Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die Gülenbewegung baut ihre Strukturen aus
Hochqualifizierte türkische Flüchtlinge bringen Tempo in die Erweiterung des Augsburger Netzwerks. Kritiker mahnen, das Versteckspiel mit der Öffentlichkeit und das strenge Islamverständnis seien nicht zu unterschätzen
In Augsburg hat das Frohsinn Bildungszentrum Pläne für einen weiteren Kindergarten. Das Bildungsreferat bestätigt, dass der freie Träger Interesse bekundet hat. Der Verein gehört zur konservativ-muslimischen Gülen-bewegung und betreibt seit 25 Jahren Kitas in Augsburg, Mering und Gersthofen mit insgesamt 234 Betreuungsplätze. Nach Informationen unserer Zeitung geht es bei dem Vorhaben, das der Träger selbst nicht bestätigt, um das frühere Obi-gelände im Textilviertel. Dort plant die Sefunda Projekt Gmbh bis zu 400 Wohnungen und eine Kita. Die Bauplanung ist noch nicht abgeschlossen, wann der Bau startet, sei noch nicht abzusehen, so das Stadtplanungsamt. Auch in Mering sind laut Bürgermeister Florian Mayer Erweiterungen der Frohsinn-kitas Kinderwelt Mering und Kinderwelt Schlossmühlstraße im Gespräch.
Zusammen mit dem Frauenverein Calla, dem Rumi Kulturforum, mit einer Frauen- und zwei Männer-„lichthaus“-wgs sowie der Initiative für Flüchtlinge Augsburg (IFFA), die etwa 330 Geflüchtete aus der Türkei vertritt, bildet Frohsinn den Augsburger Knoten des weltweiten Netzwerks um den türkischen Prediger Fethullah Gülen. Als charismatische Autorität scharte er mit seinen Predigten und islamkonformen Visionen nach Art islamischer Bruderschaften eine millionenstarke, meist männliche Anhängerschaft um sich und wurde in der Türkei zum Staat im Staat. Mit seinem intransparenten Unternehmensund Stiftungsgeflecht expandierte das Netzwerk mit Schulen, Wohnheimen, Medien und zahlreichen mobilen türkischen Managern und Lehrern in alle Welt. Zwischen vier und zehn Millionen Menschen schlossen sich Gülens Bewegung an. Er selbst verließ die Türkei 1999, als die Justiz sich anschickte, ihn wegen subversiver Unterwanderung des Staates zu verhaften. Teile seiner Anhänger sollen mit seinem Wissen den Militärputsch 2016 unternommen haben. Seither stehen sie im Visier Erdogans, der sie verfolgt, als „Terroristen“verhaften und gewaltsam aus dem Ausland in die Türkei entführen lässt.
Das Frohsinn Bildungszentrum ist seit 1996 Teil dieser Bewegung. Allerdings gibt es bis heute keinen öffentlichen Hinweis darauf. Auch beim 1992 gegründeten Mutterverein Rumi nicht. Er ist Ritual- und Lernort der Anhänger. Hier werden die Predigten Gülens gehört, der Koran gelesen und der Umgang mit der Außenwelt geschult. Frohsinn ist das Fenster zu dieser Außenwelt, wegen der finanziellen Förderung vor allem zur Stadtverwaltung. Rumi trat außerhalb der „Gemeinde“nie in Erscheinung. „Die Existenz einer mit Frohsinn verbundenen Hintergrundorganisation haben wir immer vermutet, aber sie wurde abgestritten. Auch dass dort Imame tätig sind, die für die Verbindungen zur überregionalen Hierarchie in München zuständig sind, wurde in meiner Amtszeit bestritten“, erklärt Matthias Garte, der zwischen 2008 und 2015 Integrationsbeauftragter der Stadt Augsburg war.
Wie viele Kinder und Jugendliche werden seit der Ankunft der Flüchtlinge bei Rumi in islamischer Charakterund Moralbildung unterrichtet? Der Verein antwortet nicht. Unbeantwortet bleibt auch die Frage an Frohsinn, ob ein neuer Kindergarten in Planung ist. Geschäftsführer Mehmet Badal möchte diese Informationen „schützen“, erklärt er schriftlich. Die Fördersumme für die Kitas möchte er ebenfalls nicht nennen. Das bayerische Familienministerium errechnete für eine fiktive Kita in der Größe des Augsburger „Kinderland“jedoch eine Summe von rund 500.000 Euro. Eine Anfrage für ein Gespräch mit den Vorsitzenden von Frohsinn wird abgelehnt. Die beiden möchten nicht in der Öffentlichkeit stehen, erklärt Badal. Wo ist das Problem, wenn der Verein doch nichts zu verstecken hat, wie er betont? Das beim Amtsgericht einsehbare Vereinsregister und ein wenig Recherche zeigen: Die beiden sind Lehrer an staatlichen Schulen im Landkreis.
Auch um pädagogisches Personal einer möglichen neuen Kita kümmert sich Frohsinn bereits. Im Februar fand im Verein ein Online-seminar auf Türkisch statt: „Wie werde ich Vorschullehrer in Deutschland? Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten in den Vorschulen des Frohsinn Bildungszentrums.“Es zielte auf die Integration der etwa 70 Lehrer unter den Augsburger Gülen-flüchtlingen, die aus Gülenschulen, -Wohnheimen und -Lernzentren in Aserbaidschan, Georgien, Irak, Kasachstan, Ghana und der Türkei nach Augsburg kamen.
Geflüchtete treiben auch das Wachstum der Nachwuchsorganisation Frohsinn-jugend an. Deren Zielgruppe ist seit 2016 um etwa 300 Kinder und Jugendliche gewachsen. Seit ihrer Mitgliedschaft im Stadtjugendring hat die Frohsinn-jugend Zugang zu kommunalen Fördermitteln. Es gibt Hinweise, dass mit der Gruppe des Interkulturellen Dialogzentrums München (Idizem) ein Jugend-landesverband in Planung ist. Die verantwortlichen Studenten bei Frohsinn bestätigen dies auf Nachfrage. Die Satzung, die Grundlage ihrer Arbeit im Stadtjugendring ist, wollen sie nicht schicken. Sie befinde sich in Überarbeitung. Mit einer solchen Landesstruktur könnte sich die Gülen-bewegung um Aufnahme beim Bayerischen Landesjugendring bewerben.
So stünden ihnen staatliche Programme offen, die die internationale Jugendarbeit fördern. Die weltweite Mobilität der Anhänger schon in jungen Jahren ist unverzichtbar für das Konzept der „goldenen Generation“, mit der Gülen eine „neue Welt bauen“will. An dieser Vision und der in Teilen fundamentalistischen, muslimischen Missionsarbeit würde dann auch der bayerische Steuerzahler beteiligt.
Serdar Akin, Stadtratsmitglied der Grünen, kritisiert solche Parallelstrukturen in der Bildung. „Dass Anhänger der Gülen-bewegung als Flüchtlinge anerkannt werden, ist korrekt. Ihre Struktur jedoch wirkt nur nach außen modern, nach innen ist sie streng hierarchisch und geschlechtergetrennt organisiert. Eigene Lebensentwürfe zu ermutigen, gehört zu unserem Bildungskonzept, aber nicht zum Erziehungsprogramm der Gülen-bewegung.“
Und die Stadt? Margret Spohn, Leiterin des Büros für gesellschaftliche Integration, hat keine Berührungsängste mit der Bewegung. Sie tritt seit Jahren bei den vom Münchener Gülen-netzwerk initiierten Nymphenburger Gesprächen auf. Im letzten Jahr publizierte sie im „Handbuch des interreligiösen Dialogs“einen Aufsatz zum Zusammenspiel zwischen Kommunen und religiösen Gemeinschaften. Herausgeber war der deutsche Theologe Samet Er. Dieser und viele Autoren des Bandes zählen zum Gülen-umfeld. Gefragt, ob die Stadt Augsburg die Gülen-bewegung unterstützt, betont das Bildungsreferat, man stehe „Einrichtungen, die in Struktur und/oder Herangehensweise autoritäre oder gar totalitäre Standpunkte vertreten, ablehnend gegenüber. Weder die Stadt noch Frau Dr. Spohn sympathisieren mit der Gülen-bewegung.“
Die Frage zur neuen Kita bleibt unbeantwortet