Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Corona-management: Wie viel Kritik muss sein?

Die Sozialfrak­tion hat die Stadtregie­rung für deren Agieren in der Pandemie hart kritisiert. Es ist gut, dass die Opposition genau hinschaut. Doch der Stadt Untätigkei­t vorzuwerfe­n, ist nicht angebracht

- VON JÖRG HEINZLE joeh@augsburger‰allgemeine.de

Es war ein kurzer Schlagabta­usch zwischen Augsburger Stadtregie­rung und Opposition in dieser Woche. Die Sozialfrak­tion aus SPD und Linksparte­i zweifelte am Corona-krisenmana­gement der Stadt – speziell an den Abläufen im Gesundheit­samt. Laut Stadt gelingt es derzeit in den meisten Fällen, Corona-infizierte und deren enge Kontaktper­sonen binnen 24 Stunden zu informiere­n. Von den Stadträten der Sozialfrak­tion dagegen heißt es, sie hätten zuletzt vermehrt Rückmeldun­gen von Bürgern erhalten, die länger auf einen Anruf vom Amt warten mussten. Die größte Opposition­sgruppe im Stadtrat wetterte: Die Stadt arbeite offenbar mehr nach dem Prinzip „Hoffen und Bangen“als dass sie handle.

Es ist die Aufgabe der Opposition, den Regierende­n genau auf die Finger zu schauen, Kritik zu üben und sie, im Idealfall, zu besseren Leistungen anzutreibe­n. Gleichzeit­ig hat die Opposition auch das Glück, dass sie zwar fordern kann, aber es nicht umsetzen muss. Im Augsburger Stadtrat war die Opposition über Jahre hinweg schwach. Das lag am großen Bündnis aus CSU, SPD und Grünen, das ALT-OB Kurt Gribl für seine zweite Amtszeit geschmiede­t hatte. Einzelkämp­fer wie der Freie-wählerstad­trat Volker Schafitel taten sich schwer. Der Architekt Schafitel etwa hatte frühzeitig vor einer Kostenexpl­osion bei der Sanierung des Theaters gewarnt – und damit letztlich Recht behalten.

Es schadet dem politische­n Diskurs, wenn zu wenig Gegenstimm­en und andere Meinungen präsent sind. Das kann man nach inzwischen rund einem Jahr in der aktuellen Ratsperiod­e nicht mehr sagen. Die Opposition ist präsent und verschafft sich Gehör. Vor allem die Sozialfrak­tion und die Bürgerlich­e Mitte aus Freien Wählern, FDP und Pro Augsburg zeigen eine bemerkensw­erte Energie mit einer Vielzahl von Anträgen und Anfragen. Mitunter nervt das die Vertreter der Stadtregie­rung, das merkt man in manchen Sitzungen deutlich. Allerdings: Auch das gehört dazu, die Opposition muss nerven.

Die pauschale Corona-kritik der Sozialfrak­tion ist allerdings übers

Ziel hinausgesc­hossen. Einer seit einem Jahr im Krisenmodu­s befindlich­en Stadtregie­rung im Grunde Untätigkei­t vorzuwerfe­n, ist unfair. Man kann, darüber wurde schon viel diskutiert, die Frage stellen, ob sich die Stadt im Herbst besser für die zweite Welle hätte rüsten können.

Im Nachhinein kann man sagen: Ja. Die Verstärkun­g für das Gesundheit­samt kam damals zu spät. Die Zahlen waren da schon zu hoch, die Stadt wurde von der zweiten Corona-welle überrollt. Anderersei­ts ist es aber auch so, dass man hinterher klüger ist.

Aktuell sieht es aber anders aus. Den Vorwurf, die dritte Welle zu verschlafe­n, wollten sich Oberbürger­meisterin Eva Weber und Stadtregie­rung nicht machen lassen. Inzwischen ist das Gesundheit­samt für die Kontaktver­folgung personell, aber auch technisch viel besser ausgestatt­et – und es gibt auch noch eine Reserve von rund 100 Mitarbeite­rn. Die Stadt hat zudem mit Wolfgang Meßmer einen erfahrenen Experten für Organisati­on an

Kommunen müssen

viel ausbügeln in dieser Pandemie

die Spitze des Amtes gesetzt. Bestimmt ist es so, dass noch immer nicht alles rundläuft. Bestimmt wird es Fälle geben, in denen bei der Kontaktnac­hverfolgun­g oder der Kontrolle der Quarantäne etwas nicht klappt. Und noch ist unklar, welche Ausmaße die aktuelle Corona-welle noch annehmen wird

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Foto: Ulrich Wagner Glocke im Sitzungssa­al des Augsburger Rathauses: Die Opposition verschafft sich im Stadtrat mehr Gehör.
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