Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Stadt, Land, Frust
Kern porträtiert ein Paar am Scheideweg
Stadt oder Land? Berlin oder Oderbruch? Ruth oder Jann – wer von beiden hat den besseren Lebensentwurf? Björn Kern porträtiert in seinem Roman „Solikante Solo“in Zeitsprüngen und aus gegensätzlichen Perspektiven ein Paar am Scheideweg. Die beiden haben eine siebenjährige Tochter, Sisal, sind aber nach größeren Auseinandersetzungen um den Familienwohnsitz getrennt. Doch auch das scheint nicht so recht zu funktionieren. Ruth ist grundsätzlich gestresst – vom Job, vom Kind, von der ganzen Situation. Auch die Freundin aus unbeschwerten Studienzeiten erweist sich als wenig hilfreich. Auf der anderen Seite hat sich Jann mit dem Kauf und der Renovierung eines alten Schlosses im abgelegenen Dorf Solikante verhoben. Das alte Gemäuer überfordert ihn genauso wie die Dorf-originale, die er anfangs so erfrischend anders gefunden hatte. Schneller als gedacht gerät Jann an seine Grenzen – auch als Teilzeitvater.
Björn Kern schneidet in seinem Roman die Erzählungen der gefrusteten Eltern gegeneinander, springt mal vor, mal zurück. Da muss man schon aufpassen, den Überblick nicht zu verlieren. Das Ende bleibt offen, auch wenn ziemlich klar wird, dass beide Lebensentwürfe problematisch sind. Mit Jann und Ruth zeichnet Kern das Porträt eines mittelalten Mittelstandspaares in einer Grenzsituation. Ein Paar, wie es wohl jeder kennt.
Björn Kern: Solikante Solo, Fischer, 330 S.,
16 Euro