Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
So lässt die Coronakrise die Armut steigen
Die Zahl der Arbeitslosen ging zuletzt deutlich nach oben, viele Menschen haben inzwischen mit Überschuldung zu kämpfen. Was droht den Bürgern in Augsburg? Experten geben einen Ausblick
Ein Jahr nach dem Beginn der Corona-pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen machen sich die Folgen im Sozialsektor immer stärker bemerkbar. Sowohl in der Arbeitsagentur als auch im Jobcenter und den städtischen Ämtern, die für Sozialleistungen zuständig sind, spürt man die Wirtschaftsflaute. Sozialreferent Martin Schenkelberg (CSU) rechnet damit, dass die Zahl der Hilfesuchenden in den nächsten Monaten steigen wird. „Wir wissen nur nicht, in welchem Maß.“Bislang hat die Krise nicht voll durchgeschlagen, weil ein Teil der Bürger, die ihre Arbeit verloren haben, noch das höhere Arbeitslosengeld I bekommt und erst mit Verzögerung beim Hartz-iv-niveau ankommen wird.
Wie berichtet hatte die Arbeitsagentur im Februar eine Steigerung bei der Zahl der Arbeitslosen in Augsburg um knapp 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahresfebruar zu verzeichnen (zuletzt 11.275 Arbeitslose). Die Arbeitslosenquote stieg innerhalb eines Jahres von 5,2 auf 6,7 Prozent. Auch die Zahl der offen gemeldeten Stellen sank im Agenturbezirk um knapp 20 Prozent auf zuletzt rund 4200. Immerhin, so Elsa Koller-knedlik, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur, habe sich die Lage im Februar gegenüber dem prinzipiell schwachen Januar etwas verbessert. „Gerade in der Zeitarbeit, dem Handel und dem Gastgewerbe bleiben die Rückgänge nach wie vor deutlich. Dagegen verzeichnen wir eine weiter steigende Nachfrage im Gesundheits- und Sozialwesen.“Sie spreche allen Mut zu, trotz der Pandemie und der gestiegenen Arbeitslosigkeit nicht aufzugeben. Der Arbeitsmarkt sei nach wie vor aufnahmefähig.
Allerdings gibt es nicht für jeden das passende Angebot. Im Jobcenter, das unter anderem für existenzsichernde Leistungen wie Hartz IV zuständig ist, spüre man ein deutlich dynamisches Geschehen, so Geschäftsführerin Silke Königsberger. „Wir haben im Jahr 2020 zehn Prozent mehr Kunden bekommen als im Vorjahr.“Aktuell betreue das Jobcenter 9500 Bedarfsgemeinschaften (Familien) mit insgesamt 18.000 Personen, darunter 12.300 Erwerbsfähige. Die Steigerung sei überwiegend auf Corona zurückzuführen, sagt Königsberger. Die Spitze bei den Neuanträgen (im Jahr 2020 waren es mit 7275 Einreichungen fast 50 Prozent mehr als 2019) sei im April erreicht worden. „Seit Oktober steigen die Zahlen wieder. Im Januar gab es 600 und im Februar 700 Neuanträge.“Königsberger weiß, dass sich zuletzt viele Selbstständige an das Jobcenter wenden mussten. „Das sind Leute, die lange versucht haben, sich über Wasser zu halten.“Vor Corona, so die Geschäftsführerin, habe man in Augsburg zahlreiche Langzeitarbeitslose vermitteln können. „Jetzt schmelzen die Erfolge dahin, die Zahl der Erwerbslosen steigt auch hier.“Es sei deutlich spürbar, dass weniger Jobs, auch seitens der Zeitarbeitsfirmen, auf dem Markt seien. Auf ihr Geld müssen die neuen Antragsteller im Schnitt gut zwei Wochen warten. Die Bearbeitungsdauer betrage knapp 13 Tage, hinzuzurechnen seien nochmals zwei Tage, bis der Kunde den Bescheid bekomme und das Geld auf seinem Konto eingegangen sei, heißt es aus dem Jobcenter. Corona hat laut Königsberger auch die internen Abläufe im Jobcenter in Oberhausen umgekrempelt. Dank der „elektronischen Akten“könnten die Beschäftigten gut im Homeoffice arbeiten. Wer vor Ort sei, sitze in einem Einzelbüro. Für den Publikumsverkehr sei die Behörde weitgehend geschlossen. „Die Kunden nutzen überwiegend Mail und Telefon, wir haben deswegen die Telefonie massiv ausgebaut.“
Weniger stark macht sich Corona im Amt für Soziale Leistungen bemerkbar. Die Behörde betreut die Augsburger, die aufgrund des Alters, einer Krankheit oder wegen anderer Gründe nicht oder nur sehr eingeschränkt erwerbsfähig sind. Hier sei die Zahl der Klienten zwischen Ende 2019 und 2020 nur leicht von 3384 auf 3473 gestiegen, so Amtsleiter Peter Joanni. Bei den Asylbewerbern sei die Zahl der Leistungsbezieher in diesen Zeitraum sogar um 166 gesunken, weil wegen der Pandemie weniger Flüchtlinge gekommen seien.
Angesichts von Kurzarbeit, Einnahmeausfällen
und Arbeitslosigkeit wird auch das Thema Schulden wichtiger. Noch, so die Daten der Wirtschaftsauskunftei Creditreform, habe Corona nicht dafür gesorgt, dass die Überschuldung steigt. 2020 sei die Überschuldung in Augsburg sogar abermals gesunken, sagt Sebastian Steidle, geschäftsführender Gesellschafter von Creditreform Augsburg. „Die vermeintlich positive Entwicklung ist jedoch kein Zeichen der Entspannung. Die staatlichen Hilfsmaßnahmen, eine erhöhte Sparneigung und eine größere Konsumzurückhaltung haben dafür gesorgt, dass ein größerer Liquiditätsengpass bei den Verbrauchern bisher ausgeblieben ist“, so Steidle. Langfristig werde Corona aber wohl für eine weitere Polarisierung bei der Verteilung von Vermögen und Einkommen sorgen. Wer viel verdiene, könne Ausfälle kompensieren und noch etwas sparen. Für Geringverdiener steige hingegen das Risiko von Überschuldung. „Bereits jetzt deuten sich finanzielle Überlastungen an, die zeitlich versetzt zu einem Anstieg der Überschuldungsfälle führen werden“, sagt Steidle. Der am stärksten von Überschuldung betroffene Stadtteil ist laut Creditreform-daten Oberhausen mit etwa 20 Prozent, gefolgt von der Innenstadt und Lechhausen mit jeweils zwölf Prozent. Am besten stehen Göggingen/bergheim mit knapp sechs Prozent da. Die Prozentzahlen geben Auskunft über den Anteil der Bevölkerung, der seine Schulden dauerhaft nicht bezahlen kann.
Wer Probleme mit Schulden hat, kann sich unter anderem an die Armutsprävention im Sozialamt wenden. Die Sprechstunden mit den ehrenamtlichen Sozialpaten in den Stadtteilen könnten Corona-bedingt aktuell nicht stattfinden, so Diana Erdin vom Sozialamt. Beratung gebe es trotzdem. „Alle Hilfesuchenden können telefonisch mit uns Kontakt herstellen, uns mit der Post Unterlagen schicken oder sie in der Dienststelle im Jakobsstift abgeben.“