Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Merkel setzt einen Notruf ab
Kanzlerin appelliert, keine Zeit zu verlieren
Berlin Die Bundeskanzlerin hat zur Eile bei der bundesweiten Coronanotbremse aufgerufen. „Jeder Tag früher, an dem die Notbremse bundesweit angewandt ist, ist ein gewonnener Tag“, sagte Angela Merkel mit Blick auf die drohende Überlastung der Krankenhäuser am Freitag in der ersten Beratung des Bundestags. Eine hitzige Debatte entzündete sich an den geplanten Ausgangsbeschränkungen ab 21 Uhr. Eine generelle Ablehnung der Pläne signalisierten AFD und Linke, die FDP droht mit einer Verfassungsklage. Die Kanzlerin warnte: „Das Virus verzeiht keine Halbherzigkeiten, sie machen alles nur noch schwerer. Das Virus verzeiht kein Zögern, es dauert alles nur noch länger. Das Virus lässt nicht mit sich verhandeln, es versteht nur eine einzige Sprache, die Sprache der Entschlossenheit.“
Im Bundestag wird nun fieberhaft über Details des geplanten Gesetzes verhandelt. Am Mittwoch soll es beschlossen werden. Kurz darauf soll der Bundesrat sein Votum abgeben. Kontaktbeschränkungen zum Brechen der dritten Welle sollen in Kreisen und Städten ab einer Inzidenz von 100 Neuinfektionen pro 100000 Einwohner innerhalb einer Woche greifen. „Die Intensivmediziner senden einen Hilferuf nach dem anderen – wer sind wir denn, wenn wir diese Notrufe überhören würden?“, sagte Merkel.
Die Kanzlerin ordnete das Gesetz als Schritt in Richtung Überwindung der Pandemie ein. „Die Notbremse ist also das Instrument, die drohende Überlastung unseres Gesundheitswesens zu verhindern. Systematisches Testen ist das Mittel bei niedrigeren Inzidenzen, konsequente, nachhaltige Öffnungen zu ermöglichen. Impfen ist der Schlüssel, die Pandemie zu überwinden.“
Mit Blick auf den Frühjahrslockdown 2020 sagte Merkel: „Wir haben es doch schon einmal geschafft, wir können es jetzt wieder schaffen.“Die übergroße Mehrheit der Menschen in Deutschland helfe bereits unverändert durch Einhaltung der Schutzmaßnahmen mit.
Trotz kritischer Haltung versicherte auch FDP-CHEF Christian Lindner der Großen Koalition Zustimmung für eine größere Rolle des Bundes in der Pandemie-bekämpfung. „Es ist richtig, dass nun bundeseinheitlich gehandelt wird“, sagte er. Mit Blick auf die geplanten Ausgangsbeschränkungen kündigte Lindner Vorschläge an, das Gesetz „verfassungsfest“zu machen. Die FDP werde vors Bundesverfassungsgericht ziehen, wenn auf die Bedenken nicht eingegangen werde. Merkel sagte, andere Staaten hätten solche Maßnahmen „zum Teil erheblich restriktiver“praktiziert. „Es geht darum, abendliche Besuchsbewegungen von einem Ort zum anderen – im Übrigen auch unter Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs – zu reduzieren.“
Spd-gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte: „Es wird allein nicht reichen, aber in keinem Land ist es gelungen, eine Welle mit Variante B.1.1.7 noch einmal in den Griff zu bekommen, ohne dass man nicht auch das Instrument der Ausgangsbeschränkung, und nicht -sperre, genutzt hätte.“