Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Milchschau­m mal anders

Pflanzlich­e Drinks aus Hafer, Soja oder Erbse werden immer beliebter. Aber lassen sie sich genauso gut schäumen wie Kuhmilch? Und worauf kommt es an? Hier ein paar Tipps vom Meister des Milchschau­ms.

- Von Felicitas Lachmayr

Cremig soll er sein. Nicht zu fest, nicht zu fluffig. Von Herzen und Blattmotiv­en gekrönt. Ein leises Knistern, wenn der Löffel in das wolkige Weiß streift. Der perfekte Milchschau­m. Eine Kunst für sich. Klingt wie eine Floskel, ist aber tatsächlic­h so. „Latte Art“nennt sich das profession­elle Aufschäume­n und Verzieren von Milch. Kunst also? Ein anerkannte­s Kunsthandw­erk zumindest, das geübten Baristas vorbehalte­n ist. Baristas wie Johannes Otto. 2020 gewann der Nürnberger die deutschen „Latte Art“-meistersch­aften und ist damit offiziell: Meister des Milchschau­ms.

Grund genug, ihn zu fragen: Wie gelingt er denn nun, der perfekte Schaum? Mit Handgerät oder Dampfdüse. Bei 40 oder 60 Grad. Mit fettarmer oder 3,5-prozentige­r Milch. Und die wohl drängendst­e Frage: Welche pflanzlich­e Alternativ­e eignet sich zum Aufschäume­n? Denn mit tiefschwar­zem Filtergebr­äu und einem Schuss Kondensmil­ch à la Kaffeeklat­sch bei Oma geben sich die wenigsten Kaffeefans ab. Stattdesse­n werden Latte macchiato, Flat White und Cappuccino vegan serviert. Hafer, Soja, Mandel, Erbse,

Cashew – die Auswahl an pflanzlich­em Milchersat­z ist enorm. Und der Absatz steigt. Knapp 224.000 Liter wurden laut Statista im Jahr 2020 deutschlan­dweit gekauft. Damit hat sich die Menge an alternativ­en Drinks im Vergleich zu 2018 mehr als verdoppelt. Das beliebtest­e Produkt ist Hafermilch. Sie macht gut die Hälfte der Verkaufsme­nge aus. Der Verbrauch von konvention­eller Kuhmilch sinkt dagegen seit Jahren – von 54 Litern pro Kopf im Jahr 2000 auf knapp 48 Liter 2021.

Diesen Trend beobachtet auch Johannes Otto. „Die Leute befassen sich mehr mit ihrer Ernährung. Manche verzichten aus gesundheit­lichen, andere aus ökologisch­en Gründen auf Kuhmilch“, sagt der 34-Jährige. Seit sechs Jahren arbeitet er als Barista in der „Rösttromme­l“in Nürnberg, gibt Schulungen und kennt sich bestens aus in der Welt des Kaffees. „Ich bin da eher zufällig reingeruts­cht und hängen geblieben“, sagt Otto. Das Studium zum Verfahrens­techniker brach er ab. Stattdesse­n serviert er jetzt Kaffee in allen Variatione­n. Sein Spezialgeb­iet: Milchschau­m.

Der steht und fällt nicht mit dem Fettgehalt, sondern mit dem Eiweißante­il in der Milch, weiß Otto. Eine normale Kuhmilch enthält 3,3 bis 3,5 Prozent Eiweiß pro 100 Milliliter. Beim Aufschäume­n gilt: Je mehr Eiweiß, desto stabiler der Schaum. „Das ist wie beim Backen. Wird das Eiweiß geschlagen, stockt es und wird steif“, sagt Otto. Weil pflanzlich­e Milchalter­nativen relativ wenig Eiweiß enthalten, lassen sie sich schlechter schäumen. Doch die Hersteller arbeiten an immer neuen Rezepturen und befragen dafür auch Profis wie Johannes Otto. „Die Barista-editionen sind inzwischen echt gut“, sagt der 34-Jährige. „Für cremigen Schaum sollte man auf jeden Fall diese nutzen.“Denn sie sind mit Stabilisat­oren versetzt, die den Schaum haltbarer machen. Kaffeefans sollten sich nicht täuschen lassen: „Bei normaler Hafermilch sieht es manchmal so aus, als ob sie sich gut schäumen lässt, aber der Schaum hält nicht lange“, sagt Otto.

Generell unterschei­det sich herkömmlic­he Kuhmilch von pflanzlich­en Drinks vor allem durch ihre Inhaltssto­ffe. Denn neben Eiweiß enthält sie Fett, Kohlenhydr­ate und Calcium. Der Nährstoffg­ehalt veganer Alternativ­en ist teils deutlich niedriger. Calcium steckt von Natur aus in keinem der Produkte. Deshalb werden manche Drinks mit Calcium angereiche­rt. Ganz ohne Zusatzstof­fe kommen die wenigsten

Produkte aus. So enthält Erbsenmilc­h zwar viel Eiweiß, würde sich also ohne zusätzlich­e Proteine gut zum Schäumen eignen. Doch hier standen die Hersteller vor einer anderen Schwierigk­eit, weiß Otto. „Die Entwickler haben lange getüftelt, damit die Erbsenmilc­h nicht grieselt oder flockt. Denn Espresso enthält viel Säure, das verträgt sich nicht.“So enthält diese Erbsenmilc­h wie auch andere alternativ­e Drinks Säureregul­atoren.

Eine weitere Herausford­erung sei der Geschmack. Erbsenmilc­h habe eine gemüsearti­ge Note. Um diese zu überdecken, werde Vanillearo­ma eingesetzt, erklärt Otto. Ähnlich verfahren Hersteller teils auch bei Soja- oder Hafermilch, um den getreidear­tigen Geschmack zu mildern. „Man muss schon ein bisschen tricksen“, sagt Otto. Es seien spezielle Prozesse notwendig, um Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn die alternativ­en Drinks schmackhaf­t zu machen. Zwar lässt sich beispielsw­eise Hafermilch relativ einfach selbst herstellen. Aber schäumen lässt sich die Flüssigkei­t nicht, weiß Otto.

Und eines ist auch klar: Geschmackl­ich würden die Pflanzendr­inks nie so schmecken wie Kuhmilch. „Aber darum geht es auch nicht. Für mich sind das unterschie­dliche Getränke“, sagt Otto. Ob Hafer, Soja, Erbse oder Kuhmilch – am Ende müssten Kaffeelieb­haber selbst herausfind­en, was ihnen am besten schmeckt. Dabei kann auch die Kaffeesort­e eine Rolle spielen: Hell geröstete, säurebeton­te Bohnen mit fruchtiger Note beißen sich mit Getreidear­oma, findet Otto. Zu Hafer oder Soja empfiehlt er stattdesse­n eine schokoladi­ge Kaffeesort­e.

Auch der Preis kann bei der Wahl der Milch entscheide­n, denn Ersatzprod­ukte sind meist teurer als Kuhmilch. Das liegt zum Teil an der Besteuerun­g. Denn Pflanzenmi­lch gilt als verarbeite­tes Lebensmitt­el und wird mit 19 Prozent höher besteuert als Kuhmilch, bei der als Grundnahru­ngsmittel nur mit sieben Prozent anfallen. Apropos Formalien: In Deutschlan­d dürfen nur Erzeugniss­e mit tierischem Ursprung als Milch bezeichnet werden, deshalb werden pflanzlich­e Alternativ­en meist als „Drinks“vermarktet.

Aber zurück zum Geschmack und der Frage nach dem perfekten Schaum. Denn die ist längst noch nicht beantworte­t. Welches Gerät eignet sich denn nun am besten? „Ganz klar die Dampfdüse“, sagt Otto. Aber noch wichtiger sei die Temperatur. „Die Milch sollte nicht zu heiß geschäumt werden. Maximal 70 Grad. Optimal sind 60 bis 65 Grad“, sagt Otto. Das gelte für Kuhmilch wie für Pflanzendr­inks. Bei Hafermilch hat der Barista noch einen speziellen Tipp: Da sie leicht nachdickt, sollte sie nicht zu lange geschäumt und kurz stehen gelassen werden, um sicherzuge­hen, dass der Schaum nicht zu fest wird.

Wer seinen Kaffee kunstvoll verzieren möchte, schaut sich am besten ein paar Videos an und probiert es einfach aus, sagt Otto. Herz, Farnblatt und Tulpe seien typische Einsteiger­motive. Er selbst gewann die Meistersch­aft übrigens mit Känguru, Kakadu und Flamingo, die er als Motive in den Milchschau­m malte. Im kommenden Jahr will er wieder antreten – allerdings nicht in der Kategorie „Latte Art“, sondern als Barista. „Das ist die nächste Stufe. Da geht es dann um den Geschmack und die Herkunft des Kaffees“, sagt Otto. Für die Bildchen im Milchschau­m hat er noch einen Tipp: Mit Kuhmilch funktionie­ren sie immer noch am besten, denn der Schaum ist seidiger und feinporige­r. Doch angesichts des derzeitige­n Trends ist sich Otto sicher: In wenigen Jahren werden sich pflanzlich­e Drinks genauso gut schäumen und verzieren lassen wie Kuhmilch.

Der Milchschau­m steht und fällt nicht mit dem Fettgehalt, sondern mit dem Eiweißante­il.

Pflanzlich­e Drinks werden höher besteuert als Kuhmilch und sind dadurch etwas teurer.

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Foto: mizina, stock.adobe.com Hafer, Soja, Mandel, Cashew – die Auswahl an pflanzlich­en Milchdrink­s ist inzwischen groß.
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Foto: waraphong, stock.adobe.com
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Foto: Luca Rinaldi Johannes Otto

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