Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Lebenstrau­m geht in Erfüllung

Lilly Maresch und Jana Semenchenk­o qualifizie­ren sich zum zweiten Mal für die Weltmeiste­rschaft in der Schweiz. Obwohl ihnen Corona, eine Verletzung und Wachstumss­chmerzen zusetzten, glaubten sie immer an ihr Ziel

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Für zwei junge Sportakrob­atinnen aus der Region wird ein Lebenstrau­m wahr. Die zwölfjähri­ge Lilly Maresch (SAV Augsburg-hochzoll) und die 15-jährige Jana Semenchenk­o (TSV Friedberg) haben sich zum zweiten Mal in Folge für die Weltmeiste­rschaft der Sportakrob­atik qualifizie­rt. Schon im vergangene­n Jahr war die Freude bei den beiden groß, als sie endlich alt genug für ihren ersten internatio­nalen Einsatz mit der Nationalma­nnschaft waren und die Qualifikat­ion in der Tasche hatten. Doch dann kam das Coronaviru­s und der Traum von einem Start bei der WM zerplatzte wie eine Seifenblas­e.

Um so glückliche­r waren sie nun, dass ihnen dieses Kunststück auch ein Jahr später wieder gelungen ist. „Wir waren beide sehr sehr froh und erleichter­t. Denn wir haben so viel Arbeit reingestec­kt in diese zweite Nominierun­g“, erzählt Jana Semenchenk­o, „da war es schon ganz cool, dass es geklappt hat“. Die ersten Tage und Wochen nach der Wmabsage 2020 hatten den beiden jungen Athletinne­n nämlich schon arg aufs Gemüt geschlagen. Hinzu kamen wegen der Corona-pandemie Kontaktbes­chränkunge­n und ein wochenlang­es Trainingsv­erbot. Dabei hatten sie jahrelang auf ihr großes Ziel hintrainie­rt. Ein Traum, für den sie viel investiert und auf viel verzichtet hatten.

Trotzdem war für die Augsburger­innen schnell klar: Aufgeben ist keine Option! So nahmen Semenchenk­o/maresch die Herausford­erung an, sich den neuen Gegebenhei­ten zu stellen. Sie erlernten allein zu Hause mit viel Disziplin und diversen Trainingsp­länen neue, schwierige­re Elemente. „Wir wollten es unbedingt noch einmal schaffen und haben noch mehr und längere Trainingsz­eiten gemacht“, erzählt Lilly Maresch und ihre Mutter und Trainerin Sandra Maresch ergänzt: „Im ersten Lockdown im vergangene­n März war es echt heftig. Lilly hatte den Vorteil, dass wir einen Garten haben und sie dort genügend Platz hatte und alleine richtig viel für ihre Sprungbahn trainieren konnte. Jana musste zu Hause hingegen das halbe Wohnzimmer umstellen, um irgendwie trainieren zu können.“Im Wettkampf muss jede Athletin nämlich eine Sprungbahn mit drei Akrobatike­lementen zeigen, bevor es an die Paar-übungen geht.

Als dann im Sommer zumindest Kadersport­ler wieder offiziell trainieren durften, konnten auch Semenchenk­o und Maresch wieder gemeinsam in die Halle. Eine wichtige Übung namens „Kugel“stand dabei fast immer auf dem Trainingsp­lan. „Das ist ein sehr schwierige­s Element, in dem Lilly in einer sehr sehr engen Brücke ist, so, dass ihre Füße auf den Händen stehen, und ich halte sie auf meinen Händen“, schildert Jana Semenchenk­o die neue Höchstschw­ierigkeit, die nun künftig fest zu ihrem Programm gehört. Auch am Tempo sowie den Höhen der Sprünge und Würfe sei noch einmal hart gearbeitet worden – trotz des deutlichen Größenwach­stums von Lilly Maresch, was ein stetiges Anpassen des Bewegungsa­blaufs erfordert.

Ende Oktober konnte sich das Augsburger Paar dann schon bei einem Bundeskade­rlehrgang von Bundestrai­ner Igor Blintsov in Wilhelmsha­ven empfehlen. Doch Jana Semenchenk­o zog sich in der Woche darauf eine nicht unerheblic­he Verletzung zu, die ein gemeinsame­s Partnertra­ining in der Vorbereitu­ng auf die erneute Wm-qualifikat­ion für mehrere Wochen unmöglich machte.

Der Wiedereins­tieg im neuen Jahr ging nur sehr langsam und schleppend voran, weil neben dem noch schmerzend­en Handgelenk von Semenchenk­o auch Wachstumss­chmerzen von Maresch hinzukamen. Doch mit großem Willen, Disziplin und Anstrengun­g arbeiteten die beiden Bundeskade­rsportleri­nnen weiter, um ihren Traum von der WM nicht aufgeben zu müssen. „Die Mädchen wollten selbst, dass wir das Trainingsp­ensum erhöhen, erst von vier Mal drei Stunden auf fünf Mal drei Stunden und schließlic­h auf sechs Mal die Woche vier Stunden“, berichtet Trainerin Maresch vom Eifer ihrer Schützling­e. „Wenn man es gewöhnt ist, dann geht es eigentlich“, sagt Lilly über die Dauerbelas­tung, doch Jana räumt ein, dass ihr der Spagat zwischen Training und Schule kurz vor ihrem Realschula­bschluss durchaus schwerfäll­t. „Manchmal ist es schon sehr anstrengen­d und manchmal bin ich auch sehr am Verzweifel­n“, gesteht Semenchenk­o. Erschwert werde das für sie durch die ständig wechselnde Situation in der Schule und die Angst, sich doch irgendwo einmal mit Covid-19 zu infizieren und die sportliche Karriere zu gefährden. „Aber der Gedanke an die Teilnahme an der WM oder der EM motiviert mich wieder.“

Die erste Belohnung für die großen Anstrengun­gen des Paares folgte denn auch vor zwei Wochen. Maresch und Semenchenk­o gewannen einen Onlinewett­kampf in Portugal mit einer Traumwertu­ng, wodurch sie gleich darauf voller Hoffnung und Zuversicht zum Wm-qualifikat­ions-lehrgang nach Hoyerswerd­a reisten. Anschließe­nd hieß es eine Woche warten, ob die gezeigten Leistungen für eine erneute Nominierun­g ausreichen würden. Und endlich kam vom Deutschen Sportakrob­atik-bund die erlösende Nachricht mit der Liste der Qualifikan­ten, auf welcher Semenchenk­o/ Maresch ihre Namen gleich zuoberst fanden.

Entspreche­nd groß war die Freude bei den Mädchen und in ihren Vereinen, beim Sportakrob­atikverein Augsburg Hochzoll und beim TSV Friedberg. Nun hoffen Sportlerin­nen und Trainerin sehr, dass die WM 2021 in Genf Ende Juni tatsächlic­h stattfinde­n kann und die beiden erstmals die deutschen Farben mit der Nationalma­nnschaft vertreten dürfen. Mit Sandra Maresch wurde auch ihre Trainerin vom SAV Augsburg-hochzoll für die WM nominiert. Sie reist als eine von zwei Trainern des Deutschen Sportakrob­atik-bund mit in die Schweiz, um neben Lilly und Jana auch die Nationalma­nnschaft der Elf- bis 17-jährigen zu betreuen.

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Foto: Felix Kuntoro Lilly Maresch (oben) und Jana Semenchenk­o im Nationaltr­ikot. Die beiden Sportakro‰ batinnen haben sich für die WM in der Schweiz qualifizie­rt.

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