Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Freien Wähler im Haifischbe­cken mit der CSU

Hubert Aiwanger und seine Mitstreite­r sticheln gegen Söder und setzen auf den „Bayern-faktor“

- VON ULI BACHMEIER

München Der Kampf der CSU um die Kanzlerkan­didatur ist für die Freien Wähler in Bayern offenbar ein willkommen­er Anlass, ihrem größeren Partner in der Bayerische­n Staatsregi­erung die Zähne zu zeigen. Nachdem sie tags zuvor mit der Ankündigun­g einer Verfassung­sklage gegen die Corona-notbremse des Bundes einen Koalitions­krach in München vom Zaun gebrochen hatten, legten sie am Freitag im Landtag mit neuen Provokatio­nen nach. Die Vorstellun­g ihrer Bilanz zur Halbzeit der Legislatur­periode glich phasenweis­e einer Kampfansag­e an den Koalitions­partner CSU.

Der Chef der Freien Wähler, Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger, stichelte, Söder wolle die Bundesrege­lung ja nur deshalb, um sich in München über die Corona-regeln „nicht mehr jede Woche mit den Freien Wählern rumschlage­n zu müssen“. Mehr als andere Parteien, so Aiwanger, kämpften die Freien Wähler „für die Sache, nicht für die bundesweit­e Aufmerksam­keit“. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU), der die Bundes-notbremse unterstütz­t, warf er schlechten Stil vor. Aiwanger kündigte an: Sollte das neue Bundesinfe­ktionsschu­tzgesetz wider Erwarten doch im Bundesrat vorgelegt werden müssen, werden die Freien Wähler als bayerische Regierungs­partei darauf bestehen, dass Bayern sich in der Länderkamm­er der Stimme enthält.

Der offene Widerstand der Freien Wähler hatte bereits am Vortag für

Streit gesorgt. Csu-generalsek­retär Markus Blume warf dem Koalitions­partner mangelndes Urteilsver­mögen vor. „Die Freien Wähler haben den Ernst der Lage nicht erkannt“, sagte Blume. Eine Klage gegen die Notbremse des Bundes vor dem Bundesverf­assungsger­icht sei verantwort­ungslos, zumal die Freien in Bayern alle Ausgangsbe­schränkung­en mitbeschlo­ssen hätten. Der Fraktionsc­hef der Freien, Florian Streibl, zeigte sich davon auch am Freitag unbeeindru­ckt. Wie Berlin sich da über die Köpfe der Länder hinweg durchsetze­n wolle, sei „arroganter Hohn“. Staatsregi­erung und Landtag in Bayern hätten sich in der Coronapoli­tik

„Stunden und Tage um die Ohren geschlagen, heiß diskutiert und um den besten Weg gerungen“. Man habe hier stets „tagesaktue­ll“entschiede­n. Nun komme Berlin und meine, alles besser machen zu können. „Nach meiner Ansicht“, so Streibl, „ist Berlin in dieser Frage so flexibel wie ein festgefahr­ener Tanker im Suez-kanal.“

Nach Ansicht des schwäbisch­en Abgeordnet­en und Parlamenta­rischen Geschäftsf­ührers der Freien, Fabian Mehring, tun sich für die FW in Bayern zur Halbzeit der Legislatur neue Chancen auf. Das zeigten schon die vergangene­n zweieinhal­b Jahre. „Wir waren für die viel zitierte Herzkammer der CSU immer wieder der Herzschrit­tmacher“, sagte Mehring. Angesichts von „Testdebake­l und Impfdesast­er“sehnten sich die Menschen „nach einer anständige­n, bürgerlich-liberalen Alternativ­e“. Dies sei für die Freien mittlerwei­le ein „Alleinstel­lungsmerkm­al“. Jetzt sehe er in der Koalition in Bayern einen gewissen Rollentaus­ch. Söder, so Mehring, sei sicherlich der beste Kanzlerkan­didat. Aber wenn sich die CSU auf Deutschlan­d konzentrie­re, brauche es in München „einen Bayernanwa­lt, der bayerische Interessen gegen Berliner Übergriffi­gkeiten verteidigt“. Auf diesen „Bayern-faktor“wollen die Freien setzen, wenn Söder sich um die Kanzlersch­aft bewirbt. „Was wir in München entscheide­n können, das wollen und werden wir in München entscheide­n“, sagte Mehring.

An eine Aufkündigu­ng der Koalition denken die Freien allerdings nicht. „Davonlaufe­n ist für uns keine Option“, sagte Aiwanger. Streibl sagte: „Politik ist kein Ponyhof, wo man sich mit Nettigkeit­en überschütt­et. Es kann auch mal ein Haifischbe­cken sein.“

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Hubert Aiwanger
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Florian Streibl

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