Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Jugend forscht“startet digital durch
Der Wettbewerb lebt normalerweise vom Austausch unter Jungforschern. Doch dieses Jahr gibt es auf allen Ebenen eine Online-premiere. Dafür werden Mathelehrer zu Fernsehmoderatoren und Schüler zu Technikprofis
Augsburg So ein bisschen hat es sich für die Teilnehmer des „Jugend forscht“-regionalwettbewerbs wie ein Rollentausch angefühlt. Kai Zwiorek saß bei seiner Projektvorstellung am Lehrerpult im Chemiesaal seiner Schule, dem Berthavon-suttner-gymnasium in Neuulm. Laptop, Webcam und Beamer waren eingerichtet, im Hintergrund erschien pünktlich um 13.30 Uhr die Startfolie seiner Präsentation. Der 18-Jährige wartete auf die Besucher seiner Videopräsentation. Denn was wie die Vorbereitung einer digitalen Schulstunde aussah, war eine Station des virtuellen Projektrundgangs.
Erstmals fand der Regionalentscheid von „Jugend forscht“und „Schüler experimentieren“digital statt. Und auch die Landeswettbewerbe, für die sich die Regionalsieger qualifiziert haben, sowie das Bundesfinale von „Jugend forscht“werden dieses Jahr im Internet ausgetragen. Für den Bundesentscheid, der von 26. bis 30. Mai stattfindet, hat die Stiftung „Jugend forscht“in Hamburg kürzlich die Entscheidung gefällt: „Wir bedauern die Absage des Bundeswettbewerbs als Präsenzveranstaltung in Heilbronn“, sagt Sven Baszio, Geschäftsführender Vorstand der Stiftung. Wegen der ungewissen Entwicklung der Pandemie sei es sicherer, den Wettbewerb online fortzusetzen.
Für die Regionalsieger aus Augsburg und Umgebung bedeutet das: keine Reise zum Landeswettbewerb nach Vilsbiburg im Landkreis Landshut und für die Landessieger kein Finale in Heilbronn. Sie habe sich darauf schon eingestellt, sagt die 15-jährige Marie-christin Koppold vom Maria-ward-gymnasium Augsburg. Sie gewann beim Regionalentscheid von „Jugend forscht“den ersten Preis in der Kategorie Geo- und Raumwissenschaften mit ihrer Forschung zur Lichtverschmutzung in Augsburg.
Mit dem Sieg habe sie überhaupt nicht gerechnet, erzählt sie nach dem Regionalwettbewerb. Denn bei der Jurybewertung, die dieses Jahr digital stattfand, seien einige kritische Nachfragen gekommen und sie sei wenig gelobt worden. „Technisch hat zum Glück alles geklappt, jedoch hatte man nur fünf Minuten Zeit, um sein Projekt zu erklären“, erzählt Marie-christin. In den Vorjahren habe sie durchaus mal eine Viertelstunde mit den Juroren am Stand quatschen können. Manfred Pöller, Lehrer für Mathematik und Physik am Gymnasium bei St. Anna in Augsburg, koordinierte als Wettbewerbsleiter die digitalen Jurybewertungen. Er erklärt: „Dieses Mal kamen die Schüler für die Bewertung zu den Juroren.“In Videoräumen warteten die Juroren auf den jeweiligen Teilnehmer, der einen Termin zugeteilt bekommen hatte. Pöller fehlte dieses Jahr der persönliche Austausch, sagt er: „Die Stimmung, die sonst im Museum herrscht, kann man digital nicht rüberbringen.“
Das von Stand-zu-stand-gehen vermisste auch Marie-christin, die in den beiden Jahren zuvor an „Schüler experimentieren“teilgenommen hatte. Digital habe sie dieses Jahr keine Zeit gehabt, die anderen Projekte anzuschauen. „Da ist die Präsenzveranstaltung ganz klar besser“, sagt die Schülerin. Doch nicht nur der Projekttag, auch das Abendprogramm für die 56 Teilnehmer aus der Region Bayerisch-schwaben fiel aus. Die Veranstalter der Firma MAN Energy Solutions mussten nach neun Jahren Patenschaft den Wettbewerb grundlegend umstrukturieren. Dafür war die digitale Organisation umso aufwendiger, wie Melanie Perkl, die Veranstaltungsleiterin und Patin des Regionalwettbewerbs, berichtet. Teurer sei es jedoch nicht gewesen. Der Online-ablauf war für sie eine aufregende Premiere. Zusammen mit Wettbewerbsleiter Manfred Pöller moderierte sie die Preisverleihung – live vor einem grünen Hintergrund im Studio einer Eventfirma in Neusäß. „Wir wollten die Verleihung lebendig und interaktiv gestalten. Ich habe viele Stunden überlegt, was ich sage, und an zwei Abenden meine Moderationskarten geschrieben“, erzählt Perkl. Letztendlich schalteten etwa 100 Zuschauer zur Online-preisverleihung ein.
Sie seien beide vor der Aufnahme ziemlich nervös gewesen, berichten Pöller und Perkl: „Es war ungewohnt, vor der Kamera zu stehen. Auf der Bühne bekommt man Reaktionen vom Publikum.
Das fehlte“, erzählt Perkl. Um das auszugleichen, wurden immer wieder Jungforscher, Lehrer oder auch die Familie von Marie-christin Koppold live zugeschaltet.
Wettbewerbsleiter Pöller erkannte beim digitalen Ablauf einen Vorteil: „Die Schüler sind wegen des Unterrichts zu Hause mittlerweile Profis darin, Online-referate zu halten.“Die Erfahrung könnte sich beim Landes- und Bundeswettbewerb auszahlen.
Auch wenn der Landeswettbewerb von „Jugend forscht“ähnlich ablaufen wird wie der regionale, sei das kein Grund zum Entspannen, sagt Marie-christin. Da der Wettbewerb in Augsburg relativ spät im Vergleich zu den anderen Regionalentscheiden stattfand, sei die Vorbereitungszeit für die Gewinner kürzer. „Ich musste bis Mitte März meine Präsentation kürzen, die darf beim Landesentscheid nur noch drei Folien lang sein. Und ich soll noch etwas für den digitalen Stand hochladen“, berichtet die 15-Jährige. Im Vergleich zu den
Vorjahren habe sie deutlich mehr Arbeit. Und das Gesellige falle weg. „Wir haben allerdings eine Whatsapp-gruppe“, sagt die Jungforscherin. Mit anderen Teilnehmern des „Schüler experimentieren“-landeswettbewerbs 2020 habe sie noch immer Kontakt. „Da müssten jetzt einige auch bei ,Jugend forscht‘ dabei sein“, überlegt Marie-christin. „Wir tauschen uns ab und zu aus, wie es so läuft.“Ihr Plan für den weiteren Wettbewerb: „Keine großen Hoffnungen machen. Wir werden sehen.“Mit dieser Einstellung ist sie ja schon im Regionalentscheid ziemlich weit gekommen.
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Ablauf Bei „Jugend forscht“treten die Jungforscher in zwei Altersgruppen in sie ben Kategorien an. Bis zu 14Jährige neh men an „Schüler experimentieren“, die 15 bis 21Jährigen an „Jugend forscht“teil. Die Regionalsieger qualifizieren sich für die Landesebene. Beim Bundesfinale starten die besten Nachwuchsforscher Deutschlands. Die Alterssparte „Schüler experimentieren“endet auf Landesebene.