Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wenn ein Kind im Schatten des Anderen steht
Hätte Einstein einen Bruder gehabt, was wohl aus ihm geworden wäre? Auch ein bedeuten der Physiker? Sicher ist: Dieser Bruder hätte es nicht leicht gehabt mit seinem Albert. Denn der war nicht nur ein herausragender Schüler, er spielte auch noch fantastisch Geige. Was aber tun, wenn man nun selber so eine Art klei nen Einstein hat. Nicht unbedingt hochbe gabt, aber doch erfolgreich in nahezu allem. Ei nem Kind, dem alles zufliegt, während das andere für seine bescheidenen Erfolge mühsam ackern muss. Muss oder darf ich denn das eine Kind bremsen, um dem anderen eine Ni sche zum Wachsen zu schaffen? Wie kann ich das eine Kind nun stärken, ohne das andere zu schwächen?
Mein Sohn hat das Pech, dass seine große Schwester sportlich und schulisch ein Überflieger und seine kleine Schwester die süße Kleine ist. Und wo steht er? Das ist schon ein Problem für ihn. Ich versuche ihn zu stärken, wo es nur geht. Er soll seinen Weg finden und nicht seinen Schwestern hinterherhecheln. Wir haben bewusst für ihn eine andere Sportart gesucht, die seine Schwestern nicht ausüben, beziehungsweise haben ihn ein gutes Jahr früher anfangen lassen, denn mittlerweile ist Golfen unser Familiensport geworden. Aber mein Sohn hat dort in der Mannschaft seinen Platz gefunden und die Mädels stehen ausnahmsweise mal nicht im Vordergrund. Nicola, Diplomkauffrau, zwei Töchter (10 und 15), ein Sohn (13)
Meine Tochter tut sich generell in vielem leichter. Ihr fliegt manches einfach zu, was mein Sohn sich hart erarbeiten muss. Zum Beispiel, wenn sie bei den Hausgaben ihres Bruder mit am Tisch sitzt und malt oder spielt, hat sie immer die Ohren gespitzt. Jetzt weiß sie schon vor ihrer Einschulung ein paar Buchstaben und kann sie malen. Für meinen Sohn, der Legastheniker ist, keine leichte Situation. Er hat sich immer schwer damit getan, musste lange sitzen und üben, um die Buchstaben überhaupt zu lernen und zu lesen. Nun kann das seine Schwester, bevor es für sie überhaupt losgeht. Er hat mich oft gefragt: „Warum kann die das schon?“Ich versuche dann immer seine Stärken hervorzuheben, dass er eben ein Tüftler und Techniker ist und dass seine Schwester beim Zuhören viel von ihm gelernt hat. Seit er mit der Legasthenie etwas selbstbewusster umgeht und gute Erfolge hat, kommt er damit besser klar. Stephi, Betriebswirtin, eine Tochter (6), ein Sohn (9)
» Auch Sie haben eine Er ziehungsfrage? Schreiben Sie an Familie@augsburger allgemeine.de. Die Kolumne wird betreut von Doris Weg ner und Stefanie Wirsching, beide Mütter, und Autorin nen des Buches „Supermüt ter“(www.augsburgerall gemeine.de/shop)