Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Ort für zwei Leidenscha­ften

Tanja Kreutzer aus Augsburg leitet das Bauernhofm­useum im oberschwäb­ischen Wolfegg. Wie die Erfahrunge­n in der Heimatstad­t ihre neue Arbeit beeinfluss­en

- VON ANNA KATHARINA SCHMID

Ein Leben im Zickzack-kurs: So beschreibt Tanja Kreutzer ihren Werdegang. Die gebürtige Augsburger­in fand im Museum ihre Heimat – und mit ihrer neuen Stelle einen „Glücksgrif­f“. Seit Januar leitet sie das Bauernhaus­museum in Wolfegg zwischen Leutkirch und Ravensburg. „In der Arbeit im Museum verbinden sich meine zwei Leidenscha­ften, die Wissenscha­ft und die Nähe zu den Menschen“, sagt Kreutzer. Längere Zeit habe sie nach dieser Verbindung gesucht. Seit ihrem Studium der Kunstgesch­ichte in Augsburg habe sie vor allem der Mensch und das, was er schafft, interessie­rt. „Warum schaffen Menschen Dinge, was steckt dahinter? Welche Gedanken fließen hinein?“, zählt Kreutzer einige der Fragen auf, denen sie gerne nachgeht. Doch zur selben Zeit habe sie schon immer das Bedürfnis gehabt, aktiv zu sein, zuzupacken.

Aus diesem Grund arbeitete Kreutzer nach ihrem Studium drei Jahre als Regieassis­tentin für ein Musiktheat­er in Kaiserslau­tern. Sie konzipiert­e Veranstalt­ungen und führte Regie bei Theaterstü­cken. Sehr aktiv – aber mit wenigen Berührungs­punkten zur Wissenscha­ft. Sie kehrte zurück nach Augsburg, schrieb ihre Doktorarbe­it und volontiert­e am Staatliche­n Textil- und Industriem­useum (tim). „Da habe ich gemerkt: Ich bin angekommen“, sagt Kreutzer.

Für sie kommen im Museum viele Vorzüge zusammen: Forschung und Wissenscha­ft, aber auch die praktische Vermittlun­g an die Besucher. Das tim in Augsburg habe ihr gezeigt, dass ein Museum stets in der Zeit steht und nicht nur die Vergangenh­eit reproduzie­rt. „Die historisch­en Inhalte aufbereite­n und die aktuelle Gegenwart mit behandeln“, beschreibt Kreutzer ihren Anspruch.

In Wolfegg startete die Museumslei­terin im Januar mit geschlosse­nen Toren. Nicht nur wegen des Coronaviru­s – das Freilichtm­useum hat im Winter sowieso geschlosse­n. Kreutzer erinnert sich an den Moment im März, als sie zum ersten Mal Besucher empfangen durfte: „Ich habe so gestrahlt.“Bis zu 80 000 Menschen besuchten die Einrichtun­g jährlich, im vergangene­n Jahr war es wegen der Corona-pandemie jedoch nur ein Bruchteil. Kreutzer ist froh über das große Gelände: „Wir dürfen im Moment bis zu 2000 Besucher empfangen.“

Im Bauernhaus­museum steht die ländliche und bäuerliche Kultur im Fokus. „Das Thema kommt auf den großen Bühnen oft zu kurz“, sagt sie. Im Moment läuft eine Ausstellun­g zu Gastarbeit­ern und Gastarbeit­erinnen im ländlichen Oberschwab­en. Von ihrer Zeit im Augsburger tim habe sie für dieses Projekt wertvolle Erfahrunge­n mitgenomme­n. „Etwa ein Thema kultursens­ibel aufzuberei­ten, ohne Menschen zu verletzen.“Einen wesentlich­en Teil der Ausstellun­g machen Gespräche mit ehemaligen Gastarbeit­ern und ihren Kindern aus.

„Wir wollen das Wissen bewahren. In den letzten 50 Jahren hat es massive Veränderun­gen gegeben“, sagt die Museumslei­terin. Viel ländliches Kulturgut, etwa alte Handwerkst­raditionen, sei ausgestorb­en. Sie sehe es als ihre Aufgabe, es zu bewahren und an Menschen zu vermitteln. „Wir verstehen unsere Gegenwart besser, wenn wir die Vergangenh­eit kennen.“

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Foto: Kreutzer Tanja Kreutzer, die neue Museumslei­terin des Bauernhofm­useums in Wolfegg in Baden‰württember­g.

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