Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Nerven liegen blank

Der neue Impfstoff wird erst mit Verzögerun­g in die EU geliefert

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Über die gute Nachricht aus Amsterdam konnte sich Brüssel an diesem Donnerstag nur bedingt freuen: Die Europäisch­e Medizinage­ntur (EMA) empfahl die Zulassung des vierten Vakzins für den europäisch­en Markt. Es handelt sich um den Vektorimpf­stoff mit dem offizielle­n Namen „Covid-19-impfstoff Janssen“des Us-hersteller­s Johnson & Johnson.

Doch das Vakzin hat bisher einen großen Nachteil: Auch nach der Zulassung wird die EU noch wochenlang auf die ersten der bestellten 200 Millionen Dosen (36,7 Millionen sind für Deutschlan­d bestimmt) warten. Nach Astrazenec­a ist Johnson & Johnson also der zweite Hersteller, der bis zur Vorwoche nicht verbindlic­h mitteilen konnte, ab wann er die ersten Chargen nach Europa ausliefert. Die Warnung, so hieß es von dem Unternehme­n, sei „eine Vorsichtsm­aßnahme“und bedeute nicht, dass die Ziele in jedem Fall verfehlt würden. Viel hängt davon ab, ob die Us-regierung des neuen Präsidente­n Joe Biden mitspielt. Denn das Vakzin wird zwar unter anderem von der Johnsontoc­hter Janssen im niederländ­ischen Leiden hergestell­t, aber in den Vereinigte­n Staaten abgefüllt. Die USA verhindern die Ausfuhr fertiger Impfstoffe aber derzeit noch mit einem Exportbann, den der frühere Präsident Donald Trump erlassen hat. Das soll langfristi­g besser werden: Offenbar gibt es Verhandlun­gen

mit dem französisc­hen Sanofikonz­ern, der das Vakzin von Johnson & Johnson produziere­n will.

In Brüssel liegen angesichts der schleppend­en Lieferunge­n die Nerven blank. Eu-ratspräsid­ent Charles Michel hielt neben den USA auch Großbritan­nien vor, keine Impfstoffe zu exportiere­n. Daraufhin sah sich Premier Boris Johnson veranlasst, die Unterstell­ung, London habe ein Ausfuhrver­bot erlassen, zurückzuwe­isen. Tatsächlic­h hat die Regierung des Vereinigte­n Königreich­es keinen formellen Exportbann erlassen. Dennoch konterte Michel: „Wir wissen – und ich weiß es, weil ich Politiker bin –, dass es verschiede­ne Möglichkei­ten gibt, ein Verbot oder Einschränk­ungen zu verhängen.“Er habe die Regierung von Johnson gefragt, wie viele Vakzin-dosen sie bisher an andere Länder geliefert habe – und warte noch immer auf die Antwort.

Es ist nicht der einzige Kampf, der geführt wird: Auch der Hersteller Astrazenec­a steckt erneut in Schwierigk­eiten. Nach einem Todesfall in Österreich und Nebenwirku­ngen mit Blutgerinn­seln in Dänemark haben beide Regierunge­n die Impfung mit dem Vakzin von Astrazenec­a für zwei Wochen ausgesetzt. Deutschlan­d hält weiterhin an den Impfungen mit dem Vakzin fest.

Immerhin bemühten sich dafür andere, gute Nachrichte­n zu liefern: Das Gespann Biontech/pfizer kündigte an, in den kommenden zwei Wochen vier Millionen Dosen zusätzlich an die EU zu liefern.

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