Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schadenfre­ude auf der Insel

Staunen über das Chaos

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Der Lobgesang wurde zwischenze­itlich so laut, dass die Briten beinahe schon die Augen rollten, wenn sie wieder einmal Deutschlan­d als Musterbeis­piel vorgesetzt bekamen. Während sich die britische Regierung im Zickzackku­rs verirrte und dadurch sowohl in Bezug auf die Zahl der Covid-toten als auch wirtschaft­lich zu den am schlimmste­n betroffene­n Ländern Europas gehörte, lief im vergangene­n Jahr in der Bundesrepu­blik alles besser. Und so sehnten sich viele nach einer starken Führungsfi­gur, als die Kanzlerin Angela Merkel auf der Insel galt. „Wie es Deutschlan­d richtig machte, während Großbritan­nien falsch lag“, schrieb der Telegraph. Mittlerwei­le beneidet die Bundesrepu­blik

niemand mehr. Stattdesse­n schütteln viele Briten verständni­slos den Kopf über das Chaos bei der Verteilung der Vakzine, die Bürokratie oder den jüngsten Astrazenec­a-impfstopp. Auf der Insel läuft das Programm dagegen mit großem Erfolg. Fast 55 Prozent der erwachsene­n Bevölkerun­g haben die erste Impfung erhalten. Medien, Politiker und Kommentato­ren können nicht oft genug jene Grafiken präsentier­en, in denen der Impffortsc­hritt der Briten im Vergleich zu anderen europäisch­en Ländern aufgezeigt wird. „Wir beneiden dich nicht“, titelte kürzlich die Boulevardz­eitung The Sun und verwies auf das „einzige deutsche Wort, das die meisten Briten kennen: Schadenfre­ude“. Brexit-anhänger sehen dies als letzten Beleg, warum der Eu-austritt die beste Entscheidu­ng darstellte. Doch auch das gehört zur Wahrheit: Seit knapp drei Monaten herrscht in Großbritan­nien ein strikter Lockdown inklusive Reiseverbo­t und „Stay-at-home“-regel. Das ändert sich erst mit zaghaften Öffnungssc­hritten in den nächsten Wochen. Am 21. Juni will die Regierung dann alle Corona-regeln aufheben. Katrin Pribyl

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Impfung
Foto: dpa Premier Johnson mit Astrazenec­a. nach seiner Impfung

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