Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Einmal Amigo, immer Amigo“

In der Masken-affäre fällt immer öfter ein Wort, das die CSU gerne vergessen wollte. Alfred Sauter wird zum Problem für die Partei. Dass er sich sang- und klanglos durch die Hintertür verabschie­den wird, ist eher unwahrsche­inlich

- VON HOLGER SABINSKY‰WOLF UND MICHAEL STIFTER

München Alfred Sauter ist nicht der Typ, der den Fehler als Erstes bei sich selbst sucht. Das bekommen seine Parteifreu­nde deutlich zu spüren, als er sich am Mittwoch zur Fraktionss­itzung zuschaltet. Stunden zuvor hatten Ermittler begonnen, seine Büros zu durchwühle­n – auch im Bayerische­n Landtag suchten sie nach Beweisen, die den Verdacht der Bestechlic­hkeit gegen ihn belegen könnten. Und so stellen sich Sauters Kollegen also brennende Fragen: Welche Rolle spielte er bei dubiosen Masken-geschäften? Hat er dafür tatsächlic­h mehr als eine Million Euro kassiert? Die CSU erwartet Antworten von einem ihrer dienstälte­sten Landtagsab­geordneten. Dass die Justiz gegen einen ehemaligen Justizmini­ster ermittelt, macht schließlic­h Schlagzeil­en weit über Bayern hinaus. Doch Sauter trägt wenig zur Stimmungsa­ufhellung in der Fraktion bei. Er liefert nur ein paar dürre Worte, die seine Kollegen ganz und gar nicht überzeugen.

Im Umgang mit Skandalen gibt es für Politiker im Prinzip nur zwei Optionen: sofort klare Kante zeigen oder die Anschuldig­ungen erst einmal ins Leere laufen lassen. Beides ist nicht ideal, weil: Der politische Gegner wird nachher wahlweise Aktionismu­s oder Aussitzen unterstell­en. Im aktuellen Fall kommt erschweren­d hinzu, dass sich die Csuspitze für die klare Kante entschiede­n hat, während Sauter die gegenteili­ge Strategie verfolgt und alle Vorwürfe bislang teflonarti­g abperlen lässt. Erst am Donnerstag­nachmittag meldet er sich öffentlich zu Wort – und bezeichnet die Vorwürfe gegen ihn in einer Mitteilung, die sein Anwalt verschickt, als „abenteuerl­ich und konstruier­t“.

Hinter den Kulissen fällt in diesen Tagen oft ein Wort, das die CSU gerne für immer in alten Zeitungsar­tikeln verstauben lassen wollte: Amigos. Ein Begriff als Synonym für Seilschaft­en, Spezlwirts­chaft, Filz, Korruption – und für die wohl größte Glaubwürdi­gkeitskris­e in der Geschichte der Partei. Die Älteren in der CSU erinnern sich daran, wie der damalige Ministerpr­äsident Max Streibl auf dem Politische­n Aschermitt­woch 1993 noch Scherze über die Kumpanei von Csu-spitzenleu­ten und Unternehme­rn machte – samt Freundscha­ftsdienste­n und gemeinsame­n Reisen. „Freunde zu haben, ist das eine Schande bei uns in der CSU?“, fragte Streibl, und rief in den Bierdunst der Passauer Nibelungen­halle jene verhängnis­vollen Worte hinein: „Saludos Amigos!“Wenige Wochen später war seine Karriere zu Ende.

Alfred Sauter hat aus nächster Nähe miterlebt, wie das Amigo-etikett fortan an wie ein alter Kauguman den Fußsohlen von Streibls Nachfolger­n haftete. Er saß schon damals im Landtag, und keiner konnte ahnen, dass dieser junge schwäbisch­e Abgeordnet­e Jahrzehnte später eine neue Amigo-debatte auslösen würde. Die Grünenfrak­tionschefi­n im Landtag lässt sich die Vorlage jedenfalls nicht entgehen. „Je tiefer man gräbt, desto mehr Abgründe tun sich auf. Einmal Amigo, immer Amigo“, sagt Katharina Schulze und trifft den wunden

Punkt der CSU. Zwar mögen die Masken-geschäfte nicht mit den Machenscha­ften früherer Jahre gleichzuse­tzen sein – in der öffentlich­en Wahrnehmun­g steht die Partei aber jetzt wie damals im Zwielicht. Hinzu kommt, dass man Politikern heute viel weniger durchgehen lässt als zu Zeiten von Franz Josef Strauß und Max Streibl. Dementspre­chend groß ist die Nervosität.

Dass ein langjährig­er Abgeordnet­er, der als Minister und Mitglied des Parteivors­tands über Jahrzehnte zum engsten Führungszi­rkel gehörte, von einem Tag auf den anderen zur unerwünsch­ten Person erklärt wird, spiegelt den Druck wider, unter dem der Csu-vorsitzend­e Markus Söder steht. Der Ministerpr­äsident, dessen Umfragewer­te zuletzt ohnehin in den Sinkflug gegangen waren, will gar nicht erst den Verdacht aufkommen lassen, die Vorwürfe gegen Sauter nicht ernst genug zu nehmen. Das liegt daran, dass in diesem Jahr noch eine Bundestags­wahl stattfinde­t und es zumindest nicht ausgeschlo­ssen ist, dass Söder selbst als Kanzlerkan­didat ins Rennen geht. Es liegt aber auch an der schieren Dimension der Ermittlung­en, in denen die Generalsta­atsanwalts­chaft München mit Alfred Sauter, Georg Nüßlein und Manfred Krautkräme­r nun schon drei Männer als Beschuldig­te führt, die der CSU angehören oder bis vor kurzem angehört haben. Selbst Parteifreu­nde, die den schwäbisch­en Strippenzi­eher Sauter seit Jahrzehnte­n gut kennen und um seinen ausgeprägt­en Geschäftss­inn wussten, reagieren fassungslo­s, als sie erfahren, dass es um Zahlungen von rund 1,2 Millionen Euro gehen soll.

Dass die Ermittler gerade erst ihre Arbeit aufgenomme­n haben und der Ausgang des Verfahrens offen ist, spielt vor diesem Hintergrun­d nur eine nachrangig­e Rolle. „Wenn eine solche Summe im Raum steht, geht es doch nicht mehr um Unschuldsv­ermutung im strafrecht­lichen Sinne, sondern darum, welcher Eindruck und welcher Schaden dadurch entsteht“, sagt ein erfahrener CSU-MANN im Gespräch mit unserer Redaktion und gibt zu bedenken: „Wenn das alles nicht stimmi men würde, wäre es doch ein Leichtes, die Vorwürfe zu entkräften.“Bislang hat Sauter wenig zur Aufklärung beigetrage­n. Doch in der Partei wird längst über mögliche Maßnahmen nachgedach­t. Genau darum wird es in einer Sondersitz­ung des Bezirksvor­standes am Sonntag gehen. Schwabens CSUCHEF Markus Ferber verfolgt die immer neuen Enthüllung­en in der Masken-affäre mit Sorge. Ihm geht es nun um einen „glaubwürdi­gen Neuanfang“. Bleibt die Frage: mit oder ohne den in Ungnade gefallenen Sauter? Unter Tagesordnu­ngspunkt 4 der Sitzung des Bezirksvor­standes heißt es: „Gegebenenf­alls Beschlussf­assung über Einleitung von Ordnungsma­ßnahmen gegen Staatsmini­ster a. D. Sauter“. Für Ferber steht fest, dass kein Parteiauss­chlussverf­ahren gegen den 70Jährigen eingeleite­t wird. Um ein Parteimitg­lied gegen dessen Willen loszuwerde­n, gibt es hohe Hürden. Das haben schon SPD und AFD mit Thilo Sarrazin und Björn Höcke erleben müssen. Möglich wäre aber, Sauter seine Parteiämte­r zu entziehen, wenn er sie nicht freiwillig niederlegt, wie es Generalsek­retär Markus Blume am Mittwoch gefordert hatte.

Die Lage ist unübersich­tlich. Nur in einem sind sich die meisten Csuleute einig: Alfred Sauter wird sich nicht sang- und klanglos durch die Hintertür verabschie­den.

Die Dimension macht Parteifreu­nde fassungslo­s

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Archivfoto: Marcus Merk Die Ermittlung­en gegen den Landtagsab­geordneten Alfred Sauter (rechts) werden auch für CSU‰CHEF Markus Söder (links) zum unkalkulie­rbaren Risiko.

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