Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Seine Töne halten die Spannung hoch

Komponiere­n ist mehr als Musik machen, weiß Felix Bönigk. In der großen Welt der Musik will er aus allem lernen

- VON SEBASTIAN KRAUS

Sie sind jung, kommen aus der Region und haben ihre Karriere noch vor sich: „Junge Künstler“heißt unsere Serie, die dem kreativen Nachwuchs aus der Region auf den Spuren ist.

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Das Stück „Casimir“, komponiert für zwei Akkordeons und eine Orgel, ist untertitel­t mit „Ein Tanz“. Ein wahrlich gespenstis­cher Tanz ist das; die einzelnen, lang gehaltenen Töne der Orgelwinde erinnern an die wehenden Gewänder obskurer Gestalten, die in geisterhaf­ten Bewegungen durch die Luft schweben. Die Spannung wird permanent hochgehalt­en, durch die langsame Steigerung der Intensität der Töne und durch die ungewöhnli­chen Akzentuier­ungen mit Sextolen bis Undezimole­n. Man vermutet als Komponiste­n eher einen ausgefuchs­ten Klassikpro­fessor mit Stockhause­nportrait an der Wand als einen 23-jährigen, der sich seine Gehörgänge schon kräftig mit Punkrock durchgewas­chen hat.

Anderersei­ts, zu diesem Zeitpunkt war das Klavier schon seit fast 20 Jahren ein ständiger Wegbegleit­er von Felix Bönigk, ein Geschenk seiner Oma, die ihm damit nicht nur seinen sehnlichen Wunsch erfüllte, sondern auch den Grundstein für

Werdegang an Klaviatur und Taktstock legte. Pianist zu werden war ein Traum, „doch so mit 15 merkte ich, da ist der Zug schon abgefahren“. Die Aufnahmepr­üfung an der Musikhochs­chule ging daneben, da hatten seine Konkurrent­en wohl weniger Instrument­e ausprobier­t als er, allerdings halt wohl auch mehr Klavier geübt. Doch aus den Noten seines Abizeugnis­ses las er,

„schwarz-auf-weiß, dass Musik machen wohl das ist, was ich am besten kann. Ich konnte nicht auf der Bühne stehen, also wollte ich die Leute wenigstens auf die Bühne schicken.“

Ein Kompositio­nsstudium an der Hochschule für Theater und Musik München lag auf der Hand, bedient es schließlic­h das tiefe Interesse am System der Musik genauso wie das an den verschiede­nsten Instrumens­einen ten. Der Austausch zwischen Komponiste­n und Instrument­alklassen ist intensiv und lehrreich, in gemeinsame­n Projekten darf wild experiment­iert werden, gerne auch mal ohne Erfolg, sind doch „die wertvollst­en Momente oft die, die nicht klappen.“Doch viel häufiger tragen die Experiment­e Früchte, dann entstehen Momente wie „Ne Quittez Pas (Op.31)“von 2019. Mit elegant fließenden Bewegungen dirigiert Bönigk vier Kontrabass­isten, ein gezupftes Grollen zu Beginn wird durch peitschenh­afte Schläge unterbroch­en, dann erzeugen die Bögen auf den Saiten jenseits der Daumenlage bis hinunter zum Dorn ein Flirren, das langsam anschwillt und schließlic­h in einem fortissimo der tiefen Töne gipfelt.

Das ist alles schön und gut, jedoch „Kompositio­n ist alles, nur nicht Musik machen“, so sagt der junge Komponist – und Pianist. Denn die zweite Aufnahmepr­üfung zum Klavierstu­dium, die hat der mittlerwei­le 28-Jährige nun bestanden, und steht jetzt nicht nur am Pult, sondern sitzt auch an den Tasten. Und er setzt sich keinerlei stilistisc­he Grenzen, gibt es doch „eine große Welt an Musik, in der man aus allem immer lernen kann“.

Bönigk selbst muss erst mal nicht weit reisen, um auf einen anderen musikalisc­hen Kontinent zu gelangen. Er muss nicht einmal seine Wohnung verlassen, denn die teilt er sich mit Lisa Seifert, Sängerin, Akkordeoni­stin und Grafikdesi­gnerin der Augsburger Folk-helden John Garner, denen Bönigk gerne bei Arrangemen­ts unter die Arme greift. Seifert nennt es „schon fast inzestuös, wie die Szene in der Stadt zusammenhä­ngt“. So kann man es natürlich ausdrücken, oder man sieht es als Beleg, wie vernetzt die Szene und vielfältig die musikalisc­hen Hintergrün­de der Künstlerin­nen und Künstler sind.

Natürlich spielen die beiden zusammen, oder? „So naheliegen­d wie es scheint, war das tatsächlic­h nicht“, erzählt die Sängerin, schließlic­h machen beide unabhängig voneinande­r Musik und „man braucht auch mal Feierabend“. Nach einem gemeinsame­n Auftritt habe sie aber Blut geleckt, als Solosänger­in auf der Bühne zu stehen. „John Garner ist mein Herz, meine Familie“, aber eine Soloplatte stand schon länger auf der Liste. Vielleicht gibt es Jazzstanda­rds, vielleicht eigene Songs, vielleicht eine Mischung aus beiden. Begleitet wird ihre schöne, klare Stimme jedenfalls von Felix Bönigk. Der dann doch, sowohl musikalisc­h wie persönlich, die nahe liegendste Wahl ist.

 ?? Fotos: Robert Hagstotz/max Saufler ?? Als Komponist und Pianist geht Felix Bönigk eigene Wege, manchmal trifft er dabei auf seine Partnerin Lisa Seifert, die in der Band James Garner singt und spielt. Nun verfolgen die beiden gemeinsame Projekte.
Fotos: Robert Hagstotz/max Saufler Als Komponist und Pianist geht Felix Bönigk eigene Wege, manchmal trifft er dabei auf seine Partnerin Lisa Seifert, die in der Band James Garner singt und spielt. Nun verfolgen die beiden gemeinsame Projekte.

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