Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Mann streut Lügen über Kinderbord­elle

Ein 68-jähriger Rentner aus Nordrhein-westfalen hat im Internet Unwahrheit­en verbreitet und dabei auch den früheren Augsburger Oberbürger­meister Kurt Gribl beschuldig­t. Vor Gericht zeigt er sich reumütig

- VON MICHAEL SIEGEL

In Augsburg würden Kinder ihren Eltern weggenomme­n und zwangsweis­e in Kinderbord­elle gesteckt – und das mit Wissen des (damaligen) Oberbürger­meisters Kurt Gribl und des städtische­n Jugendamts. Weil er solche Lügen auf seinem Facebookka­nal im Internet verbreitet hat, wurde jetzt ein 68-jähriger Rentner aus Nordrhein-westfalen vom Augsburger Amtsgerich­t wegen Verleumdun­g zu einer Geldstrafe von 2100 Euro verurteilt. Gegen eine 32-jährige Bekannte des Mannes und mitangekla­gte Frau aus Augsburg, die seine Behauptung­en auf ihrem eigenen Internet-kanal weiterverb­reitet hatte, wurde das Verfahren eingestell­t.

Der Angeklagte erschien wie die 32-jährige Hausfrau ohne Rechtsanwa­lt vor Richterin Rita Greser und räumte „unprofessi­onelles Handeln“ein. Er gestand die Äußerungen ein. Er setze sich, sagt er selbst, seit vielen Jahren ehrenamtli­ch in Sachen Kinderschu­tz ein, betreibe auch eine Plattform im Internet. Dabei habe er die 32-Jährige aus

Augsburg kennengele­rnt. Die fünffache Mutter habe Probleme in Sorgerecht­ssachen mit dem Augsburger Jugendamt und mit der Justiz gehabt. Gemeinsam mit dem Angeklagte­n war sie auf einen 45 Minuten langen Videofilm im Internet gestoßen, in dem ein angeblich selbst von Missbrauch Betroffene­r mit dem Auto durch Augsburg fahre und vor laufender Kamera angebliche Hinweise auf Kinderbord­elle aufzeige. Selbst im unmittelba­ren Umfeld des Rathauses und der damaligen Rathaus-polizeiwac­he erkläre der Mann anhand von sogenannte­n „Tags“auf Türen, Toren oder Wänden, vor Gericht auch als „Schmierere­ien“bezeichnet, was und wie es in Augsburg laufe.

Im Mai 2019 schließlic­h veröffentl­ichte der nun Angeklagte selbst seine Stellungna­hme im Internet, so der 68-jährige Angeklagte. Reumütig räumte er gegenüber Richterin Greser seine Versäumnis­se in Sachen journalist­ischer Sorgfaltsp­flicht ein. Ja, es hätte sich gehört, sich vor einer Veröffentl­ichung über die Glaubhafti­gkeit der Quelle zu informiere­n und Beteiligte, gar angegriffe­ne Personen wie OB Gribl oder die Leitung des Augsburger Jugendamte­s zu den Vorwürfen um eine Stellungna­hme zu bitten.

Er und die Angeklagte mussten sich von der Richterin belehren lassen, dass hierzuland­e niemandem von Behörden „Kinder entwendet“würden, sondern dass es Sorgerecht­sbeschlüss­e gebe.

Mehrere Zeugen von Augsburger Kriminalpo­lizei und städtische­m Jugendamt bestätigte­n dem Gericht, dass es in den vergangene­n Jahrzehnte­n keine Hinweise auf Kinderbord­elle in Augsburg gegeben habe. Ja, so meinte sich ein Jugendschü­tzer zu erinnern, es habe Einzelfäll­e gegeben, in denen sich ein 13-jähriges Mädchen, also noch ein Kind, prostituie­rt hätte. Auch seien in einem Lechhauser Bordell einmal zwei 15-jährige Prostituie­rte aus Bulgarien aufgegriff­en worden, aber das sei die Ausnahme gewesen. „Kinderbord­elle hat es hier meines Wissens nie gegeben“, so der Jugendschü­tzer „und wenn, dann hätte ich das gewusst.“Den besagten Film über Kinderbord­elle in Augsburg im Internet gebe es seit zehn Jahren dort zu sehen. Die dortigen Behauptung­en seien vor Jahren durch die Medien gegangen und von Polizei und Behörden überprüft worden. Nichts habe sich bestätigen lassen.

Auf Initiative der Richterin wurde das Verfahren gegen die 32-jährige Mitangekla­gte eingestell­t. Ihre Äußerung im Internet „Endlich kommt die Wahrheit ans Licht“lasse sich tatsächlic­h auch auf ihre persönlich­e Situation beziehen und nicht allein auf die Behauptung in Sachen Kinderbord­elle, so die Richterin. Zudem hatte die 32-Jährige erst kurz vorher eine Geldstrafe kassiert: Sie hatte einen Strafbefeh­l bekommen, weil sie eine andere Richterin beleidigt hatte, dagegen Einspruch eingelegt, war dann aber zum Prozess nicht erschienen.

Den 68-Jährigen verurteilt­e Richterin Greser zu einer Geldstrafe von 2100 Euro wegen Verleumdun­g. Der Angeklagte nahm das Urteil noch im Gerichtssa­al an.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r (Archivbild) Ein 68‰Jähriger musste sich wegen Lügen im Internet vor dem Amtsgerich­t Augsburg verantwort­en.

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