Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Schwarz-grün ist kein Selbstläufer mehr
Die Wahlen in Baden-württemberg und Rheinland-pfalz müssen vor allem dem neuen CDU-CHEF Laschet zu denken geben. Führt er zu wenig?
So gerne sie dazu auch umgedeutet werden: Landtagswahlen sind keine kleinen Bundestagswahlen – und in Baden-württemberg und Rheinland-pfalz schon gar nicht. Die Grünen mit großem Abstand stärkste Partei im Südwesten, die SPD an Rhein und Mosel unangefochten die bestimmende Kraft: Es müsste schon mit dem berühmten Teufel zugehen, wenn Robert Habeck, Annalena Baerbock oder Olaf Scholz im September auch nur in die Nähe solcher Ergebnisse kämen. Zu speziell sind die Verhältnisse in beiden Ländern, als dass sich darauf eine seriöse Hochrechnung für die Bundestagswahl gründen ließe. Stuttgart ist nicht Berlin und Malu Dreyer in Mainz so ziemlich das Gegenteil des Spdkanzlerkandidaten: nahbar, emphatisch, authentisch.
Am nervösesten allerdings dürfte nach diesem Wahlabend der neue CDU-CHEF Armin Laschet sein. Um Kanzler zu werden, braucht er eine starke Union – die aber hat den Start in das Superwahljahr gründlich verpatzt. Chancenlos in Badenwürttemberg, auf den letzten Metern weit zurückgefallen in Rheinland-pfalz, hier wie dort zwei historische Niederlagen: Mit den mäßigen Popularitätswerten ihrer Spitzenkandidaten alleine lässt sich das nicht erklären. Wie ein Schatten liegen die Masken- und Lobby-affäre, der Richtungsstreit zwischen dem Merz- und dem Laschet-lager und der Verdruss über den Umgang der von ihr angeführten Bundesregierung mit der Pandemie über der Union. Diesem Sog nach unten hat Laschet bisher wenig entgegenzusetzen. Er leidet, so scheint es, still mit – bei Umfragewerten, die auf Bundesebene bereits näher an den 30 als an den 40 Prozent liegen, eine riskante Strategie.
Der Führungsanspruch der Union in Deutschland, das zumindest zeigt der erste Wahlsonntag des Jahres, ist nicht mehr in Stein gemeißelt. Ihn zu verteidigen verlangt mehr als die stereotypen Durchhalteparolen einer Angela Merkel, eines Jens Spahn oder eines Peter Altmaier. In Mainz regiert schon seit fünf Jahren ein Dreierbündnis aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen, in Baden-württemberg könnte sich nun eine ähnliche Allianz anbahnen. Mehrheiten gegen die Union sind damit auch ohne Zuhilfenahme der Linkspartei möglich – sofern die FDP mitspielt.
In den Ländern tun die Liberalen sich damit leichter, zumal mit der umgänglichen Dreyer oder dem Pragmatiker Kretschmann als Partner. Aber auch im Bund ist eine Ampelkoalition inzwischen eine strategische Option – Grüne und Sozialdemokraten jedenfalls werden im Falle eines Falles eine Menge auf den Tisch legen, um die Liberalen in ein Regierungsboot zu holen. Ob das auch gelänge? Ungewiss. Laschet aber muss schon die schiere Möglichkeit eines bunten Dreiers zu denken geben. Schwarz-grün mit ihm als Kanzler ist nach diesem Wahlabend jedenfalls nicht wahrscheinlicher geworden.
Entschieden, so viel ist sicher, wird die Bundestagswahl nicht von den visionärsten Programmen oder den telegensten Kandidaten. Nach einem Jahr in der Pandemie wollen Millionen Menschen nichts mehr als zurück zur Normalität. In Baden-württemberg und Rheinland-pfalz war das vielleicht noch nicht wahlentscheidend – jeder Monat jedoch, den der Ausnahmezustand andauert, entwertet den alten Slogan der Union von einem Deutschland, in dem es sich gut und gerne leben lässt, weiter. Laschet, der so gerne Kanzler werden würde, kann sich nicht mehr auf die Rolle des Wartenden zurückziehen, der ab und an ein mahnendes Wort aus Düsseldorf nach Berlin schickt. Er muss die größte Regierungspartei jetzt auch führen – und zwar mit einem klaren Ziel. Die beste Wahlwerbung sind niedrige Inzidenzen und hohe Impfquoten.
Es ginge auch ohne die Linkspartei