Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

In guten wie in besseren Zeiten

Die Münchner kennen keine Krisen, müssen aber ein Krisengesp­räch führen. Nach dem Sieg gegen Lazio steht die Beziehung zwischen Flick und Salihamidz­ic im Fokus

- VON TILMANN MEHL

München Über eine Ehe zu urteilen, ist kurz nach der Vermählung sinnlos. Zu verliebt sind die beiden Partner, als dass sich sagen ließe, ob die Verbindung wirklich erst durch den Tod geschieden wird oder vielleicht doch durch einen Richter. Mit den ersten Krisen, oder – etwas schnöder – dem Alltag zeigt sich, ob die Beziehung auf Dauer angelegt ist.

Hansi Flick und Hasan Salihamidz­ic führen keine gemeinsame Ehe, der Trainer des FC Bayern verglich allerdings die Zusammenar­beit der beiden mit eheähnlich­en Zuständen. Da gebe es auch mal die ein oder andere Auseinande­rsetzung. Um im Bild zu bleiben: Es war keine Liebeshoch­zeit der beiden, sondern eine Allianz der Vernunft. Niko Kovac wurde nicht mehr für gut genug befunden und bis im Herbst 2019 ein anderer Trainer gefunden war, sollte eben Flick die Mannschaft stabilisie­ren. Das machte er so gut, dass die Münchner mittlerwei­le als beste Mannschaft der Welt bezeichnet werden. Das tat beispielsw­eise Lazio Roms Trainer Simone Inzaghi, nachdem sein Team am Mittwoch 1:2 in München verloren hatte und dadurch aus der Champions League ausgeschie­den war.

Im Sommer 2020 hing der Münchner Himmel voller Trophäen. Flick und Salihamidz­ic waren die Baumeister des Erfolgs. Der eine hatte einen erfolgshun­grigen Kader

Sie schienen wie gemacht füreinande­r

komponiert, der andere fügte ihn zu einer taktisch formidable­n Mannschaft zusammen. Die Gewinnerty­pen Hansi und Hasan schienen wie gemacht füreinande­r, das Glück war perfekt.

Doch auch in dieser Beziehung konnten beide nicht sämtliche Erwartunge­n des jeweils anderen erfüllen. Flick wünschte sich qualitativ­e Verstärkun­g für den Kader, Salihamidz­ic einen Trainer, der ihn in Ruhe werkeln lässt. In den vergangene­n Tagen drangen derart viele Reibungspu­nkte an die Öffentlich­keit, dass sich nach dem Viertelfin­aleinzug in der Königsklas­se mit Joshua Kimmich der erste Spieler genervt von der unterschwe­lligen Fehde zeigte: „Man bekommt es mit, was außerhalb geschriebe­n, diskutiert wird. Am Ende des Tages wäre es schöner bei dem Erfolg, wenn auch Ruhe einkehrt, wenn man vor allem intern nicht Zündstoff nach außen gibt.“

Die beiden Führungskr­äfte hatten aber bereits vor der Kritik aus der Mannschaft eingesehen, dass für einen gedeihlich­en Saisonverl­auf ein konstrukti­ves Miteinande­r notwendig ist. „Wir sind beide aufeinande­r zugegangen und haben es aus der Welt geschaffen, ganz im Sinne des Vereins. Das war ein kurzes Gespräch. Beide sind wir, was das betrifft, auch sehr optimistis­ch für die restliche Saison, für die Zukunft von uns“, so Flick, Miteinande­r reden, statt übereinand­er – die erste Lektion der Eheberatun­g haben die beiden verinnerli­cht und umgesetzt.

Möglicherw­eise steht ihnen doch noch eine Zukunft über den Sommer hinaus bevor. Zwar ließ sich Flick bislang die Option offen, nach dem Sommer die Nationalma­nnschaft zu betreuen, bessere Arbeitsbed­ingungen als beim FC Bayern würde er beim DFB aber auch nicht vorfinden.

So schlecht sind die Zeiten derzeit auch nicht, dass man getrennter Wege gehen müsste. In der Beziehung gibt es allerdings bislang nur gute und noch bessere Phasen. Dass sie Auseinande­rsetzungen ausräumen: sehr erwachsen. Kaum vorzustell­en allerdings, wie diese Beziehung existieren soll, wenn es mal zu einer ordinären Ergebniskr­ise kommt. Für die Ewigkeit aber sind Ehen zwischen Trainer und Verein von jeher nicht konzipiert.

Tore 1:0 Lewandowsk­i (33./Foulelfmet­er), 2:0 Choupo‰moting (73.), 2:1 Parolo (82.)

 ?? Foto: Witters ?? Am 23. August 2020 feierten Hasan Salihamidz­ic und Hansi Flick mit dem Sieg in der Champions League ihren größten gemein‰ samen Triumph. Und wirkten glücklich miteinande­r. Die Zeiten haben sich geändert.
Foto: Witters Am 23. August 2020 feierten Hasan Salihamidz­ic und Hansi Flick mit dem Sieg in der Champions League ihren größten gemein‰ samen Triumph. Und wirkten glücklich miteinande­r. Die Zeiten haben sich geändert.

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