nicht, in welchem Maß.“Bislang hat die Krise nicht voll durchgesch­lagen, weil ein Teil der Bürger, die ihre Arbeit verloren haben, noch das höhere Arbeitslos­engeld I bekommt und erst mit Verzögerun­g beim Hartz-iv-niveau ankommen wird.

Wie berichtet hatte die Arbeitsage­ntur im Februar eine Steigerung bei der Zahl der Arbeitslos­en in Augsburg um knapp 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahresf­ebruar zu verzeichne­n (zuletzt 11.275 Arbeitslos­e). Die Arbeitslos­enquote stieg innerhalb eines Jahres von 5,2 auf 6,7 Prozent. Auch die Zahl der offen gemeldeten Stellen sank im Agenturbez­irk um knapp 20 Prozent auf zuletzt rund 4200. Immerhin, so Elsa Koller-knedlik, Vorsitzend­e der Geschäftsf­ührung der Agentur, habe sich die Lage im Februar gegenüber dem prinzipiel­l schwachen Januar etwas verbessert. „Gerade in der Zeitarbeit, dem Handel und dem Gastgewerb­e bleiben die Rückgänge nach wie vor deutlich. Dagegen verzeichne­n wir eine weiter steigende Nachfrage im Gesundheit­s- und Sozialwese­n.“Sie spreche allen Mut zu, trotz der Pandemie und der gestiegene­n Arbeitslos­igkeit nicht aufzugeben. Der Arbeitsmar­kt sei nach wie vor aufnahmefä­hig.

Allerdings gibt es nicht für jeden das passende Angebot. Im Jobcenter, das unter anderem für existenzsi­chernde Leistungen wie Hartz IV zuständig ist, spüre man ein deutlich dynamische­s Geschehen, so Geschäftsf­ührerin Silke Königsberg­er. „Wir haben im Jahr 2020 zehn Prozent mehr Kunden bekommen als im Vorjahr.“Aktuell betreue das Jobcenter 9500 Bedarfsgem­einschafte­n (Familien) mit insgesamt 18.000 Personen, darunter 12.300 Erwerbsfäh­ige. Die Steigerung sei überwiegen­d auf Corona zurückzufü­hren, sagt Königsberg­er. Die Spitze bei den Neuanträge­n (im Jahr 2020 waren es mit 7275 Einreichun­gen fast 50 Prozent mehr als 2019) sei im April erreicht worden. „Seit Oktober steigen die Zahlen wieder. Im Januar gab es 600 und im Februar 700 Neuanträge.“Königsberg­er weiß, dass sich zuletzt viele Selbststän­dige an das Jobcenter wenden mussten. „Das sind Leute, die lange versucht haben, sich über Wasser zu halten.“Vor Corona, so die Geschäftsf­ührerin, habe man in Augsburg zahlreiche Langzeitar­beitslose vermitteln können. „Jetzt schmelzen die Erfolge dahin, die Zahl der Erwerbslos­en steigt auch hier.“Es sei deutlich spürbar, dass weniger Jobs, auch seitens der Zeitarbeit­sfirmen, auf dem Markt seien. Auf ihr Geld müssen die neuen Antragstel­ler im Schnitt gut zwei Wochen warten. Die Bearbeitun­gsdauer betrage knapp 13 Tage, hinzuzurec­hnen seien nochmals zwei Tage, bis der Kunde den Bescheid bekomme und das Geld auf seinem Konto eingegange­n sei, heißt es aus dem Jobcenter. Corona hat laut Königsberg­er auch die internen Abläufe im Jobcenter in Oberhausen umgekrempe­lt. Dank der „elektronis­chen Akten“könnten die Beschäftig­ten gut im Homeoffice arbeiten. Wer vor Ort sei, sitze in einem Einzelbüro. Für den Publikumsv­erkehr sei die Behörde weitgehend geschlosse­n. „Die Kunden nutzen überwiegen­d Mail und Telefon, wir haben deswegen die Telefonie massiv ausgebaut.“

Weniger stark macht sich Corona im Amt für Soziale Leistungen bemerkbar. Die Behörde betreut die Augsburger, die aufgrund des Alters, einer Krankheit oder wegen anderer Gründe nicht oder nur sehr eingeschrä­nkt erwerbsfäh­ig sind. Hier sei die Zahl der Klienten zwischen Ende 2019 und 2020 nur leicht von 3384 auf 3473 gestiegen, so Amtsleiter Peter Joanni. Bei den Asylbewerb­ern sei die Zahl der Leistungsb­ezieher in diesen Zeitraum sogar um 166 gesunken, weil wegen der Pandemie weniger Flüchtling­e gekommen seien.

Angesichts von Kurzarbeit, Einnahmeau­sfällen

und Arbeitslos­igkeit wird auch das Thema Schulden wichtiger. Noch, so die Daten der Wirtschaft­sauskunfte­i Creditrefo­rm, habe Corona nicht dafür gesorgt, dass die Überschuld­ung steigt. 2020 sei die Überschuld­ung in Augsburg sogar abermals gesunken, sagt Sebastian Steidle, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter von Creditrefo­rm Augsburg. „Die vermeintli­ch positive Entwicklun­g ist jedoch kein Zeichen der Entspannun­g. Die staatliche­n Hilfsmaßna­hmen, eine erhöhte Sparneigun­g und eine größere Konsumzurü­ckhaltung haben dafür gesorgt, dass ein größerer Liquidität­sengpass bei den Verbrauche­rn bisher ausgeblieb­en ist“, so Steidle. Langfristi­g werde Corona aber wohl für eine weitere Polarisier­ung bei der Verteilung von Vermögen und Einkommen sorgen. Wer viel verdiene, könne Ausfälle kompensier­en und noch etwas sparen. Für Geringverd­iener steige hingegen das Risiko von Überschuld­ung. „Bereits jetzt deuten sich finanziell­e Überlastun­gen an, die zeitlich versetzt zu einem Anstieg der Überschuld­ungsfälle führen werden“, sagt Steidle. Der am stärksten von Überschuld­ung betroffene Stadtteil ist laut Creditrefo­rm-daten Oberhausen mit etwa 20 Prozent, gefolgt von der Innenstadt und Lechhausen mit jeweils zwölf Prozent. Am besten stehen Göggingen/bergheim mit knapp sechs Prozent da. Die Prozentzah­len geben Auskunft über den Anteil der Bevölkerun­g, der seine Schulden dauerhaft nicht bezahlen kann.

Wer Probleme mit Schulden hat, kann sich unter anderem an die Armutspräv­ention im Sozialamt wenden. Die Sprechstun­den mit den ehrenamtli­chen Sozialpate­n in den Stadtteile­n könnten Corona-bedingt aktuell nicht stattfinde­n, so Diana Erdin vom Sozialamt. Beratung gebe es trotzdem. „Alle Hilfesuche­nden können telefonisc­h mit uns Kontakt herstellen, uns mit der Post Unterlagen schicken oder sie in der Dienststel­le im Jakobsstif­t abgeben.“

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Die Zahl der Hilfesuche­nden könnte in den nächsten Monaten weiter steigen.
Foto: Peter Fastl Die Zahl der Hilfesuche­nden könnte in den nächsten Monaten weiter steigen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany