Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Ohne Trainer gewinnen wir kein Spiel“

Augsburgs Torwart Rafal Gikiewicz spricht über die Vorkommnis­se in der Fca-kabine während der Pause im Spiel gegen Mönchengla­dbach, seine Zettel am Kühlschran­k und wie er sich auf Elfmeter vorbereite­t

- Interview: Marco Scheinhof

Herr Gikiewicz, wie groß war die Erleichter­ung nach dem Sieg gegen Mönchengla­dbach?

Rafal Gikiewicz: Wir wussten, dass wir gegen einen Championsl­eague-gegner mit großer Qualität spielen. Wir haben die drei Punkte glücklich geholt, wenn man die Gladbacher Großchance­n sieht. Vor allem die zweite Halbzeit war aber sehr gut, mit aber auch gegen den Ball. In unserer Situation sind die drei Punkte Gold wert, aber wir müssen weiter trainieren und marschiere­n.

Die erste Halbzeit gegen Gladbach war noch enttäusche­nd, dann wurde es besser. Auch weil es in der Kabine laut wurde, als Trainer Heiko Herrlich noch gar nicht da war. Was ist da genau passiert?

Gikiewicz: Ich habe nach dem Spiel in den Medien gelesen, dass wir gar keinen Trainer mehr brauchen. Das ist völliger Quatsch. Ich bin seit sieben Jahren in Deutschlan­d und bei jedem Verein ist es so, dass die Spieler in der Pause erst einmal alleine in der Kabine sind. Die Trainer analysiere­n schnell die erste Halbzeit, bevor sie zur Mannschaft kommen. So war es auch am Freitag. Heiko Herrlich kam nach ein paar Minuten rein und hat uns gezeigt, was gut und schlecht war und was wir besser machen wollen.

Was war bis dahin passiert? Gikiewicz: Da waren wir Spieler unter uns, das ist nichts Neues oder ungewöhnli­ch. Die erfahrenen Spieler sprechen dann. Wir haben gesagt, dass das in der ersten Halbzeit kein Bundesliga-niveau war. Wir müssen besser spielen. Es stand noch 0:0, wir hatten noch alles selbst in der Hand.

Aber es wurde richtig laut dabei? Gikiewicz: Ich weiß nicht, was für Sie laut ist. Ich bin oft laut und sage meine Meinung. Wir hatten vor der Pause Glück, dass wir kein Gegentor bekommen haben. Wir haben gesagt: Es ist Freitagabe­nd, eine perfekte Uhrzeit und ein toller Gegner. Lasst uns rausgehen und versuchen, das Spiel zu gewinnen. Nach der Pause haben wir eine Topreaktio­n gezeigt. Ich weiß nicht, warum einige Medien oder Menschen oft Probleme suchen oder nur das Negative sehen. Nach einem 3:1 gegen Gladbach müsste die Stimmung besser sein. Es werden aber nur negative Sachen gesucht. Ohne Trainer werden wir kein Spiel gewinnen. Und es ist auch so, dass nicht der Trainer die Fehler macht, die machen wir auf dem Platz.

War die zweite Halbzeit auch deshalb so wichtig, weil die Mannschaft gesehen hat, dass mit Überzeugun­g und Mut solche Leistungen möglich sind?

Gikiewicz: Die Leistung in der zweiten Halbzeit war gut. Wir hatten viele Umschaltmo­mente in der Offensive. Nach der Niederlage zuvor in Berlin haben wir eine gute Mentalität und Herz gezeigt. Aber die Saison ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Wir nehmen die Punkte gerne mit, haben aber noch neun Sprints vor uns.

Die Mannschaft hat in dieser Saison gezeigt, dass sie gegen Spitzentea­ms punkten kann.

Gikiewicz: Sechs Punkte gegen Union, vier gegen Gladbach, drei gegen Dortmund, das ist ordentlich. Union spielt eine starke Saison und verliert fast nie zu Hause. Wir haben aber auch Punkte gegen nicht so starke Gegner verloren. Vielleicht weil wir da nicht so bereit waren. Da müssen wir uns noch mehr fokussiere­n. In Freiburg wird es am Sonntag auch nicht einfach zu gewinnen. Aber das Trainertea­m hat einen guten Plan und wir wissen, was wir machen wollen.

Gegen Mönchengla­dbach gab es wieder einen Elfmeter gegen den FCA, die häuften sich zuletzt. Woran liegt das? Gikiewicz: Wir machen zu viele Fehler. Aber nicht nur Einzelne, sondern alle elf auf dem Platz. Ich hoffe, dass wir jetzt bis zum Saisonende keinen Elfmeter mehr gegen uns bekommen.

Dabei ist Ihre Quote gar nicht so schlecht. Drei gingen nicht rein: Gegen Union parierten Sie, Dortmunds Haaland schoss an die Latte und Gladbachs Stindl vorbei.

Gikiewicz: Da hatten wir natürlich auch ein bisschen Glück. Das braucht man aber auch, wenn man einen Elfmeter halten will.

Wie bereiten Sie sich auf Elfmeter gegen sich vor?

Gikiewicz: Ich bekomme immer eine Analyse von unserem Torwarttra­iner. Am Spieltag sitzen wir nach dem Mittagesse­n kurz zusammen und reden darüber. Jeder sagt seine Meinung, dann fällt die Entscheidu­ng, in welches Eck ich gehen möchte. Bei Stindl haben wir uns für die linke Ecke entschiede­n, weil wir dachten, er schießt einen scharfen Ball mit der Innenseite. Dann trifft er aber den Ball nicht richtig und er geht rechts vorbei. Damit bin ich auch glücklich.

Wie wohl auch über Ihre Saison, die bislang sehr stark ist.

Gikiewicz: Die Saison ist noch nicht vorbei. Auf der einen Seite bin ich zufrieden bisher, auf der anderen aber nicht. Wir haben aus Sicht eines Torwarts zu viele Gegentore und zu wenige Spiele zu null. Auch in der Tabelle bin ich sehr ambitionie­rt. Mein Ziel waren von Anfang an 40 Punkte plus. Jetzt haben wir 29

Punkte und zum Glück ein bisschen Luft nach unten.

Wie sehen Sie die Entwicklun­g beim FCA in dieser Saison?

Gikiewicz: Wir haben viel mehr Qualität, als es momentan die Tabelle zeigt. Wir müssten sechs, sieben Punkte mehr haben. Dann gäbe es auch die Kritik am Trainer oder an uns Spielern wegen der Leistung nicht. Zwei Punkte mehr gegen Leverkusen, einer mehr in Berlin, dann hätten wir schon 32. Stuttgart hat im Vergleich 36 Punkte und dort ist Europa das Thema. Wir müssen dagegen weiter nach unten schauen. Ich hoffe, dass wir nach dem Sieg gegen Gladbach den Kopf frei und mehr Mut haben, jetzt besser mit dem Ball nach vorne zu spielen. Das ist der Schlüssel. Wir müssen als Mannschaft auf dem Platz besser funktionie­ren, dann können wir jeden Gegner schlagen.

Welche Ziele haben Sie noch mit dem FCA?

Gikiewicz: In dieser Saison müssen wir in der Liga bleiben. Nächste Saison will ich aber ambitionie­rter sein und eher nach oben schauen. Ich habe keine Lust, jede Saison bis zum Schluss im Abstiegska­mpf zu stecken. Wir haben genug Qualität, einen guten Trainer und einen guten Sportdirek­tor. Der FCA ist ein stabiler Verein.

An Ihrem Kühlschran­k hängen Zettel mit Ihren Zielen für die Saison. Konnten Sie schon welche abnehmen? Gikiewicz: Ich habe bisher nur einen geschafft mit den sechs Punkten gegen Union Berlin. Ich will jedes Ziel schaffen, muss dafür aber noch hart arbeiten.

Die Em-teilnahme ist auch ein solches Ziel. Jetzt wurden Sie aber wieder nicht nominiert für die anstehende­n Spiele. Sind Sie sehr enttäuscht? Gikiewicz: Ich war nicht überrascht. Ich weiß, was es heißt, wenn ich die vergangene­n zwei Wochen keinen Kontakt zum Nationaltr­ainer hatte. Ich akzeptiere die Entscheidu­ng. Mein Beruf ist in Augsburg. Mit guten Leistungen jede Woche habe ich eine Chance von ein paar Prozent. Bis zur EM sind es noch 98 Tage. Genug Zeit, zu zeigen, was ich kann.

Aber das Ziel EM bleibt?

Gikiewicz: Es kann noch viel passieren. Wir leben noch immer in der Pandemieze­it. Man weiß nie, welches Ergebnis der nächste Test bringt. Ich habe noch immer den Traum. Niemand kann mir sagen, dass das Thema Nationalma­nnschaft vorbei ist. Ich habe das noch immer in meinem Kopf. Es ist kein Argument, dass ich schon 33 Jahre bin. Wichtig ist, was man Woche für Woche auf dem Platz zeigt.

Dann wäre es für Sie auch in Ordnung, als Nummer drei bei der EM zu sein? Gikiewicz: Für mich ist die Nominierun­g ein Traum. Wenn das klappt, bedeutet das, dass ich in diesem Moment unter den besten Torhütern von Polen bin. Wer spielt, ist dann Trainerent­scheidung. Ich weiß natürlich auch, bei welchen Klubs Szczesny und Fabianski sind. Ich spiele aber auch in einem Bundesliga­verein und Augsburg ist nicht so klein. Ich will einfach bei den besten Spielern aus Polen dabei sein.

Zum Beispiel auch mit Bayern Münchens Robert Lewandowsk­i, der bald einen Rekord von 40 Toren aufstellen kann. Gelingt ihm das?

Gikiewicz: Ich wünsche ihm, dass er diesen Rekord vor dem letzten Spiel schafft. Sonst wird es gegen uns schwierig für ihn (lacht). Er ist der derzeit beste Stürmer der Welt, er trifft jedes Wochenende. Mich würde es freuen, wenn ein polnischer Spieler diesen Rekord schafft.

Rafal Gikiewicz kam zu Saisonbe‰ ginn zum FC Augsburg und ist die erhoffte Verstärkun­g auf der Torhü‰ terpositio­n. Der 33‰Jährige spielt eine sehr starke Saison, derzeit ist er notenbeste­r Bundesliga‰torwart beim Fachmagazi­n Kicker. (AZ)

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Foto: Engelbrech­t, Witters Rafal Gikiewicz, wie gewohnt sehr emotional. Soeben hat Gladbachs Lars Stindl einen Strafstoß am Tor vorbeigesc­hossen, das freut den Torwart des FC Augsburg sichtlich.

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