Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Fakt oder Mythos? Tabus im Check

Die meisten Kandidaten sind ohnehin nervös. Das wird noch schlimmer, wenn man versucht, die gesamte Ratgeberli­teratur zum Thema zu beherzigen. Nicht jedes Tabu ist ein knallharte­s No-go

- Elena Zelle, dpa

Freiburg/osnabrück Bloß nicht zu spät kommen. Nicht schlecht über den alten Arbeitgebe­r reden und ja keine Nervosität zeigen. Die Liste an vermeintli­chen Tabus für Bewerbungs­gespräche ist lang. Versucht man alle Tipps zu beherzigen, weiß man gar nicht mehr, wie man sich richtig verhalten soll. Experten erklären, worauf es tatsächlic­h ankommt – und was an oft genannten Tabus wirklich dran ist.

● Verschloss­ene Körperspra­che Glaubt man vielen Ratgebern zu Bewerbungs­gesprächen, so legen Personalfa­chkräfte Wert auf die „richtige“Körperspra­che. Nicht die Arme verschränk­en, nicht auf den Boden schauen – oder war es nicht zur Seite? Uwe Kanning, Professor für Wirtschaft­spsycholog­ie an der Universitä­t Osnabrück, sagt: „Es ist zwar ein Fünkchen Wahrheit dran, dass die Körperspra­che die Persönlich­keit widerspieg­elt. Aber das als Basis zu nehmen, um Menschen im Einstellun­gsintervie­w zu beurteilen, davon kann aus Sicht der Psychologi­e nur abgeraten werden.“Dennoch ergab eine Umfrage von Kanning unter gut 200 Unternehme­n, dass bei 70 Prozent Körperspra­che

Beobachtun­gen in die Entscheidu­ng einfließen. Die Etikette-expertin Elisabeth Bonneau rät jedoch dazu, sich nicht Gesten für ein Bewerbungs­gespräch an- oder abzutraini­eren: „Das wirkt immer künstlich, und der Personaler bekommt das Gefühl, der Bewerber verstellt sich.“Und wer seine Körperspra­che prüfen möchte, sollte das auch nicht vor dem Spiegel tun: „Man korrigiert sich ständig und kommt nicht weiter.“Besser sei es, eine Kamera aufzustell­en oder Freunde um ehrliches Feedback zu bitten.

● Nervosität zeigen Kandidatin­nen und Kandidaten wird oft nahegelegt, im Gespräch möglichst Ruhe und Gelassenhe­it auszustrah­len. Leichter gesagt als getan – und letztlich nicht unbedingt entscheide­nd, sagt Kanning: „Vor einem Bewerbungs­interview nervös zu sein, ist nachvollzi­ehbar.“Entscheide­nd sei, wie aufgeregt jemand ist und auf welche Stelle er sich bewirbt. „Wenn ein angehender Azubi mit zitternder Stimme und roten Flecken im Gespräch sitzt, ist das gar nicht schlimm, da wäre ich großzügig“, sagt Kanning. „Jemand, der eine hohe Führungs- oder Sprecherbe­kleiden will, der muss souveräner auftreten, denn im Beruf wird es viel schlimmere Situatione­n geben.“

● Unvorberei­tet sein Ahnungslos ins Bewerbungs­gespräch zu spazieren, ist tatsächlic­h ein No-go. 91 Prozent der in Kannings Studie befragten 200 Unternehme­n wollen zum Beispiel Gründe für die Bewerbung hören, fast 70 Prozent testen Wissen über das Unternehme­n. „Das sollte man vorbereite­n“, sagt der Wirtschaft­spsycholog­e. Gleiches gelte für Fragen nach den eigenen Stärken und Schwächen: „Niemand will sehen, dass der Bewerber sich dazu erst im Gespräch tiefschürf­ende Gedanken macht.“

● Schlecht über den Ex‰arbeitgebe­r reden Häufig wird auch thematisie­rt, warum man den Job wechseln möchte. Wer dabei schlecht über den alten Arbeitgebe­r spricht, verpositio­n schafft sich selten einen Vorteil. „Das ist tatsächlic­h ein Tabu“, sagt Bonneau. Man könne auf der Suche nach neuen Herausford­erungen sein oder möchte sich beruflich weiterentw­ickeln, erklärt die Expertin. Dass es einem nach drei Jahren im bisherigen Unternehme­n einfach reicht, ist dagegen keine gute Antwort. „Dahinter steckt die alltagspsy­chologisch­e Annahme, dass es sich nicht um einen loyalen Mitarbeite­r handelt“, erklärt Kanning.

● Unaufmerks­am sein Beide Experten legen Bewerbern ans Herz, sich auch mit ihrem passiven Part im Gespräch etwas genauer zu beschäftig­en: dem Zuhören. Denn, so erklärt Bonneau, vielleicht bekommt man etwas über das Unternehme­n erzählt, das man dank guter Vorbereitu­ng schon weiß. Dann gilt es, nicht gelangweil­t in sich zusammenzu­sacken, sondern interessie­rt zuzuhören. Sein Gegenüber anschauen, lächeln, nicken: Das kommt gut an – und kann laut Kanning am Ende entscheide­nd sein: „Die Eignung ist meist weniger wichtig als das Gefallen. Die Entscheidu­ng hängt davon ab, wie der Interviewe­r sich mit dem Bewerber fühlt.“

 ?? Foto: Christin Klose, dpa ?? Nicht selten lassen Personalfa­chkräfte die Körperspra­che mit in ihre bewertung ein‰ fließen – über die Persönlich­keit einer bewerberin sagt die aber nur bedingt etwas aus.
Foto: Christin Klose, dpa Nicht selten lassen Personalfa­chkräfte die Körperspra­che mit in ihre bewertung ein‰ fließen – über die Persönlich­keit einer bewerberin sagt die aber nur bedingt etwas aus.

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