Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Matthäus wird 60

Der bekanntest­e Greenkeepe­r, der nie hauptberuf­lich einen Rasen gepflegt hat, feiert Geburtstag. Als Trainer erzielte er bei weitem nicht die Erfolge, die ihm als Spieler vergönnt waren

- VON ANTON SCHWANKHAR­T

Augsburg Lothar Matthäus ist der bekanntest­e Greenkeepe­r der Republik, der nie Greenkeepe­r war.

Rund zwei Jahrzehnte nach der legendären Greenkeepe­r-aussage von Uli Hoeneß über Lothar Matthäus hat der frühere Weltfußbal­ler für Schmunzeln gesorgt. Auf dem Titelbild im Mitglieder­magazin „51“des FC Bayern setzte sich Matthäus genau in dieser Rolle in Szene. Die immer wieder angeführte Hoeneß-aussage stammt aus dem November 2002. Der damalige Manager hatte sich über Kritik des da schon ehemaligen Bayern-profis Matthäus geärgert. „Solange Karl-heinz Rummenigge und ich etwas beim FC Bayern zu sagen haben, wird Lothar Matthäus bei diesem Verein nicht einmal Greenkeepe­r im neuen Stadion“, schimpfte Hoeneß, der jetzt beim Shooting dabei war. Auf einem weiteren Foto ist Matthäus zu sehen, wie er als Rasenpfleg­er eine Linie in der Allianz-arena zieht. Der Hoeneßsatz ging Matthäus nahe, wie er im „51“-Interview gestand. „Am meisten getroffen hat mich das Zitat von Uli nach meiner Karriere, dass ich beim FC Bayern nicht einmal Greenkeepe­r werden würde. Wir haben uns zu meiner aktiven Zeit öfter mal angeschrie­n, aber wir sind beide Menschen mit großem Herz, von daher kam es auch immer wieder schnell zur Versöhnung, weil wir ja wussten, dass wir eigentlich das gleiche Ziel haben“, sagte er. „Über die Greenkeepe­r-aussage können wir nun auch längst beide lachen. Uli hat mir erst jetzt wieder gesagt, dass ihm dieser Ausspruch schon am nächsten Tag leidtat.“

Zu seinem 60. Geburtstag sagt Matthäus, er fühle sich frisch und gesund. Ein „Geschenk Gottes“sei das nach einer so langen Karriere als Profisport­ler oder, wie er früher erklärt hätte: „Einem Lothar Matthäus tut nichts weh.“

Es waren die Jahre, in denen er nur in der dritten Person von sich gesprochen hat – und er hat viel gesprochen. Damals wurde aus Lothar der belächelte „Lodda“. Da war einer, der Abstand zu sich selbst suchte – ihn aber nicht fand („Ein Lothar Matthäus kann es sich nicht leisten, sich zu blamieren.“). Später sah er das anders. „Ein Lothar Matthäus braucht keine dritte Person. Er kommt sehr gut allein zurecht.“

Was den Fußball betrifft, gilt das mehr als für die meisten, die je auf diesem Globus jemals gegen einen Ball getreten haben. Matthäus war ein Energiebün­del, das Probleme im Spiel gelöst hat, ehe sie andere überhaupt wahrgenomm­en haben. Der gelernte Raumaussta­tter aus Herzogenau­rach war im Fußball ein Frühder als 18-Jähriger dem Wunderkind Maradona die Lust am Zaubern nahm. Zwei Jahrzehnte später hat Matthäus noch immer für Deutschlan­d gespielt. Maradona hatte damals schon mehrere Entziehung­skuren hinter sich und trug nur noch Übergrößen.

Matthäus blieb der drahtige Franke, als der er seine Bundesliga-karriere in Mönchengla­dbach begann. Für 2,4 Millionen Mark Ablöse ging es zu Bayern München, dann zu Inter Mailand (8,4 Millionen Mark) und wieder zurück nach München. Sein größter sportliche­r Erfolg: 1990 der Wm-titel mit der deutschen Nationalel­f. Im selben Jahr wurde er zu Europas Fußballer des Jahres und zum Weltfußbal­ler gewählt.

Die WM in Italien war eines von fünf Turnieren, an denen Matthäus teilgenomm­en hat. Er absolviert­e 25 Wm-spiele – das hat noch keiner geschafft. Mit 150 Länderspie­len ist der langjährig­e Dfb-kapitän zudem deutscher Rekordnati­onalspiele­r. Am Ende eines Abstechers in die Major League Soccer zu den New York Metro Stars beendete Matthäus seine Karriere als Vereinsspi­eler. Aber der damalige Bundestrai­ner Erich Ribbeck berief den 39-Jährigen noch einmal ins 2000er Em-aufgebot. Das letzte Gruppenspi­el gegen Portugal, das 0:3 verloren wurde, war sein letztes Länderspie­l. Damit war er über 20 Jahre, so lange wie kein anderer deutscher Nationalsp­ieler, in der Nationalma­nnschaft aktiv.

Leider ist Matthäus nach seiner Karriere zum Beispiel dafür geworden, dass aus einem großen Spieler nicht automatisc­h ein großer Trainer wird. Kein deutscher Klub wollte den Franken verpflicht­en. Zu unberechen­bar, zu anstrengen­d, zu fränkisch-schillernd. Also zog er durch die Welt. Österreich, Ungarn, Serbien, Israel, Bulgarien. Ein Suchender, als Trainer unvollende­t. Inzwischen hat er seine Rolle und seinen Platz gefunden. Beruflich und privat. Er ist Fußball-experte. Das war er schon immer. Er kommentier­t, was die Kanäle hergeben. Besonders gerne funkt er Jogi Löw dazwischen.

Erst kürzlich hat er dem Bundestrai­ner wieder beschieden, dass der Umbruch im DFB-TEAM „nicht funktionie­rt hat“. Man darf ruhig daraus schließen, dass Matthäus sich noch immer als den Mann sieht, der es nach der verkorkste­n WM in Russland besser gemacht hätte als Löw – aber es hat ihn ja keiner gevollende­ter, fragt, ob er das Amt übernehmen mag. Gelegentli­ch hat ihn ein Scherzkeks dafür ins Gespräch gebracht. Manchmal auch ein guter Kumpel, wie der Augsburger Armin Veh oder Mehmet Scholl, der von Matthäus sagt: „Er weiß alles über Fußball. Was ich von seinen ehemaligen Spielern gehört habe, ist er ein großartige­r Trainer.“

Jetzt, nachdem Jogi Löw seinen Rücktritt für den Sommer angekündig­t hat, ist Matthäus, vor allem beim Boulevard, sogar zu einem Kandidaten aufgestieg­en. Selbst für Uli Hoeneß, den Ehrenpräsi­denten des FC Bayern, wird jemand, der so viel vom Fußball versteht wie Matthäus, „in die Verlosung kommen“. Dass er seit zehn Jahren nicht mehr im Trainerges­chäft ist und überhaupt noch nie einen Bundesliga-klub trainiert hat, wird seine Chancen auf das Amt beim DFB freilich nicht steigern. Es wäre tatsächlic­h eine Überraschu­ng und eine Personalie, die aus der Not geboren ist, würde auf den 61-jährigen Löw der 60-jährige Matthäus folgen.

Der Deutsche Fußball-bund müsse sich jetzt „erst selbst einmal finden. Er muss wissen, was wollen wir und wem trauen wir es zu“, sagt Matthäus diplomatis­ch. Für ihn ist

Hansi Flick, der Bayern-trainer, „der ideale Kandidat für die Nationalma­nnschaft“. Flick hat zu Spekulatio­nen, zum DFB zurückzuke­hren, nicht explizit Nein gesagt. Matthäus würde seinen Segen geben. Anderersei­ts, wenn die Leute im DFB denken, er sei der Richtige und die Fans ihn wollen, müsse man darüber nachdenken und sprechen, sagt Matthäus, „das ist eine Verpflicht­ung von mir gegenüber dem Fußball“. So denkt er noch immer. Dabei ist er in den vergangene­n zehn Jahren ohne aktiven Part allein in der Rolle des Beobachter­s gut zurechtgek­ommen.

Auch privat ist der 60-Jährige inzwischen angekommen, was nach vier Ehen (Motto: „Eine Ehe ist wie ein Fußballspi­el“), die in die Brüche gegangen sind, nicht eindeutig zu erwarten war. Matthäus lebt mit seiner fünften Frau, einer Russin, und dem gemeinsame­n Sohn Milan die meiste Zeit des Jahres in Budapest. Daneben hat er noch drei weitere Kinder. Seinen Geburtstag wollte er in Dubai verbringen. Corona hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. „Ich bin gesund“, sagt Matthäus, „das ist das Wichtigste.“

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Foto: dpa Sieht so aus, als würde er sein Handwerk verstehen: Dabei spielt Lothar Matthäus nur Greenkeepe­r für das Bayern‰magazin.
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Der größte Triumph seiner Karriere: Lothar Matthäus, begleitet von Klaus Augen‰ thaler, Stefan Reuter und Pierre Littbarski, mit der Hand am Wm‰pokal.
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Fotos (3): Witters Der 19‰jährige Lothar Matthäus bei der EM in Italien.
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Lothar Matthäus mit seiner fünften Ehe‰ frau, der Russin Anastasia Klimko.

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