Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Mann streut Lügen über Kinderbordelle
Ein 68-jähriger Rentner aus Nordrhein-westfalen hat im Internet Unwahrheiten verbreitet und dabei auch den früheren Augsburger Oberbürgermeister Kurt Gribl beschuldigt. Vor Gericht zeigt er sich reumütig
In Augsburg würden Kinder ihren Eltern weggenommen und zwangsweise in Kinderbordelle gesteckt – und das mit Wissen des (damaligen) Oberbürgermeisters Kurt Gribl und des städtischen Jugendamts. Weil er solche Lügen auf seinem Facebookkanal im Internet verbreitet hat, wurde jetzt ein 68-jähriger Rentner aus Nordrhein-westfalen vom Augsburger Amtsgericht wegen Verleumdung zu einer Geldstrafe von 2100 Euro verurteilt. Gegen eine 32-jährige Bekannte des Mannes und mitangeklagte Frau aus Augsburg, die seine Behauptungen auf ihrem eigenen Internet-kanal weiterverbreitet hatte, wurde das Verfahren eingestellt.
Der Angeklagte erschien wie die 32-jährige Hausfrau ohne Rechtsanwalt vor Richterin Rita Greser und räumte „unprofessionelles Handeln“ein. Er gestand die Äußerungen ein. Er setze sich, sagt er selbst, seit vielen Jahren ehrenamtlich in Sachen Kinderschutz ein, betreibe auch eine Plattform im Internet. Dabei habe er die 32-Jährige aus
Augsburg kennengelernt. Die fünffache Mutter habe Probleme in Sorgerechtssachen mit dem Augsburger Jugendamt und mit der Justiz gehabt. Gemeinsam mit dem Angeklagten war sie auf einen 45 Minuten langen Videofilm im Internet gestoßen, in dem ein angeblich selbst von Missbrauch Betroffener mit dem Auto durch Augsburg fahre und vor laufender Kamera angebliche Hinweise auf Kinderbordelle aufzeige. Selbst im unmittelbaren Umfeld des Rathauses und der damaligen Rathaus-polizeiwache erkläre der Mann anhand von sogenannten „Tags“auf Türen, Toren oder Wänden, vor Gericht auch als „Schmierereien“bezeichnet, was und wie es in Augsburg laufe.
Im Mai 2019 schließlich veröffentlichte der nun Angeklagte selbst seine Stellungnahme im Internet, so der 68-jährige Angeklagte. Reumütig räumte er gegenüber Richterin Greser seine Versäumnisse in Sachen journalistischer Sorgfaltspflicht ein. Ja, es hätte sich gehört, sich vor einer Veröffentlichung über die Glaubhaftigkeit der Quelle zu informieren und Beteiligte, gar angegriffene Personen wie OB Gribl oder die Leitung des Augsburger Jugendamtes zu den Vorwürfen um eine Stellungnahme zu bitten.
Er und die Angeklagte mussten sich von der Richterin belehren lassen, dass hierzulande niemandem von Behörden „Kinder entwendet“würden, sondern dass es Sorgerechtsbeschlüsse gebe.
Mehrere Zeugen von Augsburger Kriminalpolizei und städtischem Jugendamt bestätigten dem Gericht, dass es in den vergangenen Jahrzehnten keine Hinweise auf Kinderbordelle in Augsburg gegeben habe. Ja, so meinte sich ein Jugendschützer zu erinnern, es habe Einzelfälle gegeben, in denen sich ein 13-jähriges Mädchen, also noch ein Kind, prostituiert hätte. Auch seien in einem Lechhauser Bordell einmal zwei 15-jährige Prostituierte aus Bulgarien aufgegriffen worden, aber das sei die Ausnahme gewesen. „Kinderbordelle hat es hier meines Wissens nie gegeben“, so der Jugendschützer „und wenn, dann hätte ich das gewusst.“Den besagten Film über Kinderbordelle in Augsburg im Internet gebe es seit zehn Jahren dort zu sehen. Die dortigen Behauptungen seien vor Jahren durch die Medien gegangen und von Polizei und Behörden überprüft worden. Nichts habe sich bestätigen lassen.
Auf Initiative der Richterin wurde das Verfahren gegen die 32-jährige Mitangeklagte eingestellt. Ihre Äußerung im Internet „Endlich kommt die Wahrheit ans Licht“lasse sich tatsächlich auch auf ihre persönliche Situation beziehen und nicht allein auf die Behauptung in Sachen Kinderbordelle, so die Richterin. Zudem hatte die 32-Jährige erst kurz vorher eine Geldstrafe kassiert: Sie hatte einen Strafbefehl bekommen, weil sie eine andere Richterin beleidigt hatte, dagegen Einspruch eingelegt, war dann aber zum Prozess nicht erschienen.
Den 68-Jährigen verurteilte Richterin Greser zu einer Geldstrafe von 2100 Euro wegen Verleumdung. Der Angeklagte nahm das Urteil noch im Gerichtssaal an.