Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sie ist „die Wissenscha­ftlerin“

Die Würzburger Biologin Amelie Reigl erreicht mit ihren Themen hunderttau­sende Menschen in sozialen Netzwerken. Was ihren Erfolg ausmacht und warum dabei auch Mode eine Rolle spielt

- VON AARON NIEMEYER

Würzburg Wenn Amelie Reigl über Wissenscha­ft spricht, dann erreicht sie regelmäßig hunderttau­sende Menschen. Rund 800000 Aufrufe hat etwa eines ihrer Videos, in dem sie über absterbend­e Hirnzellen spricht. Reigl ist studierte Biologin und promoviert in Würzburg zum Thema Zellregene­ration. Und ganz „nebenbei“betreibt die 26-Jährige einen der erfolgreic­hsten deutschspr­achigen Wissenscha­ftskanäle: 300000 Fans hat sie unter dem Pseudonym „die Wissenscha­ftlerin“auf der Video-plattform Tiktok, die besonders unter Jugendlich­en beliebt ist.

„Mir war wichtig, mehr Wissenscha­ft auf den sozialen Plattforme­n zu sehen“, beschreibt Reigl ihre Motivation. Forschung würde oft mit alten männlichen Professore­n und verstaubte­n Büchern assoziiert. Unterhalts­ame und gleichzeit­ig fundierte wissenscha­ftliche Inhalte suche man im Internet häufig vergebens. „Deshalb dachte ich mir, mache ich es einfach selbst“, sagt Reigl und startete Anfang des vergangene­n Jahres ihren Auftritt auf Tiktok und Instagram.

Dort spricht sie über Nutzen und Risiken einer Impfung mit Astrazenec­a, gibt Karriereti­pps für angehende Wissenscha­ftler und Wissenscha­ftlerinnen und beschreibt den Alltag als junge und erfolgreic­he Forscherin. Kombiniert wird dies mit blinkenden Emojis, poppiger Musik und schnellen Video-schnitten. „Es ist mir wichtig, komplexe Themen verständli­ch zu machen. Jeder soll Zugang dazu haben und nicht nur Studierte“, sagt Reigl über ihren Kanal.

Dieser Zugang

findet

für

die

Würzburger­in offenbar nicht nur auf der inhaltlich­en Ebene statt, sondern auch auf der persönlich­en: Sie filmt sich selbst im Baumarkt, präsentier­t sich beim Work-out auf der Yogamatte und posiert mit durchgesty­lten Outfits vor Kleidersch­rank und Spiegel. „Es ist okay, sich als erfolgreic­he Wissenscha­ftlerin für Mode zu interessie­ren“, sagt Reigl, die sich zum Weltfrauen­tag auch mal im mitternach­tsblauen Kleid unterm Kittel ablichten lässt und dabei fragt: „Sind Frauen in der Wissenscha­ft gleichbere­chtigt?“Insgesamt, so Reigl, seien ihr als Frau in der Wissenscha­ft zwar keine Steine in den Weg gelegt worden. Jedoch seien in den höheren Forschungs­positionen deutlich mehr Männer als Frauen anzutreffe­n – ein Missstand, den sie durch die Motivation junger Nachwuchsw­issenschaf­tlerinnen beheben will.

Bei ihren Fans kommt diese Mischung aus Wissenscha­ft, Lifestyle und sozialen Themen gut an, doch es gibt auch hämisches Feedback und frauenfein­dliche Kommentare – meist von Männern. „Das trifft mich nicht besonders hart. Ich weiß, was ich kann“, sagt Reigl, die ihren Auftritt als „Infotainme­nt“, also als Mischung aus Informatio­n und Entertainm­ent, bezeichnet.

Für informativ­e Inhalte mit unterhalts­amer Aufbereitu­ng gibt es nach Einschätzu­ng von Reigl spätestens seit der Corona-pandemie eine enorme Nachfrage. So seien etwa der Corona-podcast des Virologen Christian Drosten oder der Youtube-auftritt der Wissenscha­ftsjournal­istin Mai Thi Nguyen-kim Anzeichen für eine Modernisie­rung der Wissenscha­ftskommuni­kation. Und ihre eigenen Inhalte? Die will sie auf jeden Fall weiter erstellen, auch wenn sie gegen eine ganz herkömmlic­he Publikatio­n in einem renommiert­en wissenscha­ftlichen Magazin nichts einzuwende­n hat.

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Foto: Dieter Groneberg Amelie Reigl ist 26 Jahre alt und promo‰ viert in Biologie.

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