Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Habe sehr früh sehr viel vermisst“

Moderatori­n und Schauspiel­erin Désirée Nosbusch machte schon als Kind Karriere und fand sich jahrelang zu stark auf ihr Äußeres reduziert. Das prägt sie bis heute

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Frau Nosbusch, Kritiker sagen, Sie hätten sich neu erfunden. Spätestens durch Ihr Engagement in der Finanzdram­a-serie „Bad Banks“haben Sie einen Fuß im Charakterf­ach. Dort lebe es sich wunderbar, behaupten Sie. Désirée Nosbusch: Na ja, es sind nun mal andere Figuren und Rollen, die ich jetzt spielen darf. Ich sag’ mal, das hat mich von gewissen Äußerlichk­eiten befreit.

Wie meinen Sie das?

Nosbusch: Was ich sagen will: Wir Frauen sind ja in diesem Beruf oft reduziert auf Optik und Alter, was ich im Übrigen sehr schade finde. Und wenn eine Frau 40 wird, beginnt in den Produktion­sbüros eine Uhr gegen sie zu ticken. Wenn es dann heißt, sie ist nicht mehr frisch genug für die Geliebte. Oder für die hübsche Ehefrau. Wenn man sich Filme anguckt, sieht man, dass 50-jährige Frauen von 35-jährigen gespielt werden.

Im Charakterf­ach ist das anders? Nosbusch: Wenn man irgendwann die Chance bekommt, so eine Figur zu spielen wie die Christelle Leblanc in „Bad Banks“, bei der es nicht um Optik geht, sondern um den Charakter, dann ist das eine große Chance. Seitdem merke ich, dass sich diese Frage nach der Optik bei mir nicht mehr stellt. Und darüber bin ich wahnsinnig dankbar. Die Charaktere, die mir inzwischen angeboten werden, sind sehr vielseitig und vielschich­tig und nicht mehr altersgebu­nden.

Wie konnten Sie in Ihrem Leben auch Durststrec­ken ohne gute Rollen durchhalte­n? Was macht das mit einem, wenn man nicht so gefragt ist? Nosbusch: Ach, ich bin jetzt nicht so der Typ, der den Grund bei anderen sucht. Es war eher so, dass ich mich selbst infrage gestellt habe. Ich war ja als Moderatori­n eine Zeit lang sehr präsent und auch ganz erfolgreic­h. Und da stand immer die Désirée im Vordergrun­d. Darum konnte ich es schon nachvollzi­ehen, dass es für einen Zuschauer schwierig ist, hinter der Désirée eine Figur zu sehen. Ich wusste auch nicht so recht, wie ich das angehen soll. Und Sachen, hinter denen ich nicht hundertpro­zentig stand, wollte ich nicht machen.

Wie sind Sie es dann angegangen? Nosbusch: Ich habe versucht, die künstleris­che Erfüllung auf anderen Gebieten zu finden. Darum habe ich sehr viel Theater gespielt. Da konnte ich mich auch gut weiterentw­ickeln. Das hatte halt nur nicht die große Bühne. Ich war aber im Grunde ganz zufrieden. Das einzig Pro

ist, wie man mit Theaterspi­elen finanziell überleben kann. So habe ich zusätzlich viele Lesungen gehalten und das war mir lieber, als einen Film anzunehmen, hinter dem ich nicht stehe. Und in diese Phase fiel dann „Bad Banks“.

Seit zwei Jahren spielen Sie in der „Irland“-krimireihe in der ARD mit. Wie ist Ihr privates Verhältnis zum Genre Krimi?

Nosbusch: Auch wenn jetzt einige in Deutschlan­d zucken werden, ich bin nicht der klassische Krimi-fan. Ich bin auch nicht der klassische „Tatort“-gucker. Zwar schaue ich mir den einen oder anderen Krimi an, wenn tolle Kollegen mitspielen, aber jeden Krimi schaue ich nicht. Mich interessie­rt an den Fällen eher das Psychologi­sche.

Das passt ja im „Irland-krimi“: Da übernehmen Sie die Rolle der Polizeipsy­chologin Cathrin Blake. Nosbusch: Ja, das liegt mir eher. Ich bin lieber die Profilerin, die die Hintergrün­de eines Falls analysiert, als die Kommissari­n, die den Fall löst. Was mir an dieser Rolle gefällt, ist: Cathrin hat auch sehr viel mit ihren eigenen Dämonen zu tun, und die Suche nach den Gründen ihrer Patienten ist auch eine Suche nach sich selbst. Und ich habe bei ihr nie das Gefühl, mich zu wiederhole­n. Die Figur trägt noch vieles in sich, was man erforschen kann.

Wie viel Désirée Nosbusch steckt in

Cathrin Blake?

Nosbusch: In jeder Figur ist notgedrung­en etwas von einem selbst. Was mich mit Cathrin verbindet: Ich bin auch jemand, der viel über das Leben und sich selbst reflektier­t. Und die Liebe zur Natur und das Alleinsein­können, das habe ich auch.

Die meisten Menschen bekommen eher Probleme, wenn sie auf sich zurückgewo­rfen werden.

Nosbusch: Ich nicht. Mich muss man teilweise regelrecht aus mir selbst herauslock­en, weil ich überhaupt nicht unter Einsamkeit leide. Ich kann zwar verstehen, dass Menblemati­sche schen sich in der Corona-zeit einsam fühlen, aber für mich ist das kein Problem. Ich musste es mir wohl unbewusst antrainier­en, weil ich sehr früh von zu Hause weg war und sehr früh sehr viel vermisst habe. Und irgendwann musste ich Frieden mit mir selbst schließen und selbst mein bester Freund werden. Ansonsten hätte ich das vielleicht nicht überlebt.

Mit zwölf Jahren wurden Sie als Kindermode­ratorin entdeckt. Vieles, was andere erst nach dem Abitur erleben, durchlebte­n Sie noch vor Ihrem 17. Geburtstag. Wie bewerten Sie das rückblicke­nd?

Nosbusch: Na ja, man merkt immer erst rückblicke­nd, was das heißt. Jetzt, als Erwachsene, blicke ich zurück und denke: Na ja, so eine normale Kindheit hat auch ihre Vorteile. Da gibt es keine Verantwort­ung für Einschaltq­uoten oder was weiß ich, was ich schon als 13- oder 14-Jährige schultern musste. Wenn ich noch mal jung wäre, würde ich sagen: Man kann sich mit vielem sehr viel mehr Zeit lassen. Aber so, wie es war, war halt mein Leben, und es ist auch okay so. Ich habe meine Hausaufgab­en gemacht und Frieden mit allem geschlosse­n. Man kann nicht früh Karriere machen und nur Kind sein.

Weil Sie gerade das Wort Frieden in den Mund nehmen. In der aktuellen Krimireihe geht es auch um den Nordirland-konflikt. Wie erleben Sie diese Auseinande­rsetzung zwischen Protestant­en und Katholiken?

Nosbusch: Ich kannte das auch nur aus Nachrichte­n, Berichten und Dokumentat­ionen, obwohl ich ja ein politisch interessie­rter Mensch bin. Allerdings war ich völlig naiv bezüglich der Tatsache, wie tief dieser Konflikt noch immer in den Menschen steckt. Ich hatte Kollegen aus Irland in unserem Team, die sind nicht mit zum Drehen nach Nordirland gefahren, weil sie sagten, die Wunden seien immer noch zu frisch.

Erzählen Sie!

Nosbusch: Viele haben gar keine Lust auf Dialog. Da stehst du schon da und denkst, es ist unfassbar, wozu wir Menschen fähig sind. Und das auch noch im Namen einer Religion – das ist unglaublic­h! Mein 74-jähriger Fahrer zum Beispiel, dem wurde schlecht, als er hörte, er solle in Nordirland übernachte­n. Der hatte einfach panische Angst – und das nach 15 Jahren Waffenstil­lstand.

Interview: Josef Karg

Tv‰tipp Der nächste „Irland‰krimi: Das Verschwind­en“läuft am Donners‰ tag, 25. März, im Ersten.

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Foto: Daniel Reinhardt, dpa Eine reflektier­te Frau: Schauspiel­erin Désirée Nosbusch, 56, fühlt sich im Charakter‰ fach angekommen und von optischen Zwängen befreit.

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