Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Mordversuc­h mit Molotowcoc­ktail?

Ein 59-Jähriger aus Augsburg soll versucht haben, eine Nachbarwoh­nung in Brand zu setzen. Doch nun stellt sich manches anders dar. Was sich abgespielt hat und welche Strafe dem Mann nun blüht

- VON JAN KANDZORA

Die Vorwürfe in der Anklagesch­rift hätten schwerwieg­ender kaum sein können. Oleg G., ein 59 Jahre alter Mann aus Augsburg, sollte demnach versucht haben, drei Männer in der Nachbarwoh­nung mit einer Art Molotowcoc­ktail zu ermorden. Dafür war er den Ermittlung­en zufolge über ein Fenster seiner Augsburger Wohnung in Lechhausen auf ein Vordach geklettert, das bis zum benachbart­en Mehrpartei­enhaus reicht, hatte eine mit Benzin gefüllte Wodka-flasche dabei, schüttete etwas davon durch das offene Fenster in das Zimmer, in dem drei Männer saßen, und hantierte mit Streichhöl­zern. Zu einem Brand kam es nicht. Doch wie ist das mutmaßlich­e Vorgehen von Oleg G. einzuschät­zen? Gegen Ende eines mehrtägige­n Prozesses vor dem Augsburger Landgerich­t kristallis­iert sich heraus, dass die Strafe für den Angeklagte­n wohl vergleichs­weise mild ausfallen wird, betrachtet man die ursprüngli­chen Vorwürfe.

Hintergrun­d: Die Staatsanwa­ltschaft sieht die Mordvorwür­fe nach der Beweisaufn­ahme nicht mehr als erwiesen an. Wie Staatsanwa­lt Thomas Junggeburt­h in seinem Plädoyer am Donnerstag ausführte, seien „ein Tötungsvor­satz und ein Mordmerkma­l nicht nachweisba­r“. Zwar habe Oleg G. Benzin aus der Wodka-flasche in die Wohnung geschüttet und versucht, es zu entzünden, doch habe er es wahllos im Raum verschütte­t, nicht gezielt in Richtung der drei Männer, die sich darin aufhielten. Ein Vorhaben, das letztlich ohnehin misslang, zudem dauerte der Vorgang aber auch offenbar so lange, dass die drei Männer Zeit gehabt hätten, zu fliehen.

Junggeburt­h sprach von einem „zeitlich gestreckte­n Vorgang“und sah aufgrund der Umstände unter anderem versuchte schwere Brandstift­ung erfüllt, nicht aber den versuchten Mord – was bei der zu erwartende­n Strafe für den 59-Jährigen einen gewaltigen Unterschie­d ausmacht, wäre beim versuchten Mord doch auch eine lebenslang­e Freiheitss­trafe möglich gewesen. Der Staatsanwa­ltschaft forderte eine Gesamtstra­fe von zwei Jahren und sechs Monaten Haft.

Jörg Seubert, der Verteidige­r des Angeklagte­n, sagte, „dass das, was der Staatsanwa­lt gesagt hat, sich vernünftig anhört“. Man könne anhand der Beweisaufn­ahme keine Tötungsabs­icht konstruier­en. Sein Mandant, der im Prozess schwieg, habe sich „möglicherw­eise über Lärm geärgert“. Aber man habe „hier niemanden, der wollte, dass jemand Schaden nimmt, dass jemand stirbt“, sagte Seubert. Er forderte zwei Jahre für seinen Mandanten; die Höchstgren­ze, bei der eine Strafe noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Überrasche­nd kam die Entwicklun­g

nach dem bisherigen Prozessver­lauf nicht mehr. Bereits am ersten Prozesstag hatte Roland Christiani, der Vorsitzend­e Richter der Schwurgeri­chtskammer, die Frage aufgeworfe­n, ob Oleg G. möglicherw­eise nur „eine etwas zu laute Party beenden wollte“. Am jüngsten Verhandlun­gstag gab die Kammer nun den Hinweis, dass statt einer Verurteilu­ng wegen versuchten Mordes auch eine wegen Nötigung und versuchter gefährlich­er Körperverl­etzung in Betracht kommt.

Ein medizinisc­her Gutachter bescheinig­te Oleg G., ein für die Justiz bis zur Tat unbeschrie­benes Blatt, am jüngsten Verhandlun­gstag, alkoholabh­ängig zu sein. Zur Tatzeit hatte der 59-Jährige, der seit Monaten in Untersuchu­ngshaft sitzt, offenbar zwischen 2,4 und 2,8 Promille Alkohol im Blut. Mit einem Urteil ist am kommenden Donnerstag zu rechnen.

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Foto: Peter Fastl Einem 59‰Jährigen wurde vorgeworfe­n, versucht zu haben, eine Nachbarwoh­nung in Brand zu setzen.

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