Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Nervenkrie­g in der Union

Sowohl Markus Söder als auch Armin Laschet beharren auf ihrem Anspruch auf die Kanzlerkan­didatur. Eine Lösung könnte sich hinziehen. Unterdesse­n stärken Umfragen die Position des Csu-chefs weiter

- VON ULI BACHMEIER, BERNHARD JUNGINGER, FABIAN KLUGE, STEFAN LANGE UND NIKLAS MOLTER

Berlin/münchen Für viele Menschen ist der Freitag das Ende der Arbeitswoc­he. Im Unionspoke­r um die Kanzlerkan­didatur scheint das aber nicht zu gelten. Hier ist kein Ende absehbar. So viel Ratlosigke­it war noch nie bei der Union. Nachdem sich der Csu-vorsitzend­e Markus Söder am vergangene­n Wochenende als zweiter Kanzlerkan­didat neben CDU-CHEF Armin Laschet ins Spiel brachte, sind beide Seiten nicht mehr zur Ruhe gekommen. Immer lauter werden die Stimmen, die zu einer raschen Einigung mahnen. „Als eines von 400000 Cdu-mitglieder­n erfüllt mich die gegenwärti­ge Debatte mit großer Sorge, und sie macht mich traurig. Sie ist schädlich für unser Land, denn wir stehen vor enormen Weichenste­llungen für die nächsten Jahre“, sagt die frühere Cdu-vorsitzend­e Annegret Kramp-karrenbaue­r. Gesundheit­sminister Jens Spahn appelliert: „Mitten in diesem Wahljahr kann ich nur dafür werben, dass diese

Frage sehr schnell – idealerwei­se noch diese Woche – geklärt wird und idealerwei­se auch, indem die beiden sich einigen.“Doch wie soll eine Entscheidu­ng aussehen in dieser Patt-situation? Wer hat das Sagen? Präsidium und Bundesvors­tand oder doch eher die Fraktion mit den Abgeordnet­en? Die CSU drängt auf Letzteres – wohl wissend um den Rückhalt für Söder in diesen Reihen. „Die Bundestags­fraktion hat bei der Findung des Kanzlerkan­didaten der Union ein natürliche­s Mitsprache­recht“, sagt Csulandesg­ruppenchef Alexander Dobrindt unserer Redaktion. „Darauf habe ich stets hingewiese­n.“Mit den Beratungen sei Transparen­z hergestell­t worden, von einem schmutzige­n Ringen will er nichts wissen. „Im Stil war das einwandfre­i, es hat keine gegenseiti­gen Verletzung­en gegeben“, sagt er. „Damit besteht Klarheit über die Stimmung in den Parteigrem­ien, in der gemeinsame­n Bundestags­fraktion und in Teilen der Öffentlich­keit durch die Umfragen. Auf dieser Grundlage muss jetzt zügig eine Entscheidu­ng getroffen werden.“

Verschiede­ne Szenarien werden in der Union diskutiert, alle sind gleicherma­ßen unsicher. Nachdem sich für den Freitag keine Lösung im Streit zwischen Söder und Laschet fand und diese auch nicht für den Samstag erwartet wird, könnte es am Montag so weit sein. Denn der Sonntag wiederum steht im Zeichen des Gedenkens an die Corona-toten. Es wäre mindestens pietätlos, würde die Union ihre K-frage beantworte­n, während der Bundespräs­ident um die Opfer der Pandemie trauert. Eine Bekanntgab­e des Kandidaten am Montag hätte aus Unionssich­t den Charme, dass man den Grünen die Aufmerksam­keit rauben könnte. Denn die wollen am 19. April ihren Spitzenkan­didaten oder ihre Spitzenkan­didatin bekannt geben. Der Dienstag ist als Tag der Entscheidu­ng ein weiteres denkbares Datum. In Berlin findet dann die nächste Sitzung der Cdu/csubundest­agsfraktio­n statt.

Während Söder auf die für ihn sehr positiven Umfragen verweist, betont Laschet immer wieder, Umfragen könnten sich sehr schnell ändern. Zumindest am Freitag war dies aber noch nicht der Fall. Eine Erhebung des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey für unsere Redaktion zeigt: Im Vergleich zum Vormonat ist die Zufriedenh­eit mit der Arbeit des Ministerpr­äsidenten unter Bayern sogar deutlich gestiegen. Knapp jeder zweite Befragte (49,6 Prozent) attestiert dem CSU-CHEF, einen guten Job zu machen. 38,5 Prozent sehen hingegen Verbesseru­ngsbedarf. Im März hatte der Anteil der Unzufriede­nen erstmals seit langer Zeit leicht überwogen.

Doch noch einen Effekt verdeutlic­hen die Umfragen: Söder polarisier­t sogar in der Heimat stark. Je ein Viertel der Bayern ist mit seiner Arbeit entweder „sehr zufrieden“(24,3 Prozent) oder „sehr unzufriede­n“(25,4 Prozent). Dennoch kann Söder die besten Zustimmung­swerte seit rund drei Monaten verbuchen. Anders das Ergebnis für die CSU selbst: 40 Prozent der Bayern würden für die Christsozi­alen stimmen, wenn am Sonntag Landtagswa­hl wäre. Ein hoher Wert – doch eine absolute Mehrheit ist weiter nicht in Sicht. In alte Höhen hieven konnte Söder seine Partei also nicht. Doch auch andere Umfragen sprechen eher für ihn. Derzeit halten 44 Prozent der Bundesbürg­er und 72 Prozent der Unionsanhä­nger Söder für den geeigneter­en Kandidaten, wie der von Infratest dimap erhobene Deutschlan­dtrend ergab. Im Politbarom­eter der Forschungs­gruppe Wahlen hat Söder ebenfalls weiter die klar besseren Werte: Den Csuvorsitz­enden halten 63 Prozent aller Befragten und 84 Prozent der CDU/ Csu-anhänger für kanzlertau­glich. Armin Laschet trauen das Amt nur 29 Prozent zu und in den eigenen Reihen 43 Prozent.

„Da sieht man schon den Södereffek­t“, freut man sich im Csuvorstan­d. Auch in allen Landesvors­tänden der CDU mit Ausnahme von NRW und in der Jungen Union gebe es eine klare Pro-söder-stimmung. Einzig die Führung der Bundes-cdu sperre sich noch gegen den Kandidaten aus Bayern. Kann dort die Stimmung kippen? Zumindest will sich die Cdu-spitze die Entscheidu­ng nicht von der Fraktion aus der Hand nehmen lassen. Eine Abstimmung dort stehe nicht zur Debatte, heißt es.

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