Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die Entscheidung war falsch – nicht unsensibel
Augsburgs Stadtregierung dürfte am Wochenende bald klar geworden sein, wie „unsensibel“(Gesundheitsreferent Reiner Erben) es war, anstatt Senioren über 80, Risikopatienten oder Mitarbeiter von Pflegediensten knapp 50 Angestellte einer Steuerkanzlei gegen Corona zu impfen. Unsere Zeitung hatte kaum darüber berichtet, da hagelte es schon Beschwerden von Bürgern, die seit Wochen auf ihre Impfung warten. Die Stadtspitze fühlte sich deshalb noch am Samstagabend genötigt, eine Erklärung abzugeben.
Man kann davon ausgehen, dass um den Wortlaut gerungen wurde. Es ist ja nicht die erste Panne, die Augsburgs Stadtspitze in Sachen Corona glattbügeln muss. Referent Erben (Grüne) erklärte schließlich wortreich, dass die Impfung der Kanzlei-mitarbeiter zwar „rechtlich nicht zu beanstanden“sei, aber doch „unsensibel“war. Was noch in der Mitteilung stand, waren ausführliche, aber eben auch bekannte Erklärungen der Augsburger Impfstrategie. Doch es half nichts: Was blieb, waren offene Fragen und einmal mehr der Eindruck, dass es an der Organisation im Gesundheitsreferat hapert. Denn eine schlüssige Erklärung, warum es die Kanzlei auf die Liste der vorrangig zu impfenden Personen schaffte, die Erbens Referat ans Impfzentrum weitergab, blieb der Referent schuldig.
Der Fall trägt dazu bei, den Impfneid in der Bevölkerung zu schüren. Denn obwohl sich nur wenige Bürger für eine Impfung haben registrieren lassen, reicht der Impfstoff nicht aus, um den Bedarf zu decken. Schon deshalb wäre das Gesundheitsamt gut beraten, die Einrichtungen intensiver zu prüfen, die auf direktem Weg dringenden Bedarf anmelden, anstatt über das bundesweite Impfportal zu gehen.
Erben macht es sich auch zu einfach, wenn er die Verantwortung dem Impfteam zuschiebt. Während man dort im Fall übriger Dosen schnell entscheiden muss, bliebe im Referat Zeit für eine Prüfung. Im Fall der Kanzlei hätte dem Referat auffallen müssen, dass es anderswo dringenderen Bedarf gibt. Insofern war die Impfung der Mitarbeiter nicht unsensibel, sie war falsch.