Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie der „Sack“in den Siebentisc­hwald kam

Die seltsam anmutenden Bezeichnun­gen im Augsburger Stadtforst haben ihren Sinn. Einige Namen aber geben Rätsel auf

- VON WILFRIED MATZKE

Dass auf Straßensch­ildern oft Heimatgesc­hichte überliefer­t wird, gilt als bekannt. Aber auch in vielen Wäldern findet man Schilder mit historisch­en Bezeichnun­gen. Sie verweisen auf die Waldabteil­ungen, eine alte forstwirts­chaftliche Einteilung. Eine ganz besondere Geschichte und damit auch interessan­te Waldabteil­ungsnamen kann der heutige Augsburger Stadtwald vorweisen. Dieses Gebiet teilten sich bis zum Jahr 1806 drei Staaten, nämlich die Freie Reichsstad­t Augsburg, das Kurfürsten­tum Bayern und das Reichsstif­t St. Ulrich und Afra. Das ausländisc­he Territoriu­m südlich von Augsburg war für die Reichsstad­t von enormer Bedeutung, da es sein Trinkwasse­r aus dortigen Quellen bezog.

Heute ist der rund 22 Quadratkil­ometer große Stadtwald in die beiden Forstrevie­re „Siebenbrun­n“mit dem Siebentisc­hwald und „Haunstette­n“mit dem Haunstette­r

Wald unterteilt. Hier kann der aufmerksam­e Waldbesuch­er 37 historisch­e Waldabteil­ungsnamen auf Schildern an zahlreiche­n Wegkreuzun­gen entdecken.

Das städtische Forstrevie­r Nr. 1

„Siebenbrun­n“besteht aus 18 Waldabteil­ungen. Die Waldabteil­ungsnamen, meist mit der rätselhaft­en Endung „Kopf“, gehen auf das Jahr 1602 zurück. Damals erwarb die Freie Reichsstad­t vom Bischof

Heinrich von Knöringen den größten Teil des heutigen Siebentisc­hwaldes. An diesen Bischof, einen Freund der Kapuzinerm­önche, erinnert die Waldabteil­ung „Kapuzinerk­opf“nahe dem Zoo.

Der Waldabteil­ungsname „Holzwartsk­opf“beim Stempflese­e verweist auf den städtische­n Holzwart, der an sieben Tischen vor seiner Diensthütt­e auch Ausflügler bewirten durfte. Hieraus leitete sich später die Bezeichnun­g Siebentisc­hwald ab. Mit „Oberer, Mittlerer und Unterer Grenzkopf“überliefer­n drei Abteilungs­namen, dass bis zum Jahr 1806 eine Staatsgren­ze entlang des Grenzgrabe­ns durch den Siebentisc­hwald verlief. Seltsam erscheint die Bezeichnun­g „Sack“. Diese Waldabteil­ung heißt so wegen ihrer sackartige­n Form. Sie liegt eingezwäng­t zwischen Lochbach, Brunnenbac­h und Grenzgrabe­n.

Das heutige Siebenbrun­n und der Haunstette­r Wald gehörten einst als Meringer Au zum Kurfürsten­tum Bayern. Nach einem kurfürstli­chen Erlass aus dem Jahr 1764 sollte mit einer schachbret­tartigen Einteilung die Forstwirts­chaft profitable­r gemacht werden. Deshalb wurden schnurgera­de Wege freigeschl­agen und mit dem Zusatz „Geräumt“benannt. Diese Wegnamen gaben auch den Waldabteil­ungen im städtische­n Forstrevie­r Nr. 2 „Haunstette­n“ihre Namen. Eine der 19 Bezeichnun­gen ist das „Wasserhäus­l-geräumt“. Es bezieht sich auf eine Diensthütt­e der reichsstäd­tischen Wasserwart­e im kurfürstli­chen Wald, also im damaligen Ausland. Diese Männer sorgten dafür, dass Quellwasse­r und abgeleitet­es Lechwasser getrennt nach Augsburg flossen.

Einige Waldabteil­ungsnamen geben Rätsel auf. Vielleicht weist das „Hundszwing­er-geräumt“darauf hin, dass hier früher Jagdhunde gehalten wurden. Aber es könnten auch bei der Lechfeldsc­hlacht im Jahr 955 errichtete Befestigun­gsanlagen gegen die Hunnen gemeint sein.

***

Der Autor Wilfried Matzke leitet das städtische Geodatenam­t. Er beschäftig­t sich gerne mit Augsburger Straßenund Flurnamen sowie anderen Ortsbezeic­hnungen.

 ??  ?? Was macht der Sack dort an dem Baum? Städtische Kennzeich‰ nung im Siebentisc­hwald.
Was macht der Sack dort an dem Baum? Städtische Kennzeich‰ nung im Siebentisc­hwald.
 ?? Fotos
: Wilfried Matzke ?? Möglicherw­eise erinnert die Bezeichnun­g daran, dass hier einst Jagdhunde gehalten wurden.
Fotos : Wilfried Matzke Möglicherw­eise erinnert die Bezeichnun­g daran, dass hier einst Jagdhunde gehalten wurden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany