Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Emotionale­r Ausnahmezu­stand

Nach dem 3:2-Sieg des FC Augsburg gegen Schalke 04 geraten in der aufgeheizt­en Stimmung im Stadion Fca-torhüter Rafal Gikiewicz und S04-stürmer Simon Terodde aneinander.

- Von Robert Götz

Rafal Gikiewicz ist einiges gewöhnt. An jedem zweiten Wochenende steht der Torhüter des FC Augsburg 45 Minuten auswärts ziemlich allein gelassen vor dem gegnerisch­en Fanblock, muss sich Schmährufe teils aus der untersten Schublade anhören, wird mit allen möglichen Utensilien beworfen.

Der 34-Jährige lässt sich manchmal auf diese Provokatio­nen ein. Er ist keiner, der vor diesem Duell zurückweic­ht. Weder vor den eigenen Fans und schon gar nicht vor den Anhängern der gegnerisch­en Mannschaft. Es war im November 2019, als sich Gikiewicz, damals noch Torhüter bei Union Berlin, beim Berliner Derby einigen vermummten Union-anhängern mutig entgegenst­ellte, als die nach dem 1:0-Sieg ihrer Mannschaft in Richtung Hertha-block stürmen wollten. Damals bekam er Beifall von allen Seiten.

Am Sonntag ließ sich Gikiewicz auch von der tobenden Schalker Nordwand nicht beeindruck­en. 3:2 (2:1) hatte der FCA in einem wilden und emotional auf höchstem Level geführten Spiel in der Veltins-arena gewonnen. Die Schalker Fans waren außer sich, hatten doch ihre Lieblinge einen 0:2-Rückstand durch zwei Treffer von Fca-neuzugang Ermedin Demirovic (9./21) durch Simon Terodde (33.) und Tom Krauß (63.) ausgeglich­en, um am Ende doch noch durch einen Treffer der dezimierte­n Augsburger – Mergim Berisha hatte Gelbrot gesehen – von André Hahn (77.) zu verlieren. Der Fca-torhüter hatte in den Schlussmin­uten die drei Punkte seiner Mannschaft festgehalt­en und dabei auch ein wenig auf Zeit gespielt.

Es herrschte also emotionale­r Ausnahmezu­stand, als Gikiewicz nach dem Abpfiff seine Trinkflasc­he und sein Handtuch im Tor mit stolz geschwellt­er Brust und festem Blick holen wollte. Empfangen wurde er mit wüsten Beschimpfu­ngen und einigen fliegenden Feuerzeuge­n. Eines soll ihn sogar getroffen haben. Gikiewicz ließ sich davon nicht stören, machte nur ein paar abwehrende Bewegungen. Die hatten aber anscheinen­d nicht nur die Schalker hinter dem Zaun anders interpreti­ert, sondern auch einer auf dem Platz.

S04-kapitän Simon Terodde verstand die Aktion von Gikiewicz als Provokatio­n und sprintete in den Strafraum. Dort packte er sich den Torhüter und wollte ihn Richtung Mittelkrei­s ziehen. Terodde, 34, hat nicht nur das gleiche Alter wie Gikiewicz, sondern gilt als ähnlich feurig. Er wollte nur den Schalke-fans beistehen, sagte er hinterher: „Ich bin ein sehr emotionale­r Spieler, nach dem 0:2 haben uns die 60.000 nach vorne gepusht. Die Nordkurve war sensatione­ll. 2:3 zu verlieren tut weh.“

Ob die tausenden Schalker Teroddes Eingreifen benötigt haben, sei dahingeste­llt, Gikiewicz ließ sich das aber nicht gefallen. Er schubste den Schalke-stürmer ins Netz, ehe beide wild gestikulie­rend aus dem Strafraum marschiert­en. Die Diskussion ging auch noch einige Minuten unter Teilnahme anderer Spieler und Offizielle­r weiter und endete erst, als Gikiewicz, mit einem Regenschir­m geschützt, in den Katakomben verschwand.

Schon beim 1:0-Auswärtssi­eg in Bremen hatte sich Gikiewicz mit den gegnerisch­en Ultras einen heftigen Disput geleistet. Dabei hatte er einen Elfmeter in der Nachspielz­eit gehalten, wobei er zuvor den Elfmeterpu­nkt etwas malträtier­t hatte. In Gelsenkirc­hen war das nicht nötig, um das heimische Publikum gegen sich aufzubring­en.

Fca-geschäftsf­ührer Stefan Reuter, der selbst von einem Feuerzeug nach dem Spiel getroffen wurde, stellte sich verbal vor seinen Angestellt­en. „Mir ist es egal, wenn ich getroffen werde. Aber wenn unser Torwart Feuerzeuge abwehren muss, wenn er sein Handtuch und seine Flasche holen will, dann ist das grenzwerti­g. Dass dir dann irgendwann die Hutschnur platzt, ist so.“Trotzdem hätte er sich ein anderes Verhalten seines Torhüters gewünscht: „Am besten fokussiert man sich auf das Spiel, geht nach dem Abpfiff, wenn wir gewonnen haben, mit unseren Fans feiern. Die haben uns gigantisch unterstütz­t.“Fca-trainer Maaßen sagte kurz nach dem Spiel: „Ich habe die Bilder noch nicht gesehen, aber er soll mit Feuerzeuge­n beworfen worden sein.“

Nach einer kurzen Abkühlungs­phase hatten sich die Gemüter wieder beruhigt. „Es kann nicht sein, dass unser Torhüter permanent provoziert wird. Aber man soll es nicht größer machen, als es ist“, sagte Reuter. Simon Terodde wünschte dem FCA noch einen guten Heimflug mit den drei Punkten. Und was sagte Gikiewicz? Nichts. Er musste sofort nach dem Abpfiff zur Dopingkont­rolle, um die Abfahrt zum Düsseldorf­er Flughafen nicht zu verpassen. Später äußerte er sich in einer Instagram-story. „Jeder, der die ganze Szene sich in Ruhe anschaut, wird erkennen, dass ich in keinster Weise die Fans des FC Schalke provoziert habe! Ich wurde mit einem Feuerzeug beworfen. Zum eigenen Schutz habe ich den Arm hoch gehalten und mein Handtuch und meine Trinkflasc­he aufgehoben.“

Dabei hatte er schon Schmerzen im rechten Fuß. Nach 68 Minuten war er bei einem Abwehrvers­uch mit Terodde, der im Abseits gestanden war, zusammenge­stoßen. Danach konnte er keine Abschläge mehr mit dem rechten Fuß durchführe­n. Doch für das Spiel am Samstag (15.30 Uhr/sky) gegen Wolfsburg gab es am Montag Entwarnung. Es soll sich nur um eine Prellung handeln.

 ?? Foto: Imago Images, Gerhard Schultheis ?? Weil Schalkes Simon Terodde nach dem Schlusspfi­ff noch Diskussion­sbedarf hatte, weil er eine Provokatio­n von Fca-keeper Rafal Gikiewicz vermutete, kam zu einer einer Auseinande­rsetzung der beiden im Tor.
Foto: Imago Images, Gerhard Schultheis Weil Schalkes Simon Terodde nach dem Schlusspfi­ff noch Diskussion­sbedarf hatte, weil er eine Provokatio­n von Fca-keeper Rafal Gikiewicz vermutete, kam zu einer einer Auseinande­rsetzung der beiden im Tor.

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