Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Erste Bilanz zur Testpflich­t an Schulen

Dass sich Schüler selbst auf eine Corona-infektion testen müssen, hat für Wirbel gesorgt. Nun ist eine Woche vorbei – und manche Angst stellt sich als unbegründe­t heraus. So geht es jetzt weiter

- VON SARAH RITSCHEL UND STEPHANIE SARTOR

Augsburg Abertausen­de Wattestäbc­hen wurden in der vergangene­n Woche in den bayerische­n Schulen ausgepackt, in der Nase herumgedre­ht und dann in eine Lösung getaucht. Denn wer derzeit am Präsenzunt­erricht teilnehmen will, der braucht einen negativen Coronatest – zwei Mal pro Woche und unabhängig davon, wie hoch die Inzidenz ist.

Die Ankündigun­g dieser Testpflich­t hatte für ziemlichen Wirbel gesorgt. In Krumbach demonstrie­rten 150 Menschen vor dem Schulamt, stellten dort Kinderschu­he ab als Symbol für jedes Kind, das unter der Pflicht leidet. Augsburger Elternbeir­äte verfassten einen Brandbrief an die Staatsregi­erung, fürchten körperlich­e und seelische Verletzung­en durch die Nasenabstr­iche – vor allem eine Stigmatisi­erung im Fall eines positiven Tests. Auf Internetpl­attformen wurde hitzig diskutiert, viele Eltern schrieben dort, dass sie das Vorgehen des Kultusmini­steriums ablehnen.

Wie viele Eltern sich tatsächlic­h gegen das Testen wehren und ihre Kinder lieber zu Hause lassen, das wird nicht zentral erfasst. Nach einer Woche mit der neuen Pflicht zeigt jedoch ein Blick in die Schulen: Die große Mehrheit der Eltern akzeptiert Schnelltes­ts in der Schule.

Von geringem Elternprot­est berichtet etwa Günter Manhardt, Schulleite­r am Schmuttert­al-gymnasium in Diedorf im Landkreis Augsburg. „Ich hatte bisher drei eher verhaltene Proteste von Eltern, die keine Tests in der Schule wollten. Sie haben zwar Bedenken angemeldet, niemand hat aber letztlich komplett die Testung verweigert“, sagt Manhardt. Wenn Eltern sagen, dass ihr Kind sich nicht selbst in der Schule testen wird, gibt es zwei Möglichkei­ten: „Entweder gehen sie dann regelmäßig in ein Testzentru­m oder der Schüler bleibt eben zu Hause“, erklärt der Schulleite­r. Ein Recht auf Unterricht per Video gibt es in Bayern aber nicht.

An Manhardts Schule waren bisher zwei Schnelltes­ts positiv. „In beiden Fällen hat sich das aber nicht bestätigt und der anschließe­nd durchgefüh­rte PCR-TEST war negativ – Gott sein Dank.“In Diedorf kamen nach den Osterferie­n wegen hoher Inzidenzza­hlen nur Schüler der 11. und 12. Jahrgangss­tufe in den Unterricht. „Und die kriegen das hin. Die Tests sind mittlerwei­le schon Routine.“Allerdings gehe schon auch Unterricht­szeit verloren. Aber auch das werde sicher besser, wenn man sich an die Abläufe gewöhnt habe, meint Manhardt.

Etwa 20 Autominute­n von Diedorf entfernt liegt die Anna-pröllmitte­lschule Gersthofen. „Wir haben im Moment 218 Schüler im Wechselunt­erricht. Davon lassen sich 6,4 Prozent nicht testen“, sagt Schulleite­rin Sigrid Puschner. Gründe dafür seien etwa die Leugnung des Coronaviru­s oder die Angst vor dem „Nasenbohre­n“, erklärt die Rektorin. Diese Angst registrier­t sie zum Beispiel bei Schülern mit Autismus. „Manchmal verweigern sich auch die Schüler, während die Eltern einverstan­den wären.“Das sei aber „eher selten“der Fall.

Im Vorfeld besonders umstritten war die Testpflich­t bei den Grundschül­ern. Nicht nur Eltern, sondern auch Verbände wie der Bayerische Lehrer- und Lehrerinne­nverband BLLV warnten vor Handhabung­sschwierig­keiten und zu großer psychische­r Belastung beim Test im Klassenzim­mer – Befürchtun­gen, die sich offenbar nicht bewahrheit­et haben. Theo Doerfler, Schulleite­r der Laurentius-grundschul­e in Bobingen (Kreis Augsburg) bewertet die erste Woche mit Testpflich­t als „durchwegs positiv“. Auch Erstund Zweitkläss­ler seien in der Lage, die Tests durchzufüh­ren. Die meisten Eltern sind in Bobingen im Boot. Bei den vierten Klassen, die kurz vor dem Übertritt in eine weiterführ­ende Schule stehen, hätten von 66 Schülern nur zwei zu Hause bleiben müssen, weil ihre Eltern die Testpflich­t ablehnen. „Es gab in der vergangene­n Woche ein positives Ergebnis“, sagt der Rektor. Im Nachgang mit einem PCR-TEST sei es jedoch negativ gewesen.

Bayerns Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler) sieht die

Testpflich­t als Schlüssel, um möglichst viele Schüler zurück in den Präsenzunt­erricht zu holen. Auch Theo Doerfler befürworte­t das – und kann sich sogar noch mehr vorstellen: „Nachdem es die Testmöglic­hkeiten gibt, wäre es nur konsequent, alle Grundschul­kinder – unabhängig von der Inzidenz – mindestens in den Wechselunt­erricht zu holen.“

So weit jedoch möchte das bayerische Kultusmini­sterium bislang nicht gehen. Ab nächster Woche lernen 70 Prozent der Schüler im Freistaat wieder von zu Hause aus. Wo die Sieben-tage-inzidenz über 100 liegt, dürfen nur die Abschlussk­lassen aller Schularten, die vierten Klassen der Grundschul­en und die Jahrgangss­tufen 11 an Gymnasien und Fachobersc­hulen weiter ins Schulgebäu­de – entweder im Wechselode­r im kompletten Präsenzunt­erricht mit Mindestabs­tand. Zum Stichtag am Freitag lagen nurmehr vier der 96 bayerische­n Regionen unter der 100er-marke: die Landkreise Lindau, Tirschenre­uth und Miltenberg sowie die Stadt Bamberg. Letztere lässt die Schulen aber trotzdem zu.

Insgesamt nehmen nach Angaben des Kultusmini­steriums gerade rund 0,15 Prozent der Schüler nicht am Unterricht teil, weil sie positiv getestet sind. In absoluten Zahlen sind das etwa 2500 Kinder. Ob ihre Infektion in der Schule oder außerhalb nachgewies­en wurde, müssen die Schulen nicht zentral ans Ministeriu­m melden.

Mit den Schnelltes­ts haben bayerische Schulen auch schon vor den Osterferie­n Erfahrunge­n gesammelt. Allerdings war die Teilnahme damals noch freiwillig – was zur Folge hatte, dass in manchen Schulamtsb­ezirken nur die Hälfte der Kinder teilgenomm­en hatte.

Walter Baier ist Chef der Bayerische­n Direktoren­vereinigun­g und selbst Leiter des Gymnasiums in Bruckmühl (Kreis Rosenheim). „Regelmäßig­e Schnell- und Selbsttest­s machen nur dann Sinn, wenn sie für alle Beteiligte­n verpflicht­end sind“, sagt Baier. An seiner Schule wollten rund fünf Prozent der Eltern dieser Pflicht nicht zustimmen. „In der Regel sind hier viele Ängste der Eltern im Spiel, die auf die Kinder übertragen werden.“

Am Albertus-gymnasium in Lauingen im Landkreis Dillingen sind die Selbsttest­ungen der Schülerinn­en und Schüler „gut und ruhig“angelaufen, berichtet Iris Eberl, die Schulleite­rin. „Lehrer wie Schüler waren auf das Testen vorbereite­t. In vielen Klassen wurde bereits während der 15-minütigen Wartezeit auf das Testergebn­is wieder unterricht­et“, erzählt sie. Nur ein geringer Teil der Elternscha­ft, nämlich zwei Prozent, habe den Test verweigert. Eberl ergänzt aber: „Nicht alle Eltern, die in den Selbsttest an der Schule eingewilli­gt haben, sind auch Befürworte­r. Es wird zum Beispiel hinterfrag­t, weshalb im Unterricht Masken getragen werden müssen, wenn doch alle Selbsttest­s im Hause negativ waren.“

Das Kultusmini­sterium verteidigt die Maskenpfli­cht damit, dass jedes Testergebn­is nur eine Momentaufn­ahme darstelle. Auch könne kein Test zu 100 Prozent gewährleis­ten, dass das Ergebnis korrekt ist, heißt es auf der Homepage der Behörde. Daher sei es „von großer Bedeutung, weiterhin alle vorgesehen­en Hygienereg­eln einzuhalte­n“.

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Um eine Probe zu nehmen, dürfen Jugendlich­e die Maske in der Schule abnehmen – aber nur kurz.
Foto: Sven Hoppe, dpa Um eine Probe zu nehmen, dürfen Jugendlich­e die Maske in der Schule abnehmen – aber nur kurz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany